Bautzen. In Ralbitz wird Spaziergängern die Suche leicht gemacht: Die ersten Hinweise finden sich schon gegen 9.30 Uhr weit vor dem Dorfeingangsschild auf der Straße. Die Rede ist nicht etwa von bunten Ostereiern und von Kindern, die die Süßigkeiten finden wollen. Die Rede ist von Pferdeäppeln auf dem Boden – und zwar in ziemlich großen Mengen. Nicht wenige Leute folgen am Sonntagmorgen der Spur. Einige sind zu Fuß unterwegs, viele mit dem Rad. Ihr Ziel: einen Blick auf die Osterreiter zu erhaschen.
Denn nachdem die Prozessionen im vergangenen Jahr wegen der Coronapandemie abgesagt worden sind, durften die Sorben in diesem Jahr wieder aufs Pferd steigen – und dem uralten Brauch nachgehen. Unter besonderen Bedingungen.
Um Zuschaueransammlungen zu vermeiden, sind einige der Routen verändert worden, ebenso die Abritt-Zeiten. Die Prozession zu bestaunen – also ein kompliziertes Unterfangen in diesem Jahr?
In Ralbitz jedenfalls dauert es an diesem Morgen nicht lang, da ist auch schon das Hufgetrappel der ersten Pferde zu hören. An einigen Orten tummeln sich doch einige Menschen, viele beobachten aber auch mit Abstand. Vor allem in den Vorgärten haben sich Familien aufgestellt, warten auf Pferde und Reiter.
Viele Reiter hatten Probleme, an ein Pferd zu kommen
Einem, dem dabei – so sagt er es – „etwas das Herz blutet“, ist Simon Piatza. Er steht mit Kind auf dem Arm zwischen den anderen Zuschauern – und hätte eigentlich lieber selber auf dem Pferd gesessen. „Ich bin seit 16 Jahren dabei“, sagt er, „und dass es in diesem Jahr schon wieder nicht geht, macht mich traurig.“ Dabei schien alles klar zu sein: Er hätte dieselben Pferde reiten dürfen, wie in den Vorjahren. Doch dann mussten sich die Besitzer der Tiere wegen Corona in Quarantäne begeben – und sagten ihm ab. „Das war vor zwei Tagen“, sagt er. „Das war zu spät, um etwas Neues zu suchen.“

Denn in diesem Jahr ist es für viele Reiter besonders schwierig gewesen, an ein Pferd zu kommen, das erzählen einem in diesem Jahr viele. Insgesamt waren deshalb weniger Reiter unterwegs als sonst, berichtet Rafael Ledschbor, Redakteur der sorbischen Zeitung Katolski Posoł. Und auch Marko Schuster weiß das, Prozessionsleiter der Radiborer Osterreiter. „Bei uns hielt sich das noch in Grenzen; beim letzten Mal waren wir 106 Leute, dieses Mal sind es 94“, sagt er. Aber auch er habe von den Problemen gehört; von Höfen, die wegen Corona ihre Pferde nicht zur Verfügung stellen können oder wollen und von Pferdebesitzern, die wegen des potenziell tödlichen Pferdeherpesvirus vorsichtig sind, das gerade auch noch grassiert.
Und nicht nur wegen des Pferdemangels sei der Ritt dieses Jahr ein ziemlich aufwendiger gewesen. „Ich habe Coronatests an alle Reiter ausgeteilt“, berichtet Marko Schuster, „und schon seit Januar feilen wir am Hygienekonzept.“ Einige Routen im ländlichen Raum seien zwar gleich geblieben – „aber da, wo Engstellen sind und oft viele Zuschauer zusammenkommen, ist fast jeder Schritt geändert worden“, sagt er.
"Mehr als nur eine Tradition oder ein Brauch"
Aber die Mühe sei es wert gewesen. „Das Osterfest ist für uns katholische Christen das höchste Fest im Jahreskreis“, sagt er. Es geht um die Verkündigung der Auferstehung Christi. „Das ist nicht einfach nur irgendein Brauch, eine Tradition, eine Schau. Es ist ein Ausdruck unseres Glaubens“, sagt der Radiborer Kantor.
Rund 20 Kilometer weiter westlich, in Nebelschütz, streicht Christina Wuschansky ein letztes Mal vor dem Ritt das Frack ihres Sohnes Nico glatt, zupft Pferdehaare von dem schwarzen Stoff, rückt seinen Zylinder zurecht. Hinter ihnen stehen vier Pferde. Allesamt geschmückt; edles Zaumzeug, Schleifen im Schweifhaar. Die beiden stehen in einer dämmrigen Scheune, dennoch wirkt der 15-Jährige etwas blass.

Denn für Nico Wuschansky ist die Prozession in diesem Jahr nicht nur besonders, weil die anders stattfindet als üblich – für ihn ist es auch der erste Ritt. Wie es ihm geht? „Ich bin ganz schön aufgeregt“, sagt er. „Und stolz.“
Deutlich weniger Zuschauer als üblich, sagt Rafael Ledschbor, waren in diesem Jahr unterwegs. Dennoch: Auch, wenn Menschenansammlungen in diesem Jahr tabu sind – ganz ohne Publikum startet der 15-jährige Nico nicht auf seine erste Tour als Osterreiter. „Wann geht es los?“ oder „Wo geht es los?“, hört man am Vormittag immer wieder Spaziergänger auf der Straße fragen. Und so haben auch in Nebelschütz am Ende doch einige Suchende gefunden – und bestaunen vom Straßenrand aus die Prozession.
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