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Ab sofort Tattoos nur noch in Schwarz-Weiß?

Wegen einer neuen EU-Verordnung müssen auch im Landkreis Bautzen die Tätowierer ihre Farben wegwerfen. Was das für sie und die Kunden bedeutet.

Von Lucy Krille
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Sandro Wagner kann zur Öffnung seines Tattoo-Studios nur schwarz-weiße Vorlagen anbieten und unter die Haut bringen. Eine neue EU-Regelung schreibt strenge Richtlinien für Tattoo-Farben vor. Die können viele Hersteller noch nicht einhalten.
Sandro Wagner kann zur Öffnung seines Tattoo-Studios nur schwarz-weiße Vorlagen anbieten und unter die Haut bringen. Eine neue EU-Regelung schreibt strenge Richtlinien für Tattoo-Farben vor. Die können viele Hersteller noch nicht einhalten. © Steffen Unger

Bautzen. Seit Beginn des neuen Jahres geht es weniger bunt im Bautzener Tattoo-Studio „Syndikat“ zu, denn Inhaber Sandro Wagner musste seine Tattoo-Farben entsorgen. Grund ist eine Regel der EU, die jetzt die Nutzung bisher gängiger Farben verbietet. Denn viele Konservierungs- und Bindemittel stehen im Verdacht, krebserregend zu sein oder die Haut zu reizen. Über 40 Farbpigmente erfüllen die von der EU vorgegebenen Grenzwerte nicht.

Kunden haben angefangene Tattoos auf der Haut

Nun bringen viele Tätowierer vorerst nur schwarz-weiße Tattoos unter die Haut. Ihre Studios dürfen sie in Sachsen nach corona-bedingter Schließung nach Inkrafttreten der neuen Corona-Schutzverordnung ab 14. Januar wieder öffnen. Doch wegen der 2G-Regel ist die Freude darüber getrübt.

Die neue Farben-Verordnung macht die Situation noch schlimmer. „Ungefähr ein Viertel unserer Kunden wünscht sich ein farbiges Tattoo. Und wenn bunt, dann meist richtig“, erzählt Maik Baier, Inhaber vom Tattoostudio „IronPaint“ auf der Steinstraße. Manche hätten noch angefangene Projekte auf der Haut, die nun nicht beendet werden können.

Und nächstes Jahr wird es wohl noch schwieriger: Ein Grün- und ein Blaupigment sind dieses Jahr noch übergangsweise erlaubt, bevor sie gänzlich verboten werden sollen. „Dann könnte nur noch ein Viertel der Farben genutzt werden, denn in vielen Mischfarben sind diese Pigmente drin“, erklärt Baier.

Letztes Jahr waren die Regale noch voll. Jetzt beschränkt sich das Farbsortiment in Maik Baiers Tattoostudio vorerst auf Schwarz- und Weißtöne. Diese bieten die Hersteller bereits entsprechend den EU-Regeln an.
Letztes Jahr waren die Regale noch voll. Jetzt beschränkt sich das Farbsortiment in Maik Baiers Tattoostudio vorerst auf Schwarz- und Weißtöne. Diese bieten die Hersteller bereits entsprechend den EU-Regeln an. © Maik Baier

Farben im Wert von 5.000 Euro nun nutzlos

Letztes Jahr seien die Änderungen bekannt geworden. Zeit, die Farben aufzubrauchen, habe es durch die corona-bedingte Schließung kaum gegeben. „Dabei beruht der Erlass nur auf Mutmaßungen. Es besteht ein Verdacht, der nie nachgewiesen wurde“, beklagt Baier. Bisher habe er selbst noch nie Probleme mit Unverträglichkeiten erlebt. Die Farben seien in den letzten Jahren stetig verbessert worden. „Schließlich steht die Gesundheit unserer Kunden an erster Stelle“, bekräftigt Baier.

