Bautzen
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Bautzen als Stadtmodell für Blinde 

Dank der Initiative von Christian Noack gibt es in Bautzen ein besonders Angebot für Menschen mit Sehbehinderung. Es soll noch viel bekannter werden.

Von Miriam Schönbach
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Chistian Noack ist am Ziel: Das bronzene Stadtmodell, mit dem Blinde Bautzen im wahrsten Sinn des Wortes begreifen können, steht vor der Tourist-Information. Für dessen Finanzierung wurden unter anderem 2 200 Karten mit der Stadtansicht versandt.
Chistian Noack ist am Ziel: Das bronzene Stadtmodell, mit dem Blinde Bautzen im wahrsten Sinn des Wortes begreifen können, steht vor der Tourist-Information. Für dessen Finanzierung wurden unter anderem 2 200 Karten mit der Stadtansicht versandt. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Die Turmspitze aus Bronze des Doms St. Petri glänzt in der Sonne. Auch die Türme der Alten Wasserkunst, des Lauenturms und des Rathauses sind schon ganz blank vom Anfassen. Christian Noack fährt mit seinen Fingern über das Blindenstadtmodell vor der Tourist-Information. Die Ortenburg, die Spree, die Ruine der Nikolai-Kirche gleiten unter seinen Händen weg. Auch zwei Jahre nach der Einweihung des dreidimensionalen Stadtplans ist der 64-Jährige noch begeistert. „Es ist schön, dass es die Menschen annehmen“, sagt er. Wie viele andere Sehenswürdigkeiten der Stadt hat nun auch sein „Tast-Mal“ eine eigene Ansichtskarte bekommen.

Christian Noack hält eine Postkarte in der Hand. Sie zeigt Bautzens schönste Seite mit Alter Wasserkunst, St. Michael, ein bisschen Ortenburg, Rathaus und Dom. Darunter ist ein Bild des Blinden-Tastmodells zu sehen mit der Aufschrift „Nur gesehen – oder schon begriffen? Bautzen.“ Finanziert hat der Bautzener die Karte in einer Auflage von 2 200 Stück mithilfe seiner Geburtstagsgäste. „Jedes Jahr werde ich gefragt, was ich mir wünsche. Da kam mir die Idee, dass sie sich an diesem Projekt beteiligen können“, sagt der Bautzener.

Einer seiner größten Wünsche ging allerdings bereits mit der Fertigstellung des Blindentastmodells in Erfüllung. Dessen Geschichte beginnt im Februar 2013 mit der Anfrage einer blinden Touristengruppe, ob es ein solches Angebot an der Spree gebe. Wenige Monate später reist Christian Noack zu seiner Tochter und mit Freunden nach Wien. Gemeinsam steht der Besuch des Schlosses Schönbrunn auf dem Plan. Neugierig lässt sich der Bautzener alles erklären, der mit knapp 24 Jahren durch eine Sehnerv-Entzündung fast vollständig erblindete. Irgendwann stehen die Gäste vor einem Bronze-Miniature der einstigen Residenz der Kaiserin Maria Theresa.

Mit Fingern erobert Christian Noack die beliebte Wiener Sehenswürdigkeit und denkt sich: Das braucht Bautzen auch. Zuerst steckt er mit seiner Begeisterung alle in seinem Umkreis von der Idee an, dann sucht er sich Unterstützer, die er unter anderem auch in der Bautzener Stadtinformation findet. „Barrierefreie Angebote sind im Tourismus wichtig. Gäste mit Handicap sind immer mobiler. Es vergeht kein Tag, an denen niemand am Tastmodell stehen bleibt“, sagt Jens-Michael Bierke von der Tourist-Information Bautzen.

14 Stationen beim besonderen Stadtrundgang

Vier Jahre dauert es von der Idee bis zum Aufstellen des Blindenstadtmodells. Gut 32 000 Euro werden in dieser Zeit für das Projekt durch private Spenden, Fördermittel sowie einer Gemeinschaftsaktion des Bautzener Lions-Clubs zusammengetragen. Mit der Umsetzung wird der Bildhauer Egbert Broerken aus der Nähe von Soest in Westfalen beauftragt. Er schafft ein Bronzerelief im Maßstab 1:500. Seit der Übergabe gehört das Bronzerelief zu den Treffpunkten in Bautzen: Auch viele Stadtführer nutzen das Modell, um ihren Gruppen einen Überblick zu verschaffen.

Für sehbehinderte Menschen hält die Tourist-Information weitere Angebote bereit. Gemeinsam mit einem sehenden Begleiter können Interessierte auf eigene Faust den Stadtrundgang „Bautzener Berührungspunkte“ machen. An 14 Stationen können die Gäste die Objekte ertasten, wie zum Beispiel den Löwenkopf-Klopfer am Haus des Kaufmanns Hans Benade auf dem Fleischmarkt. Zudem wird ein Tast-Rundgang für Gruppen angeboten, drei Stadtführer haben sich darauf spezialisiert.