So fand eine Metallbaufirma aus Bautzen einen Nachfolger

Bautzen. Zwei Männer stehen in der Stahlbauhalle – und tönen mit ihren Geräten um die Wette. Nur, wenn sie kurz Pause machen, ist das Radio zu hören. René Rabe und Michael Stein kommen hinzu, blicken sich um. Das bereits geschulte Personal, die teuren Maschinen wie das Plasmaschneidgerät im Vorraum, die Gabelstapler und die Transporter draußen: All das ist schon vorhanden. „Das ist natürlich der Vorteil, wenn man einen bestehenden Betrieb übernimmt“, sagt Michael Stein.
Denn genau deshalb sind er und René Rabe hier. Zu Beginn dieses Monats hat Michael Stein die Firma an den 26 Jahre jüngeren Kollegen abgegeben. Und scheint damit die Ausnahme zu sein. Denn immer wieder hört man von Handwerks-Unternehmen, die Probleme haben, einen Nachfolger zu finden.
Beim letzten Wechsel ging die Firma vom Vater zum Sohn
Das erlebt auch Michael Stein so. Kein Wunder: „Es gibt ein großes Fachkräftemangel-Problem, die Energiepreise steigen – das sind schon einige Herausforderungen“, zählt der 61-Jährige auf. Seit 1988 fertigt das Bautzener Unternehmen Geländer, Treppen, Stahlkonstruktionen für Hallen oder Vordächer und Sonderstahlbauten. Die Firma baute am ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin mit, am Bundesministerium für Arbeit – ebenfalls in der Hauptstadt – und an der Firmenzentrale der Deutschen Telekom in Bonn.
Stolz ist die Firma auch auf ihre Mitarbeit am Kornmarktcenter in Bautzen, am Bautzener Krankenhaus, an der neuen Kita am Schützenplatz. Es sind Projekte, bei denen Michael Stein die Fäden in der Hand hatte. Zehn Jahre nach der Gründung der Firma hatte er diese von seinem Vater übernommen.
Bei der Firmenübergabe jetzt lief es anders. Da ging das Unternehmen nicht vom Vater an Tochter oder Sohn. René Rabe ist „nicht einmal von hier“, wie er sagt. Aus Mittelsachsen verschlug es ihn nach Bautzen; der Liebe wegen, erzählt er.
Firma arbeitete lange auf Nachfolge hin
Nicht in die Großstadt? „Da würde ich nicht glücklich werden“, sagt er. Keine schlaflosen Nächte, angesichts des Fachkräftemangels? Er zuckt mit den Schultern. Er habe sich die Entscheidung zwar nicht unbedingt leichtgemacht, aber er habe es sich genau überlegt. „Wir haben über ein Jahr lang die Firmenübergabe geplant“, sagt er.
Sicher, auch Michael Stein hatte durchaus länger nach einem Nachfolger Ausschau gehalten. Herunterspielen wolle er das nicht. Aber es sei nicht sonderlich schwer gewesen, in seinem Fall. „Er hat mich gefragt, ob ich noch jemanden suche“, sagt Michael Stein, nickt rüber zu René Rabe. Er lacht.
„René war bei uns viele Jahre im Praktikum“, erzählt Michael Stein. „Wir kannten uns schon ewig, es hat gut gepasst zwischen uns“, sagt er. „Wir hatten sogar auch andere Bewerber. Aber bei ihm weiß ich, dass er einen eisernen Willen hat. Das ist wichtig.“ Aus Steins Sicht sei genau das das Patentrezept bei der Suche nach einem Nachfolger: Eine lange Beziehung aufzubauen. Früh anzufangen, konsequent darauf hinarbeiten, dass einer einmal das Unternehmen übernehmen kann. Die Strukturen der Firma zeigen. Und immer wieder darauf hinweisen, dass so eine Übernahme doch angenehmer ist als eine Neugründung. Eben weil der Kundenstamm, das Personal, die Maschinen bereits vorhanden sind.
Ein Drittel der Metallbau-Betriebsinhaber ist über 55 Jahre
Dass die Suche nach einem Nachfolger kein einfaches Unterfangen ist, berichtet auch Sabine Gotscha-Schock von der Bautzener Kreishandwerkerschaft. Gerade jetzt suchten viele Handwerksmeister nach einem Nachfolger. Viele haben sich nach der Wende selbstständig gemacht und kommen nun ins Ruhestandsalter, sagt sie.
Über die Zahlen dazu verfügt Daniel Bagehorn von der Handwerkskammer in Dresden. 192 handwerkliche Metallbau-Unternehmen gibt es im Landkreis Bautzen - in rund einem Drittel der davon ist der Betriebsinhaber 55 Jahre oder älter.
Viele potenzielle Nachfolger, so berichtet Bagehorn, schrecken vor den bürokratischen Belastungen und den Hürden zurück. „Auch ein Wandel in der Einstellung zur Arbeit – Stichwort Work-Life-Balance – hält Menschen mitunter vom Gang in die Selbstständigkeit ab“, sagt er.
Firma Stein sucht Mitarbeiter und Auszubildende
Vor allem dann, wenn sich die eigenen Kinder für einen anderen Berufszweig entscheiden, sei es für einige Handwerksunternehmen schwierig, berichtet Sabine Gotscha-Schock. So, wie es die Firma Stein gemacht habe, sei es aber richtig: früh auf die Nachfolge hinarbeiten. „Wenn langfristig genug gesucht wird, kann es aber auch nach einer Angestelltenphase im Mitarbeiterkreis klappen“, sagt sie.
Das Problem des Fachkräftemangels beschäftige die Firma Stein natürlich trotzdem, das lasse sich nicht verschweigen. „Wir könnten auf Anhieb etwa drei neue Mitarbeiter einstellen“, sagt Michael Stein. Die Auftragsbücher seien voll, aber an geschultem Personal mangele es eben. Die Firma musste sich deshalb sogar verkleinern über die Jahre; von 18 Mitarbeiter auf elf und zwei Lehrlinge. Auch gerade sucht die Firma wieder junge Leute, die sich gerne zum Metallbauer mit der Fachrichtung Konstruktionstechnik ausbilden lassen wollen.
Auch die steigenden Energiepreise lassen sich natürlich nicht von der Hand weisen. Seine Preise muss das Unternehmen vermutlich anziehen. „Aber wir machen das ja noch eine Weile gemeinsam; ich habe ja noch sechs Jahre bis zur Rente“, sagt Michael Stein. „Ich gebe nach und nach mehr Aufgaben rüber – wir machen das Stück für Stück.“