Maik Baier geht in seinem Studio von einem Verlust in Höhe von 5.000 Euro aus. Schadensersatz bekomme er dafür nicht. „Warum können wir die Farben nicht wenigstens aufbrauchen?“, fragt sich der Tätowierer. Da sie nur ein halbes Jahr haltbar sind, seien im vorherigen Lockdown auch schon viele Tuben unbrauchbar geworden.

Auf dem Stuhl von Maik Baier sitzt derzeit keiner, da das Studio entsprechend der geltenden Corona- Schutzverordnung geschlossen ist. Mit Inkrafttreten der neuen Verordnung ab Freitag kann Baier wieder Kunden begrüßen - allerdings ohne die bunten Farben,
Auf dem Stuhl von Maik Baier sitzt derzeit keiner, da das Studio entsprechend der geltenden Corona- Schutzverordnung geschlossen ist. Mit Inkrafttreten der neuen Verordnung ab Freitag kann Baier wieder Kunden begrüßen - allerdings ohne die bunten Farben, © SZ/Uwe Soeder

Baier wird ab nächster Woche zuerst die aufgestauten Termine der letzten Wochen abarbeiten. Auch im „Syndikat“ bei Sandro Wagner soll es wieder losgehen. Etwa die Hälfte seiner Kunden wünsche sich ein farbiges Tattoo. „Viele müssen nun erstmal warten“, sagt Wagner.

Denn er habe noch keine neuen Farben bestellt und die alte weiter zu nutzen, komme nicht infrage, denn dann würde er sich im schlimmsten Fall strafbar machen. Das Landratsamt kündigt Kontrollen durch das Lebensmittelüberwachungsamt an. Bei einmaligem Verstoß drohe eine Geldstrafe im vierstelligen Bereich.

Unklar, wann neue Farben auf den Markt kommen

Wann neue Farben kommen, hängt von den Herstellern ab, sagen die Tätowierer. Viele hätten gehofft, dass die neue Regel nicht in Kraft tritt, da es eine breit angelegte Petition gab. Diese hat aber nichts geändert, und die meist amerikanischen Farbhersteller müssten nun neue Formeln entwickeln.

Maik Baier hofft, dass die großen Hersteller zeitnah reagieren. „ Schließlich betrifft das einen Riesenmarkt. Die Hersteller können es sich nicht leisten, nicht mehr nach Europa zu liefern“, sagt Baier.

Mirko Hahn von „Tattoo Goods“ aus Dresden bestätigt: „Der Markt ist wie leer gefegt.“ Hahn vertreibt Tattoo-Zubehör, darunter auch Farben. Er habe einen kleineren Hersteller aus den USA gefunden, der in den Niederlanden produziert und angibt, EU-konforme Farben herzustellen. Die Farbe von „Quantum Ink“ sei lieferbar und kaum teurer als bisher. Maria Beck vom Tattoo-Studio „Elegant“ in Sohland hat die Farben bereits bestellt. „Es sind weniger, aber immerhin können wir bunte Tattoos anbieten“, erzählt sie.

Tätowierer: "Die Regelung ist nicht durchdacht"

Sandro Wagner gibt aber zu bedenken, dass die neuen Farben kaum getestet seien. Bis klar ist, wie sie auf der Haut wirken, werde es einige Zeit dauern. Bis dahin fürchtet Wagner, dass der Schwarzmarkt blüht: „Während die EU den Markt hier kontrolliert, wird eine Bestellung aus China nicht unterbunden. Viele werden Farben im Internet bestellen und privat Tattoos stechen.“

Dazu kämen steigende Kosten. Bereits jetzt sei klar, dass die Farben von bekannten Herstellern mindestens doppelt so teuer sein werden. Auch das Bautzener Unternehmen Edding positioniert sich nach eigener Aussage im oberen Preissegment.

Bereits seit 2020 stellt Edding EU-konforme Tattoo-Farben her, die bisher aber nur im eigenen Studio in Hamburg genutzt werden. "Die Produktion ist größtenteils Handarbeit und durch Corona gebremst worden. Deswegen bieten wir die Farben derzeit nicht am Markt an", erklärt Gregor Hintz von Edding.