Bautzener Tafel: Droht der Kollaps im Herbst?

Bautzen. Eine junge Frau betritt unsicher den Hof in der Czornebohstraße 4 in Bautzen. Sie war wohl noch nie hier, blickt fragend auf die großen blauen Türen. Dort klebt das grüne Logo der Bautzener Tafel. Die junge Frau spricht ukrainisch, hält einer Helferin ihr Telefon mit einer App zum Übersetzen entgegen. Sie hat gehört, hier könne sie Lebensmittel holen.
Eine Szene, die die Ehrenamtlichen der Tafel in den vergangenen Monaten oft erlebt haben. Sie helfen gern, müssen aber etwas klarstellen: "Wir sind hier kein günstiger Supermarkt. Das ist wohl eine Fehlinformation der Ämter", sagt Elke Krause. Sie ist Vorstandsvorsitzende der Bautzener Tafel und hat den Verein mit aufgebaut.
Elke Krause spricht von einem "extremen Ansturm" kurz nach Beginn des Ukraine-Krieges, als immer mehr Geflüchtete im Landkreis Bautzen aufgenommen wurden. Bei der Tafel wollten die Ukrainer billig einkaufen und wunderten sich, dass sie eine gepackte Tüte bekamen.
"Es war außerordentlich schwierig, das zu erklären. Wir helfen Bedürftigen und können nur das geben, was wir von den Discountern bekommen", sagt Elke Krause. Sie erinnert sich daran, dass der Hof voller Menschen war. Viele Tafeln in Sachsen haben in den vergangenen Wochen diesen Andrang erlebt. "Wir mussten Leute wieder nach Hause schicken, weil wir nichts mehr hatten", sagt Krause. Für die Helfenden sei das eine unerträgliche Situation.
15 Personen versorgen 1.200 Bedürftige
Inzwischen habe sich die Lage aber wieder normalisiert. Die Bautzener Kunden würden jetzt Termine bekommen, damit ein geregelter Ablauf vor Ort möglich ist. Trotzdem versorge das 15 Mann starke Team, bestehend aus Ehrenamtlern und Mitarbeitern aus einer Maßnahme des Jobcenters, immer noch 300 Bedarfsgemeinschaften. Das sind insgesamt 1.200 Personen, die hier Lebensmittel erhalten. Stolze 14 Tonnen werden pro Monat umgeschlagen. Die Altersstruktur reiche von jung bis alt, so Krause.
Zwischen drei und sechs Euro bezahlen die Kunden bei der Bautzener Tafel - je nachdem, wie viele Lebensmittel sie mitnehmen. Bisher versuche der Verein, diesen Preis zu halten, doch er befinde sich in einer misslichen Lage, erklärt Elke Krause. Die Lebensmittel werden immer teurer, die Supermärkte geben weniger ab. Gleichzeitig gebe es immer mehr Menschen in Not, die Unterstützung suchen. Die Lage sei selten so angespannt gewesen wie seit Ausbruch des Kriegs in der Ukraine. Es sei eine Art Teufelskreis.
Vor dem Ukraine-Krieg machte die Corona-Pandemie dem Team der Bautzener Tafel zu schaffen. Weil zu wenig Platz war, um die vorgeschriebenen Hygieneregeln für die Essensausgabe einzuhalten, musste die Tafel aus dem alten Gebäude in der Fabrikstraße heraus. Der Verein zog in die Czornebohstraße - in eine Scheune, die erst aus dem Dornröschenschlaf geweckt werden musste. "Wir haben außerordentlich viel Energie hiereingesteckt, damit wir weiterhin Bedürftigen helfen können", sagt Elke Krause und zeigt auf das weiße Gebäude.
Helfende Hände dringend gesucht
Doch es braucht weitere Ehrenamtliche, die mit anpacken. Bereits jetzt fehlen Fahrer, die die Ware bei den Supermärkten abholen. "Jede helfende Hand wird gebraucht", sagt die Vereinsvorsitzende. Denn im Herbst und Winter, wenn sich die Preisexplosionen bei Strom und Gas bemerkbar machen werden, erwartet die Bautzener Tafel noch mehr Menschen an der Ausgabe.
"Wenn die Preise um bis zu 75 Prozent steigen und die Menschen ihre Rechnungen bezahlen müssen, bleibt kein Geld mehr für Lebensmittel", mutmaßt Elke Krause. Und auch der Tafel-Verein selbst blickt besorgt in das kalte Halbjahr. In der Czornebohstraße ist eine Gasheizung installiert. "Wenn die Gas-Rechnung für das Objekt so hoch ausfällt, wie man derzeit hört, weiß ich nicht weiter", sagt Krause. Dem Verein drohe dann der Kollaps, denn er wird von Spenden finanziert.
Doch die Bautzener Tafel hört auch Hilfeschreie aus anderen Regionen. Im nördlichen Kreisgebiet gibt es Bedarf nach einer weiteren Ausgabestelle, außerdem wird über eine Lebensmittelausgabe im Bautzener Stadtteil Gesundbrunnen nachgedacht. Dort klagten Bedürftige über den weiten Weg bis zur Tafel - immerhin vier Kilometer quer durch die Stadt. Das ist für Menschen, die nicht mehr mobil sind und die Hilfe dringend benötigen, eine unüberwindbare Hürde.
"Das ist jedoch alles noch im Werden, und wir müssen kalkulieren, ob wir das überhaupt stemmen können", sagt Elke Krause. Bisher wird montags bis freitags die Ausgabe in Bautzen bedient und dienstags und donnerstags zusätzlich eine in Wilthen.
"Wir haben es immer irgendwie geschafft, und wir werden es auch weiterhin schaffen", ist sich Elke Krause trotz aller düsteren Vorhersagen sicher. Man habe immer allen Widrigkeiten getrotzt, und das habe auch immer geholfen. "Für die Hilfesuchenden in und um Bautzen ist die Tafel ein wichtiger Anlaufpunkt, und deshalb wollen wir auch weiterhin öffnen", sagt die Vorsitzende.