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Sein Gemüse ist Bio - auch ohne Siegel

Sächsische.de stellt Anbieter regionaler Lebensmittel aus dem Kreis Bautzen vor. Heute: Lutz Spieker, der den vielleicht kleinsten Gartenbaubetrieb Sachsens betreibt.

Von Anne Semlin
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Lutz Spieker betreibt in Pommritz bei Hochkirch einen Gemüsebaubetrieb. Dort wachsen unter anderem Salatgurken. Die verkauft er auf dem Bautzener Wochenmarkt.
Lutz Spieker betreibt in Pommritz bei Hochkirch einen Gemüsebaubetrieb. Dort wachsen unter anderem Salatgurken. Die verkauft er auf dem Bautzener Wochenmarkt. © SZ/Uwe Soeder

Hochkirch. Kohlrabi, Zucchini und Gurken liegen in einem kleinen Holzschränkchen vor dem Backsteinhaus am Bahnhof im Hochkircher Ortsteil Pommritz. Zur Selbstbedienung. Im angrenzenden Gemüsegarten begrüßen einen als Erstes zwei Sächsische Landenten. „Dieses Jahr ist ein enormes Schneckenjahr“, erklärt Gärtner Lutz Spieker, den viele wohl vom Wochenmarkt in Bautzen kennen. Die beiden Schnabeltiere können sich auf der mit Kleegras bedeckten Fläche also die Bäuche vollschlagen.

Im Beet gegenüber stehen Leguminosen, Phacelia und Buchweizen – sogenannte Zwischenfrüchte, die dem Boden an Nährstoffen zurückgeben, was der Gärtner ihm zuvor durch den Anbau von Gemüse genommen hat. „Sie verbauen den Nitratstickstoff in ihren Wurzeln, sodass die Nährstoffe oben sind – und nicht im Trinkwasser.“ Der Boden kann sich so ein Jahr regenerieren, bevor er wieder bewirtschaftet wird.

"Auch die Insekten sollen ihre Freude haben"

Etwas zurückgeben, das möchte der 52-Jährige, der in Nordrhein-Westfalen mit der Umweltbewegung groß geworden ist. „Um etwas zu verändern, dachte ich, geht man entweder in die Politik oder eben in die Landwirtschaft.“ So schulte er nach seiner ersten Ausbildung als Funkelektroniker um und wurde Gemüsebauer. Seine Arbeit macht er aus Überzeugung, reich wird er davon nicht. „Ich lebe von der Hand in den Mund. Urlaub ist da nicht drin“, sagt er. „Aber das brauche ich auch nicht.“

Neben dem Streifen Gründüngung liegt Lutz Spiekers Blattschlag. Hier wachsen Kohl und Salat. „Das sind die Starkzehrer, die brauchen etwas unter die Füße“, erklärt er. Gleich daneben liegt der Wurzelschlag mit Möhren und Rote Bete. Einen Teil der Möhren musste er neu säen, Schnecken hatten es sich in dem Beet gutgehen lassen.

Ein buntes Beet: Zwischen Zucchini und Kürbissen wachsen Sonnenblumen, Weißklee, Ringel- und Polsterstudentenblumen.
Ein buntes Beet: Zwischen Zucchini und Kürbissen wachsen Sonnenblumen, Weißklee, Ringel- und Polsterstudentenblumen. © SZ/Uwe Soeder

Auf der gegenüberliegenden Seite wachsen im Fruchtschlag Zucchini, Kürbisse und Bohnen. Zu den Kürbissen hat er eine Untersaat mit Weißklee gesät. Sie reichere den Boden mit Stickstoff an und mache durch die Durchwurzelung den Boden lebendig. Außerdem steht neben jeder Kürbispflanze eine Sonnenblume, rund um die Fläche leuchten orangene Farbtupfer aus Ringelblumen und Polsterstudentenblumen, denn „die Insekten sollen ja auch ihre Freude haben.“ Wie etwa die blauschwarze Holzbiene, die der Gärtner dieses Jahr schon mehrmals in der Phacelia gesehen hat.

Jede Saison wandern die Kulturen ein Feld weiter. Nachdem Phacelia und Buchweizen verblüht sind, werden sie in den Boden eingearbeitet. In der nächsten Saison wird Lutz Spieker hier wieder Gemüse anbauen.

