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Kreis Bautzen: Es droht ein Nichtschwimmer-Jahrgang

Wegen Corona fällt seit Monaten der Schwimmunterricht aus. Mehr als 5.000 Schüler im Landkreis sind betroffen. Experten warnen vor den Folgen.

Von Timotheus Eimert
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Normalerweise bringt Schwimmlehrerin Maike König im Bautzener Röhrscheidtbad Kindern das Schwimmen bei. Doch im Lockdown hat das Bad geschlossen und der Unterricht fällt aus.
Normalerweise bringt Schwimmlehrerin Maike König im Bautzener Röhrscheidtbad Kindern das Schwimmen bei. Doch im Lockdown hat das Bad geschlossen und der Unterricht fällt aus. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Erst Anfang der Woche habe sie wieder einen Anruf erhalten, erzählt Maike König. „Ein Vater hatte gelesen, dass bald die Schwimmbäder wieder öffnen dürfen, und fragte, ob er sein Kind zum Schwimmunterricht bei mir anmelden kann“, berichtet die Trainerin, die seit 2006 die private Schwimmschule Froschkönig betreibt. Solche Anrufe bekomme sie in den letzten Wochen häufiger.

Aufgrund der corona-bedingten Schulschließungen ist auch der Schwimmunterricht an den Grundschulen ausgefallen. Bereits im letzten Jahr konnte der im Lehrplan verankerte Unterricht aufgrund von Corona monatelang nicht stattfinden. Nachgeholt worden sei dieser meist nicht.

Maike König betreut als Schwimmlehrerin den Schwimmunterricht an drei Grundschulen. Das sind die Maria-Montessori-Grundschule in Bautzen, wo sie auch als Sportlehrerin angestellt ist, die Evangelische Grundschule Löbau und die Evangelische Grundschule Gaußig. „In der Grundschule Gaußig haben die jetzigen Drittklässer ihren Schwimmuntericht aus dem vergangenen Schuljahr nachgeholt. Aber dadurch fehlen den jetzigen Zweitklässlern die Schwimmstunden. Im Moment kann man es nicht richtig machen“, bedauert Maike König, die ihren Schülern im Röhrscheidtbad in Bautzen das Schwimmen beibringt.

Es droht ein Jahrgang der Nichtschwimmer

Der durch den Lockdown entstandene Rückstand beim Schwimmunterricht der Grundschüler ist auch aus Sicht der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) kurzfristig kaum aufzuholen. „Es gibt dafür zu wenige Schwimmhallen“, sagte der DLRG-Geschäftsführer in Sachsen, Sebastian Knabe, bereits vor zwei Wochen. Die Zahl der Schwimmbahnen, die den Schulen für den Unterricht zur Verfügung stehen, sei nicht ausreichend.

Robert Hänsel vom DLRG-Ortsverband Bautzen stimmt dem zu - und warnt vor den Folgen des langen Schwimmunterrichtsausfalls: „Viele Kinder können schon jetzt nicht richtig schwimmen. Jetzt werden es noch mehr. Wir produzieren einen Jahrgang der Nichtschwimmer.“

Er vermutet deshalb, dass es vermehrt zu Badeunfällen in den Bädern und Seen kommen wird. „Dass die Zahl der Unfälle derzeit noch relativ niedrig ist, liegt daran, dass die Badestellen bisher gut abgesichert sind. Ob das auch in Zukunft so sein wird, wenn noch weniger Kinder schwimmen können, stelle ich infrage.“

Auch Maike König rechnet damit, dass es in den nächsten Jahren häufiger zu Badeunfällen kommt. „Die Kinder toben den ganzen Tag im Bad herum, und wenn sie dann mal länger im Becken sind, können sie sich kaum über Wasser halten. Sie sind nach wenigen Minuten völlig erschöpft vom Schwimmen“, sagt sie aus Erfahrung. Aber es sei nicht nur das Schwimmen, was die Kinder nicht richtig oder gar nicht erlernen. „Auch die Baderegeln werden derzeit nicht vermittelt“, sagt Maike König.

Ausfall betrifft mehr als 5.000 Schüler im Kreis

Im vergangenen Schuljahr betraf der Ausfall des Schwimmunterrichts in Sachsen nach Angaben des Kultusministeriums rund 10.000 Zweitklässler von Grund- und Förderschulen. Im Landkreis Bautzen haben wegen der Corona-Pandemie 2.670 Schülerinnen und Schüler keinen oder nur zum Teil Schwimmunterricht erhalten; in diesem Schuljahr sind es 2.525.

Auf Nachfrage von Sächsische.de teilt Vincent Richter, Pressesprecher des Bautzener Standortes des Landesamtes für Schule und Bildung (Lasub), mit: „Das Bildungsangebot an Grundschulen ist derzeit auf die Kernfächer Deutsch, Mathematik, Sachunterricht und in Klassenstufe 4 Englisch fokussiert. Die Sicherung der Grundlagen im Lesen, Schreiben und in der Mathematik hat Priorität.“

Zudem sei der Schwimmunterricht wegen der Corona-Schutzmaßnahmen und den dadurch geschlossenen Schwimmhallen derzeit ohnehin nicht möglich. Einen genauen Zeitpunkt, wann der Unterricht wieder stattfinden kann, könne er nicht nennen. Aber die Bedeutung stehe außer Frage. Vincent Richter erklärt: „Die Problemlage ist bekannt und präsent. An Lösungskonzepten wird gearbeitet. Da diese jedoch von einer Verbesserung der Infektionslage abhängig sind, welche im Moment nicht vorhersehbar ist, können gegenwärtig keine Festlegungen getroffen werden.“

Warteliste reicht bis Februar 2022

Im Herbst hatte das Kultusministerium in einer Stellungnahme auf einen Antrag der Linken-Fraktion im Landtag ein Konzept vorgelegt, wie der entfallene Schwimmunterricht kompensiert werden kann. So sollten den Kindern in den Ferien 2021 und 2022 in Zusammenarbeit mit den Schwimmsport-Vereinen, Kommunen und der gesetzlichen Unfallkasse Schwimmkurse angeboten werden. Das konnte nun wegen des erneuten Lockdowns und den Hallen-Schließungen bisher nicht realisiert werden.

Maike König geht deshalb davon aus, dass der Schwimmunterricht nicht mehr nachgeholt wird. „Selbst wenn es mehr Hallenzeiten und Bahnen für die Schwimmausbildung gibt, stehen im Landkreis Bautzen einfach zu wenige Schwimmlehrer zur Verfügung“, sagt sie.

In ihrer Schwimmschule habe sie Kunden von Ottendorf-Okrilla bis Görlitz. „Ich habe derzeit eine Warteliste, die bis nächstes Jahr Februar reicht. Zu tun hätte ich schon jetzt mehr als genug, wenn ich denn dürfte.“

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