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Baudaer Familie Zuhause im Unglück

Thieres sind zum Warten auf einen Bescheid des Finanzamtes verdammt. Und hoffen noch immer auf eine Lösung.

Von Catharina Karlshaus
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Zu diesem Zeitpunkt waren sie tatsächlich glücklich: Juliane und Alexander Thiere aus dem Großenhainer Ortsteil Bauda im Oktober vergangenen Jahres. Damals lief die im Frühjahr gedrehte Sendung „Zuhause im Glück“ das erste Mal über die Bildschirme. Thiere
Zu diesem Zeitpunkt waren sie tatsächlich glücklich: Juliane und Alexander Thiere aus dem Großenhainer Ortsteil Bauda im Oktober vergangenen Jahres. Damals lief die im Frühjahr gedrehte Sendung „Zuhause im Glück“ das erste Mal über die Bildschirme. Thiere © Kristin Richter

Bauda. Juliane Thiere hat die Hände voll. Ein paar Tage vor Weihnachten ergeht es der 32-Jährigen aus dem Großenhainer Ortsteil Bauda nicht anders als anderen jungen Frauen. Nach der Arbeit noch schnell etwas einkaufen, ein paar Besorgungen machen und die Kleine aus dem Kindergarten abholen. Hausaufgaben mit dem Sohn, der im August in die Schule gekommen ist. 

Alles so wie bei vielen Familien im Großenhainer Land – und doch ganz anders. Denn Thieres sind die, die man kennt. In Hamburg, Berlin, Chemnitz oder Stuttgart. 

Von denen Millionen Menschen wissen, dass sie nach der Geburt ihrer schwerkranken Tochter Zoe so manche schwere Zeit durchstehen mussten. Die Sanierung des im Jahr 2014 gekauften Hauses erst mal beiseitegeschoben werden musste, weil der beinah tägliche Kampf um das Leben der inzwischen Dreijährigen jegliche Aufmerksamkeit, Kraft und Zeit einforderte. 

Und sie sind jene sympathische Familie, mit der sich die Fernsehnation im März 2017 freute, als ein Team der RTL 2-Sendung „Zuhause im Glück – Einzug in ein neues Leben“ ihre vier Wände wohnlich gestaltete.

Immerhin: Acht Tage lang war in dem dreistöckigen Haus in einer etwas versteckt gelegenen Sackgasse hinter verschlossenen Türen gewerkelt worden. Unzählige Lastwagen hatten sich durch die Straße gequetscht, Autogrammjäger drückten sich die Nase am Zaun platt, um einen Blick auf Deutschlands bekannteste zwölf Handwerker nebst Innenarchitektin Eva Brenner zu erhaschen. 

Geradezu Volksfeststimmung hatte im 400-Einwohnerdorf geherrscht. Und große Erleichterung bei Juliane und ihrem Mann Alexander, denen mit dem Herrichten von mehreren Zimmern wenigstens eine Last von den Schultern genommen schien.

Was das junge Paar nicht ahnen konnte: Das Mitwirken bei der Renovierungssendung, die nach eigenem Bekunden schicksalsgebeutelten Familien helfen will, sollte ihnen neue Sorgen aufbürden. Und was für welche. „Da muss man nicht drumherum reden! Im schlimmsten Fall ist unsere wirtschaftliche Existenz bedroht und wir müssen das Haus verkaufen“, sagt Alexander Thiere.

Der Diplom-Informatiker und seine Frau können auch Monate danach nicht begreifen, was ihnen da passiert ist. Sie, die sich im Vorfeld der Teilnahme an der Sendung sogar noch juristisch beraten ließen. 

Die bei der Produktionsfirma UFA GmbH extra vor Unterschrift unter den Vertrag nachgefragt hätten, ob nachträgliche etwaige steuerliche Forderungen zu erwarten wären. „Damals wurde uns gesagt, das habe es in all den vielen Jahren, in welchen die Sendung produziert worden ist, noch nicht ein einziges Mal gegeben“, erinnert sich Juliane Thiere.

Nun aber doch. Eine Wirtschaftsprüfung bei der UFA GmbH, die im Auftrag von RTL 2 „Zuhause im Glück“ produziert, hatte im März ein steuerliches Problem zutage gefördert. Das Finanzamt betrachtet die Umbauarbeiten und die neuen Möbel für die Kandidaten demnach als sogenannte Sach-Gagen, eine Art Einkommen, das es zu versteuern gilt. 

Für Familien wie Thieres ein finanzielles Desaster. Um welche Summe es sich handelt, können sie bisher nur ahnen. Hatte sich die UFA GmbH im Frühsommer noch um Schadensbegrenzung bemüht und in einem Treffen mit interessierten Betroffenen in Köln juristische Unterstützung zugesagt, sei es nun still geworden um die Medienmacher. Gehört habe man schon lange nichts mehr.

Während zahlreiche Familien bereits Post vom Finanzamt bekommen haben und zur Zahlung von 65.000 bis 68.000 Euro aufgefordert wurden, startete die Dokusoap Ende September in die elfte Staffel. Kein Wort findet sich auf der Homepage der Sendung, dass der Traum vom aufgehübschten Zuhause am Kleingedruckten scheitern könnte. 

„Auch wenn die Finanzverwaltung daran festhält, dass die Renovierungsleistungen steuerpflichtig sind, konnte eine erhebliche Reduzierung der Berechnungsgrundlage für die Steuern mit der Finanzverwaltung abgestimmt werden“, betonte RTL 2 auf SZ-Anfrage. Diese Regelung werde aktuell von allen Finanzämtern beachtet. 

„Bei dem Abschlag handelt sich um einen pauschalen Abschlag, sodass die Familien weiterhin die Möglichkeit haben, gegen die Steuerbescheide vorzugehen. Besonders, um Positionen geltend zu machen, die sich aus ihren jeweiligen persönlichen Verhältnissen ergeben.“ RTL 2 und die UFA stünden zudem mit den Familien in Kontakt.

Juliane und Alexander Thiere haben davon bisher nichts gemerkt – und hoffen weiter. Darauf, dass es vielleicht doch noch eine weiterreichende Lösung gibt. Dass sie ihr Haus behalten können und sie endlich in ihrem neu gestalteten Zuhause zur Ruhe kommen dürfen. 

„Jeder Gang zum Briefkasten ist seit Juni mit Aufregung verbunden. Es fällt schwer, einmal nicht daran zu denken, was passieren kann“, bekennt Juliane Thiere. Erst vor ein paar Wochen sei sie wieder mit der bereits mehrfach operierten, stets ums Überleben kämpfenden Tochter im Krankenhaus gewesen. Berührende Geschichten wie diese, aus denen die Macher von „Zuhause im Glück“ ihre Sendung kreieren. 

Besonders bitter: Ausgerechnet jene Menschen, die ohnehin mit Krankheiten und Schicksalsschlägen zu kämpfen haben, bekommen nun noch existenzielle Sorgen aufgebürdet. „Das macht uns am meisten Angst! Auch im Interesse unserer Kinder wollen wir unser Zuhause nicht verlieren!“

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