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Kreis Bautzen: Wochenlanges Warten auf soziale Beratung

Durch Corona ist der Bedarf an sozialer Beratung weiter gestiegen. Doch der Landkreis Bautzen kürzt freien Trägern den Zuschuss.

Von David Berndt
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Julia Dickerson kümmert sich um Klienten der Diakonie in Bautzen, etwa im Rahmen der Lebens- und Paarberatung. Doch dafür gibt der Landkreis ab April 2022 keinen Zuschuss mehr.
Julia Dickerson kümmert sich um Klienten der Diakonie in Bautzen, etwa im Rahmen der Lebens- und Paarberatung. Doch dafür gibt der Landkreis ab April 2022 keinen Zuschuss mehr. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Bis zu acht Wochen Wartezeit müssen Menschen einplanen, die einen Termin bei der Lebens- und Paarberatung der Diakonie im Kirchenbezirk Bautzen-Kamenz haben wollen. Hier gibt es Unterstützung bei Konflikten in Partnerschaft und Familie, bei der Verarbeitung von Trennung oder Scheidung oder bei Angst, Trauer und Einsamkeit.

Doch der Landkreis Bautzen will seine finanzielle Zuwendung für dieses Angebot zum 31. März 2022 einstellen. Alexander Jesinghaus, geschäftsführender Vorstand der Diakonie Bautzen, kann das nicht verstehen. Es werde vordergründig finanziell argumentiert, ohne auf den Bedarf zu schauen. „Der Bedarf ist bei allen Beratungsangeboten gestiegen, auch durch Kollateralschäden, die Corona verursacht hat.“ Das betreffe Paarbeziehungen, die Kindererziehung oder das Thema Einsamkeit.

Lebensberatung ab April nicht mehr kostenlos

Die Lebens- und Paarberatung sei das älteste Beratungsangebot der Bautzener Diakonie und inhaltlich einzigartig im Landkreis, sagt Alexander Jesinghaus. Kürzungen habe es auch bisher schon gegeben. Aktuell umfasse die Beratung noch den zeitlichen Umfang einer halben Stelle. Sie werde von mehreren Profis geleistet, die ausgebildete Psychologen, Sozialpädagogen, Familientherapeuten oder Ehe- und Lebensberater sind. Auf diese Expertise wolle die Diakonie nicht verzichten und das Angebot auch ab dem 1. April 2022 aufrechterhalten.

Pro Beratung werden die Klienten dann allerdings eine Gebühr von etwa 20 Euro zahlen müssen, erklärt Claudia Kobalz, die ebenfalls im Vorstand der Diakonie sitzt und die Verwaltungsleitung innehat. „Sollten wir weitere Fördermittel bekommen, kann dieser Betrag noch sinken.“ Von der Altenheim-Stiftung der Stadt Bautzen erhalte man vielleicht einen vierstelligen Betrag für die Sachkosten.

Der Landkreis begründet seine Entscheidung damit, nicht genug Geld für diese freiwillige Leistung zu haben“, fügt Claudia Kobalz hinzu. Seit Langem seien vom Kreis 21.600 Euro als fester Jahresbetrag für die Lebens- und Paarberatung gekommen, was den größten Teil der Finanzierung ausmache. Man sei dem Landkreis ja dankbar, dass die Finanzierung nicht schon 2021 beendet wurde, aber jetzt gehe es um die Zukunft. Die Diakonie habe deshalb einen Antrag auf weitere Förderung gestellt, allerdings erfolglos.

Landkreis verweist auf ein anderes Beratungsangebot

In den Ausführungen des Landratsamtes klingt das anders. „Mit dem Diakonischen Werk Bautzen ist eine Förderung der Ehe-, Lebens- und Paarberatung bis zum 31.03.2022 vereinbart. Eine Weiterführung dieser Beratungsleistung soll im Rahmen der vom Landkreis finanzierten Allgemeinen Sozialen Beratung der Diakonie Bautzen erfolgen“, teilt eine Landkreis-Sprecherin auf Anfrage mit.

Auch sei der Landkreis in einem fachlichen Austausch mit den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege, um zu klären, „wie die sozialen Strukturen an die steigenden Ansprüche einer komplexer werdenden Gesellschaft angepasst werden. Dies bezieht sich auch auf die Fragen des Umfangs und der Organisation von Beratungsleistungen.“

Bei freiwilligen Leistungen wie der Paar-und Lebensberatung hat der Landkreis Bautzen schon gestrichen. Diakonie-Vorstand Alexander Jesinghaus befürchtet, dass dies auch bei Pflichtaufgaben passieren könnte.
Bei freiwilligen Leistungen wie der Paar-und Lebensberatung hat der Landkreis Bautzen schon gestrichen. Diakonie-Vorstand Alexander Jesinghaus befürchtet, dass dies auch bei Pflichtaufgaben passieren könnte. © SZ/Uwe Soeder

Die allgemeine soziale Beratung gehört genauso wie die Erziehungsberatung zu den Pflichtaufgaben des Landkreises Bautzen, doch Alexander Jesinghaus befürchtet, dass es auch dort zu Einschränkungen kommen könnte. „Der Landkreis ist hier in der Bringepflicht, aber die Finanzierungslogik bei freiwilligen Aufgaben überträgt sich zunehmend auf Pflichtaufgaben.“

Geld reicht nicht für gestiegene Personalkosten

Was ist da dran? Das zeigt ein Beispiel des Kreisverbands der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Dessen Erziehungsberatungen in Bautzen, Kamenz und Bischofswerda stehen vor Kürzungen, bestätigt Geschäftsführerin Marina Schneider. Man sei telefonisch aufgefordert worden, die Kosten zu reduzieren. „Das geht aber nur noch beim Personal“, sagt die Awo-Chefin.

Sie habe im Vergleich zum Vorjahr zwar 2,5 Prozent mehr Geld zur Verfügung, aber diese Steigerung reiche nicht aus, um die gestiegenen Lohnkosten etwa durch Tariferhöhungen zu decken. Das bedeute, dass Beratungs- und damit Arbeitszeiten der Mitarbeiter gekürzt werden müssten, damit diese noch das Geld erhalten, was ihnen zusteht. „Die Wartezeiten werden sich erhöhen, aber die Menschen brauchen jetzt Hilfe“, skizziert Marina Schneider die Lage.

Schon jetzt müssten sich die Klienten auf sechs bis acht Wochen Wartezeit einstellen. Dabei herrsche oft große Verzweiflung, wenn sich etwa Eltern trennen. Da sei schnelle Beratung notwendig. Durch Corona habe sich die Situation noch verschärft. „Es gibt einen Riesenbedarf, der noch größer wird.“

Ginge es nach Marina Schneider müsste das vorhandene Geld nur anders verteilt werden. Das sieht Diakonie-Vorstand Alexander Jesinghaus ähnlich. Geld sei im Kreishaushalt durchaus vorhanden. Vielleicht müsse man sich die Verteilung nochmal genau anschauen.