Lebensmittel retten: So gut funktioniert die App To good to go im Kreis Bautzen
Bautzen. Eine prall gefüllte Brötchentüte für vier Euro oder Fischspezialitäten für 3,50 Euro? Was wie ein Märchen klingt, können Nutzer sich per App bestellen. Denn viele Lebensmittel, die in Bäckereien, Bistros oder Supermärkten angeboten werden, sind am Abend noch zu gut, um weggeworfen zu werden. Das sagt auch der englische Name der App aus, die ich im Landkreis Bautzen ausprobieren will: To good to go, kurz TGTG.
App verspricht Lebensmittel zum kleinen Preis
Händler geben über die App meist schon am Vorabend an, wie viele Überraschungstüten sie verkaufen wollen. Meist kosten sie zwischen drei und vier Euro. Die Kunden wissen vorher nie, was sie bekommen. Die Waren, so verspricht TGTG, sind oft das Dreifache wert, auf jeden Fall aber doppelt so viel. Kunden können sich über die App dann die Tüte reservieren und im angegebenen Zeitraum abholen. Dabei hat Glück, wer am ehesten reserviert, sobald eine Tüte freigeschaltet ist.
Schnell muss ich feststellen, dass das Angebot gefragt ist. Bei der Restaurantkette Nordsee im Bautzener Kornmarkt-Center versuche ich mehrmals, eine Tüte zu reservieren, doch immer bin ich zu spät, obwohl ich zur angegebenen Zeit auf die App schaue. "Probiere es morgen 19.16 Uhr wieder", steht da. Die Tüten sind gefragt. Nordsee-Sprecherin Jana Alfke berichtet, dass mehr als 70 Kunden im Monat das App-Angebot nutzen. "Über die App erreichen wir Kunden, die wir normalerweise nicht erreichen würden", sagt sie. Die App wird mittlerweile deutschlandweit von etwa acht Millionen Menschen genutzt.
Auch bei der Bäckerei Neumann in Bautzen sind mir andere App-Nutzer zuvor gekommen, so wie Andrea Lehmann, die eine prall gefüllte Tüte mit dunklen und hellen Brötchen abholt. Sie kauft zum dritten Mal eine Tüte bei Neumanns für die Familie, seitdem sie von einer Bekannten von dem Angebot gehört hatte. Eine Tüte ist bei der Bäckerei immer eingestellt, denn irgendetwas bleibt immer übrig, erzählen die Mitarbeiter. Zusätzlich schalten die Verkäuferinnen dann am Tag selbst noch Tüten frei - je nachdem, wie viel verkauft wurde.
Über 20 Bäcker, Supermärkte und Tankstellen nehmen teil
Die Bäckerei Neumann nutzt TGTG erst ein paar Monate, Markus Thonig in Wilthen ist schon seit drei Jahren dabei. Damals waren die Wilthener Bäckerei und Nordsee als einzige rund um Bautzen bei der App vertreten. Mittlerweile ist das Angebot für TGTG-Nutzer deutlich größer. In Bautzen sind die Bäckerei Sternenbäck, der Brezelbäcker Ditsch und Aral mit Produkten von Rewe dazugekommen. In Bischofswerda sind die Kloß-Mühle, Netto und zwei Star-Tankstellen dabei. In Kamenz beteiligen sich Sternenbäck und die Sprint Tankstelle.
In den Städten wurden somit nach Angaben von TGT-Sprecherin Denise Fertig schon insgesamt 7.800 Portionen gerettet. "Da eine Überraschungstüte durchschnittlich 2,5 Kilogramm klimaschädlichem CO2 entspricht, das bei der Produktion entsteht, wurden durch die Rettung circa 19.500 Kilogramm Treibhausgase nicht umsonst ausgestoßen", sagt Denise Fertig und fügt hinzu: "Das entspricht in etwa der gleichen Menge, die bei 14 Flügen zwischen Berlin und Tokyo ausgestoßen wird."
Dazu kommen die Tüten von Netto, der Kloß Mühle und Sternenbäck in anderen Orten im Landkreis, sowie Angebote etwa vom Bio-Bäcker Spiegelhauer in Großhartau oder der Star-Tankstelle in Neukirch, die nach eigener Aussage zum Beispiel belegte Brötchen abgibt.
Selbsttest in Bautzen und Bischofswerda
Auf der Karte ist zu sehen, welche Läden gerade etwas anbieten und wann ich die Ware abholen muss. Bei der Brezelbäckerei Ditsch in Bautzen klappt es mit der Reservierung. Am nächsten Abend drückt mir die Verkäuferin eine von drei angebotenen Tüten in die Hand. In meiner sind fünf einzelne Packungen, darin verbergen sich zwei Stück Pizza, eine Käsebrezel, eine Laugenstange und ein Schokocroissant. Keine schlechte Ausbeute für drei Euro. Ich will wissen, ob es nur ein Glückstreffer war und reserviere an einem anderen Tag erneut. Auch diesmal gibt es fünf Produkte, unter anderem Pizza und Brezeln.
Ich suche mir ein weiteres Angebot und hoffe auf etwas weniger Verpackungen. Im Netto in Bischofswerda habe ich sogar zwei Stunden Zeit, mir die Lebensmittel abzuholen - bei vielen Anbietern ist es oft nur eine halbe Stunde. Als ich komme, bestätigt die Verkäuferin auf der App, dass ich da war, erst dann geht das Geld über PayPal von meinem Konto ab.
Für 3,90 Euro bekomme ich eine Milch, eine Packung Brot und Hähnchenfleisch, das normalerweise allein schon teurer ist, als der ganze TGTG-Einkauf. Die drei Produkte haben als Mindesthaltbarkeitsdatum den aktuellen Tag. Dazu kommen Kartoffeln und eine angerissene Packung mit Äpfeln.
Nicht alle Produkte aus meinem kleinen Test würde ich normalerweise kaufen, beziehungsweise woanders. Doch das ist das Prinzip von TGTG: Es wird das genommen, was übrig geblieben ist, Extrawünsche gibt es nicht. Dafür sind die Produkte deutlich günstiger. Zudem hat man beim Essen doch gleich ein besseres Gefühl - das Gefühl, Lebensmittel vor der Tonne gerettet zu haben.