Bautzen. Wie war das Leben früher in der DDR? Eine Frage, die sich sicher vor allem die vielen Jugendlichen gestellt haben, die sich jetzt im großen Saal des Bautzener Theaters das Premierenstück „Abgehauen“ anschauten. Mit dem von Mirko Brankatschk inszenierten Werk wurde das Festival für partizipatives Theater eröffnet. Ein Festival, das vom Thespis Zentrum mit Unterstützung des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters zum dritten Mal durchgeführt wird, und bei dem Theaterprojekte aus Deutschland und dem europäischen Ausland unter dem Titel „Willkommen Anderswo“ gezeigt wurden.
Im Mittelpunkt des Stücks stehen vier Mitglieder einer Punkband, die das Leben in einem Land genießen, das in den letzten Zügen liegt. Denn im September ’89 öffnete Ungarn seine Grenzen, machten viele Ostdeutsche rüber in den Westen, war es vorbei mit dem sogenannten „Eisernen Vorhang“. Der Blickwinkel des Quartetts auf den Staat verändert sich rapide, als sie eine Freundin treffen, deren Fluchtversuch scheiterte, die von der Stasi zur Zusammenarbeit gezwungen wurde. In so einem repressiven Staat weiterleben? Keineswegs. Also rübermachen, in die Freiheit, um auch Träume ausleben zu können.
Eigene Fluchterlebnisse verarbeitet
Mirko Brankatschk, Schauspieler beim Deutsch-Sorbischen Volkstheater, verarbeitet mit diesem Werk auch seine eigenen Fluchterlebnisse. Diese Gemeinschaftsproduktion des Sorbischen Jugendtheaters und des Steinhaus-Vereins vermittelt einen nachdrücklichen Blick auf das Leben der Jugendlichen in der Vorwendezeit. Wie es war, das ostdeutsche Lebensgefühl, zeigen dazu noch Ausschnitte aus der DDR-Nachrichtensendung „Aktuelle Kamera“.
Die Teenager spüren, dass Veränderungen anstehen, die auch sie betreffen werden. Aber Flucht heißt auch, Gewohntes, Liebgewonnenes zurückzulassen. Kann man das? Niemand will im berüchtigten Stasi-Knast in Bautzen landen, wo zu Vorwendezeiten viele der gefassten Flüchtlinge landeten.
Mix aus Schauspiel, Tanz und Musik begeistert
Brankatschk, der aus Krankheitsgründen leider nicht bei der Premiere dabei sein konnte, hat sich bei seiner Inszenierung für einen Mix aus Schauspiel, Tanz und Musik entschieden. Diese Art der Inszenierung verlangt den jungen Laiendarstellern ein hohes Maß an Konzentration ab: Teile der Handlung werden aber nicht nur gespielt, die jungen Mimen werden auch zum Erzähler. In Verbindung mit gespielter und in deutsch und sorbisch erzählter Handlung sowie dem stimmigen wie stimmungsvollen Einsatz von Musik und Tanz zeichnet die Inszenierung ein lebendiges und plastisches Bild der DDR. Und von einem wiedervereinigten Deutschland.
30 Jahre nach dem Mauerfall treffen sich die früheren Bandmitglieder wieder, lassen es – „wir können es doch sicher noch?“ – zum Schluss der einstündigen Aufführung musikalisch noch mal krachen. Minutenlanger frenetischer Beifall im großen Haus. Brankatschks Stück dürfte sicher bei den jüngeren Zuschauern den Blick auf die damaligen Denkweisen vertieft und auch ein tieferes Verständnis für die Zeit und die Menschen geschaffen haben.
Das Stück "Abgehauen - rüber - geflohen" ist unter anderem wieder am 23. und 24. September sowie am 14. Oktober, jeweils 10 Uhr, im Bautzener Theater zu sehen.
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