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Vermögensberater rettet Radiborer Torhaus

Das prägnante Gebäude im Ortszentrum wurde in seiner 400-jährigen Geschichte schon auf vielfältige Weise genutzt. Jetzt bekommt es eine neue Bestimmung.

Von Franziska Springer
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Bei der Suche nach einem neuen Standort für seine Vermögensberatung fiel die Wahl von Unternehmer Frank Lehder eher zufällig auf das Torhaus in Radibor. Trotz vieler Schwierigkeiten beim Umbau glaubt er an das Projekt.
Bei der Suche nach einem neuen Standort für seine Vermögensberatung fiel die Wahl von Unternehmer Frank Lehder eher zufällig auf das Torhaus in Radibor. Trotz vieler Schwierigkeiten beim Umbau glaubt er an das Projekt. © SZ/Uwe Soeder

Radibor. Knapp 400 Jahre alt ist das Torhaus, dessen großer steinerner Bogen die Zufahrt vom Radiborer Ortszentrum zum Schloss freigibt. Vor dem Hintergrund dieses Alters ist wenig verwunderlich, dass die prägnante Immobilie einige Geschichten zu erzählen hat - war sie doch unter anderem Pförtnerhaus, Sitz der Gemeindeverwaltung, Wohnung einer alten Dame und leider auch Spekulationsobjekt. Sogar das Verließ von Radibor soll hier einst in einem kleinen Raum, der auch als Räucherkammer genutzt wurde, untergebracht gewesen sein. Vergitterte Fenster in den verrußten Wänden zeugen noch heute davon.

Die Fortsetzung all dieser Geschichten ließ lange auf sich warten. Annette und Frank Lehder waren es schließlich, die als neue Besitzer dem historischen Denkmal wieder eine Zukunft gaben. Geplant war das nicht, erinnert sich Frank Lehder und muss einige Jahre zurückgehen, um zu erklären, wie er und seine Frau zu den Rettern des Torhauses wurden: Der Inhaber einer Vermögensberatung begann 1999 sukzessive, sein Filialsystem abzuschaffen und seine Firma gänzlich nach Radibor zu holen. "2006 sind wir mit dem letzten Stuhl hierher gezogen", sagt er. Das jetzige Büro erwies sich mit seinen 70 Quadratmetern schnell als zu klein. 2013 begann die Suche nach neuen Räumen.

Mangel an Gewerberäumen auf dem Land

Im ländlichen Raum Gewerbeimmobilien zu finden, weiß Frank Lehder zu berichten, sei alles andere als ein leichtes Unterfangen: "Bestehende Gewerberäume konnten wir weder hier noch in den Nachbargemeinden finden. Gegen einen Neubau sprach, dass keine Gemeinde in ihrem Bebauungsplan entsprechende Vorhaben vorgesehen hatte", sagt er.

Und dann habe plötzlich das Angebot der Gemeindeverwaltung Radibor im Raum gestanden, die das alte Torhaus verkaufen wollte. Der vorherige Besitzer, ein adliger Immobilienhändler, sei seiner Sanierungsverpflichtung nicht nachgekommen, weshalb das Gebäude an die Gemeinde zurückgegangen wäre, weiß Frank Lehder zu berichten. Mit seinem Konzept setzte Lehder sich schließlich gegen einen Mitbieter durch und erwarb die Immobilie.

50 Farbschichten und ein unbekannter Keller

Das sieht die Nutzung des Torhauses als Büro für seine 15 Mitarbeiter vor. Etwas über 100 Quadratmeter richtet er ihnen dafür im ersten Obergeschoss derzeit vor. Im Dachgeschoss, dass eine durchgehende Gaube mit 18 Fenstern bekommen wird, werden Nebenräume und Archiv unterkommen. Rechts neben dem Toreingang entstehen Beratungsräume. Links ein Treppenaufgang und der Sanitärbereich. Natürlich bleiben die historischen Gewölbedecken erhalten.

Wie genau das alles einmal aussehen wird, kann Frank Lehder derzeit noch nicht genau sagen. Denn noch immer finden er und seine Handwerker bei Umbau und Sanierung neue Überraschungen. Dass auch der rechte Teil des Untergeschosses vollständig unterkellert ist etwa, bemerkten Arbeiter durch Zufall bei dem Versuch, Baufreiheit zu schaffen. Nebenan stießen sie auf über 50 Schichten an Farbe aus fast vier Jahrhunderten.

Mehr als 50 Farbschichten, das haben Untersuchungen ergeben, finden sich an den Wänden im Untergeschoss des Radiborer Torhauses.
Mehr als 50 Farbschichten, das haben Untersuchungen ergeben, finden sich an den Wänden im Untergeschoss des Radiborer Torhauses. © SZ/Uwe Soeder

Und auch die Bürokratie, die der Neuerwerb mit sich brachte, barg für Frank Lehder einige Überraschungen. Denn erst rund zwei Jahre, nachdem der Kauf besiegelt wurde, wurden Lehders die offiziellen Eigentümer des Torhauses. "Wir sind wegen des Behördenwirrwarrs ein ganzes Jahr lang keinen einzigen Schritt vorwärts gekommen", sagt Frank Lehder und muss dabei besonders daran denken, dass eine zuständige Richterin des Kamenzer Amtsgerichts für acht Wochen zur Kur fuhr, ohne die Unterlagen zur Bearbeitung weiterzugeben. "Wenn man ungeduldig in den Startlöchern steht und so etwas passiert, fällt man vom Glauben ab", sagt Frank Lehder rückblickend.

Denn das Versäumnis blieb nicht ohne Folgen: Handwerker etwa, die er mit der Sanierung beauftragen wollte, mussten absagen, weil sich die Termine verschoben. Das ganze Vorhaben geriet in Verzug. Und das, obwohl Frank Lehder bereits ein halbes Jahr, bevor ihm das Objekt schließlich gehörte, mit dem Bau begann: "Das Gebäude sollte ursprünglich in diesem Sommer bezugsfertig sein, und wir hatten Vertrauen in die Zusage der Gemeinde", erklärt er.

Der Dachstuhl des Torhauses musste komplett entfernt und neu aufgebaut werden. In der kommenden Woche wird er geliefert.
Der Dachstuhl des Torhauses musste komplett entfernt und neu aufgebaut werden. In der kommenden Woche wird er geliefert. © SZ/Uwe Soeder

Aber wie so oft bei der Sanierung historischer Bausubstanzen zeigten sich die echten Herausforderungen erst beim Bau - die Risse und Verwerfungen etwa, die sich von den Gewölbedecken bis in die Wände ziehen, oder aber der Zustand des Daches. Von dem ist derzeit nichts mehr zu sehen. Der Dachstuhl wurde komplett zurück gebaut. Nichts davon, sagt Frank Lehder, sei mehr zu gebrauchen gewesen.

Trotz aller Umstände aber bleibt der Unternehmer zuversichtlich: "So ein Objekt fasst man nicht an, wenn man nicht im tiefsten Herz etwas für Denkmalschutz übrig hat", sagt er und blickt optimistisch in die kommende Woche. Mit dem Aufbau des neuen Dachstuhls, sagt er, wird das Gebäude endlich wieder aussehen, wie ein Haus. Und vielleicht, hofft Frank Lehder, wird es sogar bis Ende dieses Jahres bezugsfertig.