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Radibor: Dachdeckerfirma überlebt vier Krisen

Stefan Pietschmann begeht mit seinem Unternehmen das 100-jährige Jubiläum. Warum er den Job liebt, was nervig ist und welche Baustelle er nie vergessen wird.

Von Franziska Springer
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Stefan Pietschmann führt in vierter Generation ein Dachdecker-Unternehmen in Radibor.
Stefan Pietschmann führt in vierter Generation ein Dachdecker-Unternehmen in Radibor. © SZ/Uwe Soeder

Radibor. Bei der Frage, ob das Handwerk ein krisenfestes Unternehmen sei, muss Stefan Pietschmann schmunzeln. Der Lippitscher Dachdecker-Betrieb, den er inzwischen in vierter Generation führt, ist zweifellos krisenerprobt: 1921 gegründet, überdauerte er den Zweiten Weltkrieg, den Bau der Berliner Mauer und den Niedergang der DDR. "Man muss sich halt zu helfen wissen", kommentiert Pietschmann trocken und meint: "Die Material- und Fahrzeugbeschaffung war in der Mangelwirtschaft nicht einfach." Viel sei in manchen Zeiten über "Schachergeschäfte" gelaufen, wie er sagt.

Und dann will er schon gar nicht mehr allzu viele Worte über die Vergangenheit verlieren. Nur so viel sei erwähnt: Am 1. April 1921 gründete Max Pietschmann, seinerzeit Mitglied der Dachdeckerinnung, ein Dachdeckerunternehmen mit zwei Angestellten. Stefan Pietschmanns Großvater Max übernahm das Unternehmen 1965 und führte es gemeinsam mit seinen drei Söhnen weiter; bevor einer von ihnen - Rolf Pietschmann, Stefans Vater - am 1. April 1990 seine Nachfolge antrat.

Ab etwa diesem Moment kann Stefan Pietschmann aus eigener Erinnerung erzählen. Eine Last, das Familienunternehmen übernehmen zu sollen, habe er nie gespürt, sagt er. Im Gegenteil: "Ich wollte immer Dachdecker werden", macht Stefan Pietschmann klar. Heute ist er Obermeister der Dachdeckerinnung Bautzen, Arbeitgeber zweier Angestellter und Ausbilder eines Lehrlings.

Pietschmann: Beruf hat sich grundlegend verändert

Auf die Frage, ob sich das Dachdeckerhandwerk im Verlauf der letzten Jahre überhaupt geändert habe, nickt Pietschmann eifrig: "Unsere Arbeit heute lässt sich überhaupt nicht mehr mit der von früher vergleichen", sagt er und beginnt zu reden - von chemischen Baustoffen und Flüssigkunststoff, von neuen Materialien für Flach- und Satteldächer, die es früher noch nicht gab. Überhaupt, fährt er in aller Offenheit fort, sei die Dachdeckerei ein "Scheißjob". Schmunzelnd erklärt er: "Man ist immer nass, arbeitet permanent im Wasser - entweder, weil man so schwitzt oder weil es regnet."

Stefan Pietschmann ist offenbar keiner, der ein Blatt vor den Mund nimmt. Ein robuster Hüne, der trotz seiner Größe herzlich wirkt. Vielleicht fühlt er sich auch deshalb in seinem Beruf so wohl, weil er ein Gemeinschaftsmensch ist: "In unserer Region gibt es keine Konkurrenz zwischen den Dachdeckern", sagt er. Vielmehr, fährt er fort, sei man wie eine kleine Familie - treffe sich außerhalb von Corona zu Stammtischen und unternehme gemeinsame Ausfahrten.

Nachwuchssorgen plagen die Handwerks-Branche

Nicht verwunderlich ist daher, dass Stefan Pietschmann bei einem befreundeten Dachdecker in die Lehre ging. "Ich habe bei Dachdecker Winter in Wittichenau gelernt", blickt Pietschmann zurück. Auch dessen Unternehmen hätte in diesen Jahren sein hundertjähriges Bestehen gefeiert, aber: "Er hat keinen Nachfolger gefunden und musste schließen", erinnert sich Stefan Pietschmann. Nachwuchssorgen hat er - im Gegensatz zu anderen Handwerkern - nicht: Sein Sohn lernt derzeit im dritten Lehrjahr bei Uwe Krieger in Singwitz - selbstredend den Beruf des Dachdeckers.

Und Corona? Auch hier scheint das Dachdecker-Handwerk bisher seine Krisentauglichkeit zu beweisen: Bislang, sagt Stefan Pietschmann, habe sich die Pandemie auf seine Auftragslage nicht negativ ausgewirkt: "Handwerker sind gut durch die Krise gekommen. Mir hat bislang jedenfalls niemand einen Auftrag abgesagt", sagt er. Durch die aktuelle Preispolitik am Markt könne sich das aber schnell ändern.

Mit seinem Unternehmen hat Stefan Pietschmann das Dach des Schlosses in Milkel neu gedeckt. Keine der eckigen und geschwungenen Flächen sei einfach gewesen, sagt er.
Mit seinem Unternehmen hat Stefan Pietschmann das Dach des Schlosses in Milkel neu gedeckt. Keine der eckigen und geschwungenen Flächen sei einfach gewesen, sagt er. © privat

Bevor er diesen negativen Gedanken vertieft, spricht er lieber über Erfolge und zeigt ein großformatiges Bild von Schloss Milkel vor. Das haben er und seine Mannschaft mit sächsischem Biberschwanz neu gedeckt. An den Zeitraum kann er sich ganz genau erinnern: "Vom 3. März bis 22. August 2010", sagt er und erklärt strahlend: "Diese Baustelle kann eigentlich nichts mehr toppen. Da waren nur Ecken und Kanten in dem Dach. Keine dieser Flächen war einfach."

Für die Zukunft hat er, der sein Handwerk offenbar liebt, nur bescheidene Wünsche: Nicht auf weite Montage-Fahrten angewiesen zu sein, zählt dazu. Ansonsten antwortet Stefan Pietschmann knapp: "Es soll genau so weitergehen, wie bisher."

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