Harig: „Ich bin gegen eine allgemeine Impfpflicht“

Bautzen. In den letzten Monaten seiner Amtszeit steht Bautzens Landrat Michael Harig (CDU) vielleicht vor seiner bislang schwierigsten Aufgabe: die Herausforderungen der Corona-Pandemie zu bewältigen. Die derzeitige Corona-Lage im Kreis ist sehr ernst. Die Sieben-Tage-Inzidenz hat fast den Wert von 2.000 erreicht, Corona-Patienten müssen verlegt werden, die Kontaktnachverfolgung gelingt nur mäßig.
Im Interview mit Sächsische.de spricht Michael Harig darüber, wie der Landkreis die Probleme lösen will, welche Rolle das Impfen spielt und ob er mit weiteren Einschränkungen rechnet.
Herr Harig, der Landkreis Bautzen ist aktuell einer mit den höchsten Inzidenzwerten deutschlandweit. Was läuft hier schief?
Diese Frage ist berechtigt, aber außerordentlich schwer zu beantworten. Wir haben aktuell fast 10.000 Infektionen und täglich mehr als 1.000 Neuinfektionen, und es stellt sich die Frage nach den Ursachen. Ich kann es schlussendlich nicht erklären. Das Impfen ist jetzt das wichtigste Thema.
War es ein Fehler, die Impfzentren zu schließen?
Es war zum damaligen Zeitpunkt kein Fehler. Es kam keiner mehr. Wir hatten noch nicht die Erkenntnis, dass der Impfschutz so schnell nachlässt. Dann wurden Diskussionen geführt, welche Gruppen wann am besten ihre Booster-Impfung bekommen sollen. Wenn wir jetzt die festen Impfstellen haben, ist das eine gute Alternative. Auch die niedergelassenen Ärzte impfen weiter mit, und dafür will ich mich bedanken.
Teile der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens laufen wegen Quarantänen und Krankheitsfällen nicht mehr richtig. Haben wir die Lage noch im Griff?
Vom Kontrollverlust möchte ich nicht sprechen, aber diese Ausfälle treffen alle. Die Belastung in den Krankenhäusern ist so hoch wie im Vorjahr, aber bei einer vierfach höheren Inzidenz. Wenn das so weitergeht, kommen wir in eine Situation, die dann nicht mehr beherrschbar ist. Die Verteilung von Patienten ist jetzt der notwendige Weg. Deswegen fordere ich die Menschen im Landkreis dringend auf, sich an die Regeln zu halten und Kontakte zu reduzieren, um die Welle zu brechen.
Kommen Sie bei der Kontaktverfolgung noch hinterher?
Wir haben etwa 3.000 Fälle aus den zurückliegenden Tagen, die noch zur Bearbeitung anstehen. Deshalb planen wir jetzt einen gemeinsamen Kraftakt aller Mitarbeiter. Mich eingeschlossen, werden wir alle an einem Tag in der nächsten Woche jeweils ein bis zwei Fälle bearbeiten, damit wir von diesen hohen Zahlen runterkommen und diese Rückstände aufarbeiten.
Sie hatten für den Landkreis Bautzen ein 1G-Modell vorgelegt, was abgelehnt wurde. Was würde damit besser funktionieren?
1G sollte eine Brückenlösung zum Boostern sein. Wir haben mittlerweile erkennen müssen, dass Geimpfte und Genesene auch zum Infektionsgeschehen beitragen. Die Kostenpflicht beim Testen seit dem 11. Oktober hat dazu geführt, dass kurz darauf die Zahlen deutlich nach oben gegangen sind, weil sich die Geimpften und Genesenen in Sicherheit gewähnt haben und die Nicht-Geimpften sich haben nicht mehr testen lassen. Somit haben wir überhaupt kein Gefühl mehr dafür bekommen, wo die Infektionen herkommen. Deswegen bin ich auch etwas verärgert, dass dem 1G-Vorschlag nicht gefolgt worden ist. Jetzt haben wir in vielen Bundesländern 2G-Plus und damit Testpflichten auch für Geimpfte und Genesene.