Abgeerntete Flächen werden bei Lutz Spieker mit einer Blühmischung eingesät, die nach der Blüte als Gründüngung in den Boden eingearbeitet wird.
Abgeerntete Flächen werden bei Lutz Spieker mit einer Blühmischung eingesät, die nach der Blüte als Gründüngung in den Boden eingearbeitet wird. © SZ/Uwe Soeder

Sein Gartenbaubetrieb ist ein kleiner, vielleicht der kleinste in Sachsen, vermutet er. Von der Anzucht der Jungpflanzen bis zum Verkauf des ausgewachsenen Gemüses auf dem Wochenmarkt in Bautzen macht er alles selbst. Seine Anbaufläche ist gerade einmal 2.000 Quadratmeter groß. Was hier wächst, wird ohne Traktoren, chemisch-synthetische Düngemittel und Pestizide bearbeitet.

In einer Hinsicht bringt seine Größe ihm allerdings Nachteile: Bis vor Kurzem führte Lutz Spieker offiziell einen zertifizierten Bio-Betrieb. Den Bio-Stempel trägt er seit Anfang Juli nicht mehr – obwohl sich an seinem Anbau nichts verändert hat.

Die Gründe sind finanzieller, aber auch politischer Natur: „Im Frühjahr habe ich von meiner Öko-Kontrollstelle eine Mail bekommen, dass die Kontrollen wieder teurer werden“, erzählt er. 28 Cent müsste er jetzt pro Quadratmeter bezahlen. „Das steht nicht im Verhältnis zur Betriebsgröße“, meint er. „Natürlich könnte ich das auch auf die Verkaufspreise aufschlagen, aber das will ich nicht.“

Will ein politisches Statement setzen

Mit seiner Entscheidung will Spieker auch ein politisches Statement setzen, denn er findet das Verfahren ungerecht. Staatliche Förderungen wie die Flächen- und Ökoprämie und damit auch einen Zuschuss zu den Kosten der Bio-Kontrolle bekommt er mit seinem Betrieb nicht. Denn diese sind an Mindestgrößen geknüpft. Gefördert werden Schläge ab einer Größe von 3.000 Quadratmeter, wie ein Referent Sächsischen Umweltministeriums bestätigt.

Von der Flächengröße abgesehen, zählte Spiekers Gemüsebau aber voll als Bio-Betrieb. Mit seiner Entscheidung gibt es davon jetzt offiziell einen weniger. Der ehemalige Bio-Gemüsebau Lutz Spieker heißt nun „Unkonventioneller Gemüsebau“. „Anbautechnisch ändert sich aber nichts“, betont er. „Ich stehe dafür mit meinem Namen und hoffe auf das Vertrauen der Kunden.“

Vier Stunden ist Lutz Spieker manchmal mit der Ernte der kleinen Cherrytomaten für den Markt beschäftigt.
Vier Stunden ist Lutz Spieker manchmal mit der Ernte der kleinen Cherrytomaten für den Markt beschäftigt. © SZ/Uwe Soeder

Gegenüber von Möhren und Rote Bete stehen zwei Folientunnel. „Das hier nenne ich meine Brotkultur.“ Hier wachsen die, die ihm sein täglich Brot auf den Tisch bringen: Tomaten. Große Fleischtomaten und kleine Cocktailtomaten. Letztere sind seine Spezialität. „Vier Stunden verbringe ich vor dem Markt manchmal nur mit der Tomatenernte“, sagt er lachend.

Rund um seinen Garten hat er Sträucher gepflanzt, wie etwa Hagebutte. Sie dienen als Schutzraum für Vögel. Dieser fehle nämlich auf so großen Feldern, wie dem auf der anderen Straßenseite. Neben den Folientunneln im hinteren Teil des Gartens liegt das Gold des Gärtners: der Kompost. Zwar hat Lutz Spieker keine eigenen Kühe mehr, wie auf seinem früheren Hof in Kronförstchen, doch Rinderdung gibt es trotzdem – von einem befreundeten Bauern aus der Nähe. Ein weiterer Aspekt, der ihm wichtig ist: lokale Kreisläufe zu schaffen und zu erhalten.

Als ein lang ersehnter Regen aufzieht, schließt Lutz Spieker die Folientunnel; die Tomaten müssen trocken bleiben. Dann ist es für den Gärtner Zeit fürs Abendbrot. Kurz nach 18 Uhr. „In zwei Stunden liege ich schon im Bett.“ Oft beginnt der Tag für ihn schon 3 oder 4 Uhr. Morgen geht es auf den Markt.