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Bautzens Landrat: „Corona-Tests sollten kostenfrei bleiben“

Michael Harig kritisiert in einem offenen Brief die Corona-Politik von Bund und Ländern. Im Interview mit Sächsische.de sagt er, was ihn stört und wofür er plädiert.

Von David Berndt
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Bautzens Landrat Michael Harig hat sich mit einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten gewandt. Er äußert sich darin vor allem zur Corona-Politik und plädiert dafür, zur Normalität zurückzukehren.
Bautzens Landrat Michael Harig hat sich mit einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten gewandt. Er äußert sich darin vor allem zur Corona-Politik und plädiert dafür, zur Normalität zurückzukehren. © Archivfoto: SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Der Bautzener Landrat Michael Harig (CDU) hat sich an diesem Donnerstagvormittag in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin, die Ministerpräsidenten sowie die regierenden Bürgermeister gewandt und darin seine „große Sorge“ bezüglich der Corona-Politik zum Ausdruck gebracht. Seiner Meinung nach sei eine Herdenimmunität erreicht, und die bisherigen Erklärungsmuster zur Begründung von Lockdown-Maßnahmen seien somit weitestgehend hinfällig - "auch für Ungeimpfte".

Harig warnt davor, Corona-Tests kostenpflichtig zu machen. Bund und Länder hatten sich jetzt auf die Corona-Regeln für den Herbst geeinigt, die etwa kostenpflichtige Tests für Ungeimpfte ab dem 11. Oktober beinhalten. Im Interview mit Sächsische.de erklärt Bautzens Landrat, warum er das für falsch hält.

Herr Harig, Sie haben sich gegen kostenpflichtige Corona-Tests ausgesprochen. Warum?

Vor einem Jahr, bei den ersten beiden Wellen, wurden die Lockdowns, also die Schließungen, mit fehlenden Behandlungsmöglichkeiten begründet. Die gefährdeten Gruppen, insbesondere die Älteren und Vorerkrankten, sollten geschützt werden. Eine "Herdenimmunität" war nicht möglich. Mittlerweile gibt es Medikamente und es wird geimpft. Laut Angaben von Bund und Land sind über 80 Prozent der über 60-Jährigen voll immunisiert.

Es gibt natürlich auch Menschen, die dem Impfen aus verschiedenen Gründen sehr skeptisch gegenüber stehen. Ich glaube, dass durch ein Erhöhen des Drucks diese Skepsis nicht beseitigt werden kann. Im Gegenteil, die Reaktionen werden negativ ausfallen. Testen und Abstand halten, sind weiterhin notwendig. Es wird darauf ankommen, die Menschen in positiver Weise vom Impfen zu überzeugen.

Den Weg über kostenpflichtige Tests halte ich nicht für richtig. Menschen werden dadurch von der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Das betrifft nicht nur die Leute, welche nicht geimpft sind, sondern auch Einrichtungen und Geschäfte, die dadurch geringer besucht werden. Mit kostenpflichtigen Tests wird man die Menschen nicht überzeugen.

Wie kann man die Menschen in positiver Weise fürs Impfen begeistern?

Es geht nicht um begeistern. Mittlerweile haben sich Millionen-weise Menschen in der Welt impfen lassen. Experten berichten, dass Impfschäden nur sehr unterproportional auftreten. Es gibt ja auch andere Impfungen, mit den das verglichen werden kann. Man sollte sich auch medial und in geeigneter Form mit den Argumenten der Skeptiker beschäftigen. Nur damit kann zur Aufklärung und zur Impfbereitschaft ein Beitrag geleistet werden.

Die Menschen ihr Nichtwollen finanziell spüren zu lassen, ist nicht der richtige Weg. Das führt noch mehr zur Spaltung der Gesellschaft. Die Argumentation, dass die Geimpften die Gelder für das Testen aufbringen, kann man auch anders herum sehen: Die Nichtgeimpften tragen mit ihren Steuern auch die Kosten fürs Impfen mit.

Corona-Tests sollten also kostenlos bleiben?

Die Tests sollen weiter kostenfrei angeboten werden, um nicht zu riskieren, dass die Leute sich nicht mehr testen lassen. Menschen meiden womöglich dann aus Sparsamkeit die Tests beziehungsweise die Bereiche, wo Tests vorgelegt werden müssen. Sie lassen sich also nicht testen, womit die Gefahr einhergeht, dass die Dunkelziffer der Infizierten im Zweifelsfall wieder steigt.

In Ihrem offenen Brief schreiben Sie, dass „sich der Eindruck eines Interessen-gelenkten Obrigkeitsstaates“ verschärfe. Welche Interessen meinen Sie?

Das ist ein bisschen überspitzt gemeint. Wenn man mit Menschen redet, die Impfkampagne verfolgt und die Präsenz des Themas sieht, dann sagen viele Leute, da steht die Pharmaindustrie oder wer auch immer dahinter. Solche Behauptungen muss man stark entgegentreten, keine Frage. Aber die Fragen sind da.

Wir haben gegenwärtig das Problem, dass trotz breiten Impfens Veranstaltungen abgesagt werden. Viele Leute fragen sich, warum sie sich haben impfen lassen. Die Politik sollte den Mut haben, zur Normalität zurückzukehren. Das muss der Weg in Zukunft sein. In den Kliniken im Landkreis Bautzen haben wir zurzeit ein bis zwei Corona-Patienten. Intensivbehandlungen sind noch seltener.

Wenn ich Menschen animieren will, sich zu schützen, dann muss ich im Nachgang auch ein normales Leben ermöglichen.

Was verstehen Sie unter Normalität?

Es wäre zu prüfen, in wieweit die Corona-Regeln entfallen können. Vor einem Jahr war es sicher nicht möglich, anders zu reagieren. Es mussten Begegnungen beschränkt werden, um Infektionsketten zu durchbrechen. Das haben wir insbesondere für die gefährdeten Gruppen gemacht: die Älteren und Vorerkrankten. Deshalb wurden zuerst die über 80-Jährigen und die Pflegekräfte geimpft. Es wurden weitere Reihenfolgen festgelegt bis sich jeder impfen lassen konnte.

Die wir schützen wollen, sind geschützt. Die nicht geschützt werden wollen, leben mit dem Risiko. Die jungen Menschen, die Kinder und Jugendlichen, sind wenig gefährdet. Das ist medizinisch anerkannt. Deswegen gibt es überhaupt keinen Grund mehr, auf die Inzidenz zu schauen, um dann mit Einschränkungen zu operieren, als hätte es das Impfen und die gemachten Erfahrungen nicht gegeben.

Sie haben ja gerade die Kinder und Jugendliche angesprochen. Die Impfkommission hat eine Empfehlung für Zwölf- bis 17-Jährige abgegeben. Was halten Sie davon?

Ich bin kein Mediziner und kann das nicht bewerten. Man hat sich auf amerikanische Studien berufen, nach denen es bis jetzt keine nennenswerten Probleme gegeben hat, seit geimpft wird. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass Kinder und Jugendliche infiziert und Überträger sein können. Die Verläufe sind aber regelmäßig sehr mild.

In Sachsen können die Kinder ab zwölf Jahren ja schon geimpft werden, und etwa 25 Prozent der Eltern haben das wohl, so hört man, in Anspruch genommen. Die Entscheidung liegt bei den Eltern. Wie gesagt, ich bin kein Mediziner und kann das weder befürworten noch davon abraten.