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Erst kam die Einsamkeit, dann der Krebs

Schlafapnoe und Depressionen machen Jörg Jahn aus Doberschau bei Bautzen das Leben schwer, und dann ist da auch noch ein Tumor. Lichtblick spendet etwas Trost.

Von Ina Förster
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Jörg Jahn (50) wohnt seit Kurzem in Doberschau bei Bautzen. Er hat seit elf Jahren mit psychischen und gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.
Jörg Jahn (50) wohnt seit Kurzem in Doberschau bei Bautzen. Er hat seit elf Jahren mit psychischen und gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. © SZ/Uwe Soeder

Doberschau-Gaußig. Es ist still geworden um Jörg Jahn. Gerade aktuell macht ihm der nahende Winter extrem zu schaffen. Das Graue, die Dunkelheit. Da braucht es viel Motivation, um den nächsten Schritt zu tun. Im besten Fall vor die eigene Tür. Seine Depression hat ihn im Griff. Die langen Nächte ohne Schlaf zerren an den Nerven. Seit Jahren leidet der 50-Jährige an einer schweren Schlafapnoe.

Erst im letzten Jahr zog er nach Doberschau bei Bautzen. Der gebürtige Thüringer nahm das Angebot einer Bekannten an, bei ihr im Haus zu wohnen. Ganz allein hätte er das alles nicht geschafft. Denn zusätzlich zu vielen anderen Beschwerden erhielt Jörg Jahn im Spätsommer 2020 eine Krebsdiagnose, die sein Leben auf den Kopf stellte.

Auf einen Schlag zwei Stützpfeiler verloren

"Mein Leidensweg mit psychischen Problemen dauert schon elf Jahre", erzählt er. "Es war nie einfach, aber der Tumor hat mir endgültig die Füße weggerissen." Dabei lebte Jörg Jahn noch bis 2010 zufrieden in Thüringen. Hatte alles, was man braucht: Frau, Kind, Haus, einen guten Job. Das Finanzielle stimmte, die Familie musste sich zumindest darum keine Sorgen machen.

Der damals 39-Jährige arbeitete als Bestatter in einem renommierten Unternehmen. "Das war mein Traumjob, die Leute haben gemeint: Das ist deine Berufung, Jörg. Nicht nur ein Beruf", sagt er.

Doch dann trennte sich seine Lebensgefährtin von ihm, nahm die gemeinsame Tochter mit. Das war im August vor elf Jahren. "Ich erinnere mich an diesen Tag, als ob er gestern gewesen wäre", sagt er leise. Der gestandene Mann fiel in ein Loch. "Die Trennung kam so überraschend, ich habe es nicht kommen sehen."

Er habe damals nur noch vor sich hinstarren können. Wenig später verlor er seine Arbeit. Das Bestattungsunternehmen kündigte ihm aus wirtschaftlichen Gründen. Die wichtigsten Stützpfeiler seines Lebens brachen komplett weg. "Es war, als ob die Erde aufgeht und ich nur noch falle", sagt er.

Psychische Probleme häuften sich über die Jahre

Zweimal innerhalb der nächsten vier Jahre versuchte er, sich das Leben zu nehmen. Die Suizidgedanken seien schrecklich gewesen. Am Ende überlebte er. Was folgte, waren Aufenthalte in einer Psychiatrie. Viel Zeit verbrachte er dort. Danach zog er in eine Wohngruppe für psychisch kranke Menschen.

Als seine Schwester, zu der Jörg Jahn ein enges Verhältnis hat, 2016 mit ihrem Mann nach Österreich auswandern wollte, war das auch eine Option für ihn. "Wir sind gemeinsam dahin gezogen. Und lange Zeit ging das gut", sagt der 50-Jährige. Doch schon damals war er arbeitsunfähig, bezog Erwerbsminderungsrente. Am Leben kann er seit Jahren nicht vollständig teilhaben. Und obwohl die gemeinsame Wohnung groß war, kam irgendwann der Punkt, an dem er sich abnabeln musste.

