Bautzen
Merken

"Viele denken, wenn ihre Kinder zu Hause vor dem PC sitzen, kann nichts passieren"

Reno Rössel, der für das Steinhaus Bautzen das Mediennetzwerk Lausitz koordiniert, erklärt, welche Gefahren im Internet lauern – und wie das Netzwerk Eltern helfen will.

Von Katja Schlenker
 5 Min.
Teilen
Folgen
Reno Rössel koordiniert die Projekte des Bautzener Steinhauses im Mediennetzwerk Lausitz.
Reno Rössel koordiniert die Projekte des Bautzener Steinhauses im Mediennetzwerk Lausitz. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. In der Oberlausitz haben sich die Kulturfabrik (KuFa) Hoyerswerda, das Zentrum für Jugend- und Soziokultur Rabryka Görlitz und das Steinhaus Bautzen zu einem Mediennetzwerk Lausitz zusammengeschlossen. Für das Steinhaus ist Reno Rössel seit Kurzem als Projektmanager tätig. Im Gespräch erklärt er, wie das neue Format für mehr Medienkompetenz sorgen soll.

Herr Rössel, Sie sind neu beim Projekt Mediennetzwerk Lausitz. Was ist Ihre Aufgabe dort?

Ja, ich bin ganz neu in dem Projekt, habe vorher aber schon mal für das Steinhaus in Bautzen gearbeitet. In den vergangenen Jahren habe ich Rückkehrende in die Oberlausitz begleitet und Start-ups beraten. Seit April bin ich für das Mediennetzwerk Lausitz aktiv, weil ich mir vorstellen kann, dass das Thema Medienkompetenz in unserer Gesellschaft enorm an Bedeutung zunehmen wird.

Wie ist es zu dem Netzwerk gekommen und was ist jetzt neu?

Die SLM, also die Sächsische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien, hat die Aufgaben, welche bis Mitte 2021 die Sächsischen Ausbildungs- und Erprobungskanäle (SAEK) übernommen hatten, neu ausgeschrieben. Der Schwerpunkt liegt nun auf Medienkompetenz und -erziehung sowie politischer Bildung. In der Oberlausitz haben sich die drei Partner KuFa Hoyerswerda, Rabryka Görlitz und Steinhaus Bautzen zum Mediennetzwerk Lausitz zusammengeschlossen, um besser wahrnehmbar zu sein und Projekte gemeinsam realisieren zu können.

Das heißt, Sie sind an Schulen in und rund um Bautzen unterwegs, um in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen zu kommen?

Auch, aber bei unserem Projekt geht es ausschließlich um die Erwachsenen. Insofern sind wir in den Schulen zum Beispiel bei Elternabenden, um den Eltern zu vermitteln, wie sich ihre Kinder im Internet bewegen und welche Gefahren sich ergeben können. Anfang Oktober veranstalten wir zum Beispiel einen Infoabend für Eltern in Kooperation mit der Kreisvolkshochschule Bautzen. Ebenso ist die Polizei einer unserer Partner, denn aktuell steigt auch bei uns die Anzahl der Straftaten beim Gebrauch von Kommunikationsgruppen und Social-Media-Plattformen.

Also ist der Bedarf in Bautzen und Umgebung da?

Viele denken, wenn ihre Kinder zu Hause vor dem PC sitzen, kann nichts passieren. Es ist aber immer häufiger so, dass eine Annäherung im pädophilen Bereich zum Beispiel über Computerspiele erfolgt. In Bautzen gibt es mittlerweile auch erste Fälle, in denen Eltern haften müssen, weil ihre Kinder etwa pornografische Inhalte geteilt haben. Oft wissen Kinder und Eltern nicht, was gefährlich oder gar verboten ist.

Sind die Kinder und Jugendlichen nicht selbst Opfer, wenn sie so etwas zugeschickt bekommen?

Schon, aber Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Wenn die Kinder noch nicht strafmündig sind, müssen die Eltern haften. Unser Ziel ist daher, den Eltern Einblicke in die Welt ihrer Kinder zu geben, die sie oft selbst gar nicht haben, damit sie diese neuen Tendenzen erkennen, welche im schlimmsten Fall auch zu sexuellem Missbrauch führen können.

Es gibt ja auch immer mehr Senioren, die ein Smartphone oder Tablet haben und damit in eine völlig neue Welt eintauchen. Gibt es für sie auch einen Anlaufpunkt, damit sie zum Beispiel nicht Opfer von Trickbetrügern werden?

Ja, wir bieten unter anderem gemeinsam mit den Ganzmachern eine Handysprechstunde im Steinhaus an, immer am dritten Dienstag im Monat, von 16 bis 18 Uhr. Ab Oktober wird es das Angebot auch im Allende-Treff geben. Die Senioren gehen oft dorthin, wo sie das Telefon gekauft haben, wenn plötzlich etwas nicht mehr funktioniert oder sie Fragen haben. Da versuchen wir zu helfen.

Bei der Handy-Sprechstunde geht es nicht nur um technische Sachen, sondern auch darum, wie man sich zum Beispiel in WhatsApp-Gruppen verhält oder wie man mit Inhalten umgeht, die man zugeschickt bekommt, aber eigentlich nicht haben möchte.

Viele sind mittlerweile überfordert von der Fülle an Informationen. Vor allem der Ukraine-Krieg und die Energiekrise mit immer neuen Hiobsbotschaften machen aktuell zu schaffen. Bedeutet Medienkompetenz auch, davon mal Abstand zu gewinnen und sich bewusst zu distanzieren?

Bei unserem Projekt geht es darum, Medien zu verstehen und Nachrichten zu beurteilen. Ein Punkt dabei ist, Informationen bewerten und Fake-News erkennen zu können. Neue Technologien sollten sinnvoll genutzt werden. Wie man Abstand gewinnen kann, zeigt zum Beispiel unser Online-Kurs zum besseren Umgang mit erschreckenden Nachrichten, der immer am ersten Donnerstag im Monat via Zoom stattfindet.

Manche Senioren haben ja noch eigene Erinnerungen an den Krieg. Da fällt es vermutlich schwer, Abstand zu bekommen.

Um gezielt ältere Personen anzusprechen, ist für 2023 zum Beispiel geplant, in Seniorenheimen präsent zu sein. Wenn die eigenen Kinder zum Beispiel weggezogen sind, ist das Smartphone mittlerweile enorm wichtig, um in Kontakt zu bleiben und auch mal ein Bild von den Enkeln zu bekommen. Denkbar ist dann auch eine Art Presseschau, wie man mit Nachrichten umgeht, auch den schlechten.

Am Sonnabend, 10. September, um 19 Uhr, wird im Steinhaus der Film "Die Welt jenseits der Stille" von Nancy Brandt mit Lesung zum Thema "Perspektivwechsel Corona" und Diskussion gezeigt. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Mediennetzwerk Lausitz statt. Der Eintritt ist frei.