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Bautzen: Ein Deal mit dem Gericht - ist das erlaubt?

Es geht um mehrere Betrugsfälle und viel Geld – aber der Angeklagte bekommt ein mildes Urteil. Grund dafür ist ein Deal mit dem Gericht. Was es damit auf sich hat.

Von Theresa Hellwig
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Der ehemalige Autohändler Josef A. ist vergangene Woche in Bautzen verurteilt worden. Der Aufschlag auf eine bereits erhaltene Haftstrafe ist relativ gering - wegen eines Deals mit dem Gericht.
Der ehemalige Autohändler Josef A. ist vergangene Woche in Bautzen verurteilt worden. Der Aufschlag auf eine bereits erhaltene Haftstrafe ist relativ gering - wegen eines Deals mit dem Gericht. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Gleich mehrere Anklageschriften liegen auf dem Tisch, als der ehemalige Autohändler Josef A. aus Bautzen vor einer Woche an Handschellen in den Gerichtssaal geführt wird. Es geht um Verleumdung, um Fahren ohne Fahrerlaubnis – und um Betrug.

Elf Betrugsfälle werden ihm vorgeworfen. Es geht um Taten, die er in seiner Zeit als Autohändler begangen hat. Zehnmal soll er Leuten Autos abgenommen – und nicht dafür bezahlt haben. Beim teuersten Wagen geht es um eine Summe von rund 120.000 Euro. Im elften Fall soll Josef A. im Auftrag eines Mannes ein Auto gekauft und von ihm dafür auch das Geld kassiert haben. Nur: Sein Auto sah der Mann nie.

Elf Betrugsvorwürfe liegen also auf dem Tisch, dazu die Sache mit der Verleumdung und die Fahrten ohne Fahrerlaubnis. Eine ganze Menge. Nur: Nicht für alle dieser Taten wird Josef A. am Ende auch verurteilt.

Das liegt zum einen daran, dass ihm einzelne Fälle nicht so nachgewiesen werden konnten, wie die Anklage vorsah. Zum anderen liegt es aber auch an einem Deal mit dem Gericht. Weil Josef A. gesteht, stellt das Gericht die Verfahren um die Verleumdung und das Fahren ohne Fahrerlaubnis ein. Und das Gericht hatte dem Angeklagten zudem in Aussicht gestellt, dass das Strafmaß einen gewissen Rahmen nicht überschreitet, wenn er denn gesteht.

Welches Urteil hat Josef A. erhalten?

Josef A. wird an Handschellen in den Gerichtssaal geführt, weil er bereits in der Justizvollzugsanstalt in Waldheim einsitzt. Schon vergangenes Jahr hatte ihn das Landgericht in Bautzen zu einer Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt – und damit ein vorheriges Urteil des Amtsgerichts sogar noch einmal verschärft.

In zwei langwierigen Prozessen hatte sich der ehemalige Autohändler damals verantworten müssen, weil er seiner Ex-Freundin zweieinhalb Jahre lang nachgestellt, sie mehrfach angegriffen und krankenhausreif geschlagen hatte. Ihm wurden sexuelle Nötigung, Sachbeschädigung und noch viel mehr vorgeworfen.

Sechs weitere Monate in Haft warten nun auf Josef A. Aus dem vorherigen Urteil und der neuen Anklage bildete das Landgericht eine Gesamtstrafe. Vier Jahre und vier Monate lautet nun das neue Urteil für alle Taten zusammen – nur ein geringer Strafaufschlag zum vorherigen Urteil.

Wer dealt im Prozess da mit wem?

Sogenannte Verfahrensabsprachen, umgangssprachlich als Deals bezeichnet, gibt es vor Gericht immer wieder. Dabei handeln die Richter mit der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger etwas aus.

In diesem Fall waren es die Teileinstellung der Anklagen und ein Strafrahmen von maximal fünf Jahren, sofern der Angeklagte die Taten gesteht. Das tat er dann auch, mit Ausnahme von zwei Fällen. Verkünden ließ Josef A. das Geständnis durch seinen Verteidiger.

Die knappe Antwort auf die Frage lautet erst einmal „Ja“, sagt Reinhard Schade, Richter und Sprecher am Landgericht in Bautzen. Es gibt dafür gewisse Regeln, die in Paragraf 257c der Strafprozessordnung festgelegt sind. Grundlage für solche Deals müssen demnach immer Geständnisse sein.

Die Richter machen einen Vorschlag für eine Ober- und eine Untergrenze der Strafe; die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft müssen zustimmen. Wenn sich im Prozess wichtige Umstände ergeben, die zeigen, dass diese Grenzen nicht mehr angemessen sind, kann ein solcher Deal auch gekippt werden.

Warum werden solche Deals eigentlich gemacht?

Es gibt unterschiedliche Gründe für Gerichte, solche Deals auszuhandeln. In der Regel geht es aber darum, schneller zu einem Urteil zu kommen. Im Prozess um Josef A. beispielsweise war eigentlich eine komplizierte Zeugenvernehmung angedacht; der Prozess hätte zwei Tage dauern sollen. Weil Josef A. gestand, konnte die Zeugenbefragung sehr knapp gehalten werden – und das Urteil noch am ersten Verhandlungstag gefällt werden.

Das ist am Ende günstiger für den Staat, weil Prozesskosten gespart werden. In anderen Prozessen, in denen Zeugen vielleicht durch die Tat traumatisiert worden sind, erspart es den Opfern im Zweifel eine nochmalige Konfrontation mit dem Tatgeschehen.

Geringer Strafaufschlag für Ex-Autohändler: Warum?

Das Gericht hat eine Gesamtstrafe mit dem vorherigen Urteil gebildet. Unter gewissen Umständen müsse das Gericht dies so machen, zum Beispiel, wenn es einen zeitlichen Zusammenhang der Taten gibt. Die genauen Regeln dafür sind aber sehr komplex, erklärt Reinhard Schade. Es würden jedenfalls nicht einfach sämtliche Einzelstrafen addiert.

Am Ende gibt es bei einer Gesamtstrafe eine Art „Rabatt“. Das wird gemacht, um nicht durch viele kleinere Einzelstrafen plötzlich die Höchststrafe von 15 Jahren Haft zu überschreiten. Die Gerichte vergleichen die angeklagten Taten zudem mit Urteilen anderer Gerichte. „Es geht darum, dass Urteile verhältnismäßig bleiben“, erklärt Reinhard Schade.