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Suchthilfe, Seelsorge, Jugendreff: Hier spart Bautzen

Weil der Haushalt der Stadt eine Millionenlücke aufweist, gibt es weniger Geld für soziale Träger. Die Konsequenzen werden an vielen Stellen spürbar.

Von Theresa Hellwig
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Die Stadt Bautzen kürzt ihre Zuschüsse für soziale Träger. Torsten Wiegel, Leiter des Steinhauses, warnt vor den Konsequenzen.
Die Stadt Bautzen kürzt ihre Zuschüsse für soziale Träger. Torsten Wiegel, Leiter des Steinhauses, warnt vor den Konsequenzen. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Torsten Wiegel hat Verständnis für die Situation der Stadt Bautzen. Eine „Hausnummer“ sei das dennoch, sagt der Steinhaus-Geschäftsführer. Was er meint? Weil der Entwurf des städtischen Haushalts für dieses Jahr ein Millionendefizit aufweist, fährt die Stadtverwaltung einen Konsolidierungskurs. Dass sie im Bereich der freiwilligen Leistungen, also dem Bereich, in dem die Stadt nicht zur finanziellen Unterstützung verpflichtet ist, kürzen will, hat sie bereits bekannt gegeben. Wo konkret, dazu hatte sie sich bisher bedeckt gehalten. Nun ist bekannt geworden, dass es zum Beispiel viele soziale Träger trifft – wie auch das Steinhaus.

Die Hausnummer, die Torsten Wiegel meint, ist die Summe, die für die Einrichtung nun wegfällt. Etwa zwölf Prozent der Gesamtfördersumme durch die Stadt sind das. Das klingt, wenn man es prozentual betrachtet, vielleicht noch verkraftbar. Deutlich wird das Problem, wenn man es in absoluten Zahlen ausdrückt. „Es geht um rund 50.000 Euro für dieses Jahr“, sagt er. Damit fällt eine ganze Stelle weg; gekürzt worden ist beim offenen Kinder- und Jugendtreff des Steinhauses. Vorher gab es dort zwei Pädagogen – übrig bleibt eine Person. „Wir mussten die Betreuungszeiten zurückfahren“, sagt Wiegel.

Viele Einrichtungen sind betroffen

Ähnlich wie dem Steinhaus geht es auch anderen sozialen Trägern in der Stadt. Zum Beispiel der Diakonie. Etwa 20 Prozent der üblichen Fördersumme der Stadt sind weggefallen, berichtet Alexander Jesinghaus, geschäftsführender Vorstand des Diakonischen Werks in Bautzen. Von dem Geld finanziert die Diakonie eigentlich Projekte wie die Telefonseelsorge, die Trauerarbeit des Hospizdienstes, allgemeine soziale Beratungen und Beratungen von Menschen mit Behinderung. In diesen Bereichen „wird quantitativ gekürzt werden müssen, wenn keine alternative Finanzierung möglich ist“, warnt Alexander Jesinghaus. Die Ausnahme: die Telefonseelsorge. Da sei eine Kürzung einfach nicht möglich.

Bei der Caritas geht es um 3.000 Euro. Sie solle dafür 20 Prozent weniger Beratungszeit zur Verfügung stellen, habe es geheißen, berichtet Andreas Oschika, Geschäftsführer des Caritasverbands Oberlausitz. Und bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo) geht es um 10.000 Euro, die bisher der Suchtkrankenhilfe in der Stadt und dem Tagestreff zugute kamen. Für 2021 und 2022 konnte die Awo eine Zwischenlösung finden, um den Fortbestand des Angebots zu gewährleisten. Aber Marina Schneider, Geschäftsführerin des Bautzener Awo-Kreisverbands, blickt mit Sorge in die Zukunft.

Einige Angebote fallen weg, für andere gibt es Lösungen

Beim Mehrgenerationenhaus im Gesundbrunnen trifft es, wie beim Steinhaus, die Offene Kinder- und Jugendarbeit. Eigentlich bekommt das Mehrgenerationenhaus dafür jährlich 10.000 Euro von der Stadt, dieses Mal sind es etwa 1.400 Euro weniger, berichtet Koordinatorin Jutta Burkhardt. „Für uns ist das natürlich schwer, auch wenn die Summe nicht so groß ist“, sagt sie. „Dadurch, dass die Personalkosten jährlich steigen, vergrößert sich jährlich das Defizit der vorhandenen Mittel zu den benötigten ohnehin schon.“ Das Mehrgenerationenhaus wolle die Stelle auf keinen Fall kürzen, da der Bedarf im Gesundbrunnen sehr groß sei, sagt Jutta Burkhardt. Die Mitarbeiter suchen derzeit nach Spenden. Eine dauerhafte Lösung sei das aber nicht.

Die sozialen Träger sind sich einig: Die Kürzung ist kein gutes Zeichen – und kommt zur Unzeit. Erst vor Kurzem hatte sich die Caritas an die Öffentlichkeit gewandt, weil gerade angesichts Corona der Bedarf an Beratungen aller Art in Bautzen stark angestiegen ist. „Die Kürzung schmerzt im Sinne der Ratsuchenden sehr“, sagt Andreas Oschika.

Steinhaus-Geschäftsführer warnt vor den Folgen

Torsten Wiegel warnt vor den Folgen: „Wenn wir die Prävention in der Region nur wackelig aufstellen, können wir da auch keine Wirkung erwarten“, sagt er. Wenn zum Beispiel durch eine Drogenberatung vermieden werden soll, dass die Beratenen straffällig werden oder sich verschulden, bedeute eine Kürzung der Beratungen im Zweifel einen Anstieg der Straftaten oder der Verschuldung.

Im Fall des offenen Kinder- und Jugendtreffs am Steinhaus bedeute das: Es gibt beispielsweise weniger Kapazität, um Kindern mit Lernschwierigkeiten zu helfen. „Je früher wir da eingreifen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Lebensbiografie gelingt – und beispielsweise später der Berufseinstieg“, sagt Torsten Wiegel.

Beschlossen ist das alles noch nicht - aber im derzeitigen Haushaltsentwurf so vorgesehen. Die Stadträte müssen noch darüber abstimmen.

Stadt: "Das ist sozialpolitische Weitsicht"

Wie viele soziale Träger vor den Kürzungen betroffen sind und um welche Summe es geht, beantwortet die Stadt auf Anfrage von Sächsische.de nicht. Sie erklärt, dass es sich eigentlich nicht um eine Kürzung handele – sondern viel mehr um eine Anpassung der „Zurverfügungstellung von Zuschüssen, obwohl eigentlich keine Mittel zur Finanzierung mehr zur Verfügung stünden“, so Bautzens Finanzbürgermeister Dr. Robert Böhmer.

„Die Stadt gibt 2021 insgesamt 3,4 Millionen Euro mehr aus, als sie eigentlich an jährlichen Einnahmen zur Verfügung hat“, sagt er. „Dass also überhaupt – in der finanzpolitischen und haushaltsrechtlichen Notsituation 2021 – verhältnismäßig gering reduzierte Mittel zur Verfügung gestellt werden können, ist keine restriktive Sparpolitik der Stadt, sondern sozialpolitische Weitsicht, um die Projekte und Träger nicht absterben zu lassen“, erklärt er. So solle den Trägern eine Überbrückung der schwierigen Zeit ermöglicht werden. Der Finanzbürgermeister warnt: „Die strenge haushaltspolitische Alternative wäre eine völlige Einstellung aller Freiwilligkeitsleistungen, um einen Haushaltsausgleich zu erreichen.“

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