Krebs-Diagnose als trauriger Höhepunkt

Zeitgleich nahm das Schicksal eine weitere schlimme Wendung. "Ich glaube, ich habe in den letzten Jahren überall 'hier' geschrien, wenn Krankheiten verteilt wurden", sagt er sarkastisch. Jörg Jahn bekam Krebs.

Von den ersten Beschwerden bis zur knallharten Diagnose verging allerdings Zeit. Zu viel vielleicht? "Ich hatte Probleme in der Nacht mit dem Wasserlassen, musste öfter raus als sonst. Aber da denkt man ja nicht gleich an das Schlimmste. Zumal ich durch die Schlafstörungen ohnehin keinen richtigen Rhythmus hatte", erzählt er.

Als er sich dann endlich aufraffte, einen Urologen aufzusuchen, gab es auch erst einmal Entwarnung. Das Ganze sei sicherlich mit ein paar Tabletten zu regeln. Alles schien unauffällig. Doch als nach einem Monat immer noch keine Besserung eintrat, folgte eine MRT-Untersuchung im Krankenhaus. Danach stand fest: Da ist ein Tumor in der Prostata. Und eine anschließende Stanz-Biopsie brachte Gewissheit, dass dieser bösartig ist.

"Ich habe beschlossen, die Operation in Dresden an der Uni-Klinik vornehmen zu lassen", erzählt Jörg Jahn. Da es ihn ohnehin Richtung Heimat zog, wollte er dorthin. Und die dortigen Spezialisten seien bekannt für Qualität.

Lichtblick hilft mit Spende für ein Schlafsofa

Doch auch nach der OP ging es nicht ohne Komplikationen ab. Die Wundheilung war gestört. Jörg Jahn kämpfte mit Schmerzen und einer Entzündung. Die Narbe musste neu vernäht werden. Und unter dem Ganzen litten Blase und Harnleiter. Wohl auch, weil er wochenlang einen Katheder bekam. Als er nach monatelangem Martyrium endlich zur Reha-Kur nach Bad Elster kann, war er froh.

Bis heute kann er nicht viel Flüssigkeit zu sich nehmen. Kaffee, Tee und andere Genussmittel gehen gar nicht. Durch die Tablettenmengen hat er zudem an Gewicht zugelegt. Das wieder tut Rücken und Gelenken nicht gut. Ein Teufelskreis.

Die Stiftung Lichtblick half in allergrößter Not mit einer Spende für ein gutes Schlafsofa, das Jörg Jahn dringend brauchte. Die Tumorberatungsstelle des Landratsamtes Bautzen stellte den Kontakt zu Lichtblick her. "Frau Kaufmann ist eine große Hilfe. Sie ist vertrauenswürdig und einfühlsam", lobt Jahn seine Ansprechpartnerin in der Beratungsstelle.

In Doberschau hat er nun ein Plätzchen für sich gefunden. Seine Bekannte unterstützt ihn. "Und trotzdem ist man oft allein. Gerade jetzt vor Weihnachten. Wenn ich die Katzen meiner Vermieterin nicht hätte - es wäre manches Mal sehr trostlos", sagt er. "Krebs und Einsamkeit - das ist eine verdammt schlechte Mischung!" Zum Glück habe er wieder guten Kontakt zu seiner mittlerweile 18-jährigen Tochter.

  • Die Stiftung Lichtblick veranstaltet dieses Jahr die 26. Spendensaison für in Not geratene Menschen. Die Spenden können online überwiesen werden über www.lichtblick-sachsen.de/jetztspenden . Konto-Nummer: Ostsächsische Sparkasse Dresden, BIC: OSDDDE81 IBAN: DE88 8505 0300 3120 0017 74
  • Hilfesuchende wenden sich bitte an Sozialeinrichtungen ihrer Region wie Diakonie, Caritas, DRK, Volkssolidarität, Jugend- und Sozialämter.
  • Erreichbar ist Lichtblick telefonisch Dienstag und Donnerstag von 10 bis 15 Uhr unter 0351/4864 2846, Fax: - 9661, Mail: [email protected]; Sächsische Zeitung, Stiftung Lichtblick, 01055 Dresden
  • www.lichtblick-sachsen.de