Von Sebastian Kositz
Bautzen. Schloss Hartenfels in Torgau ist eigentlich ein Symbol der Trennung. Als die Wettiner 1485 das damalige Land Sachsen und sich selbst in Albertiner und Ernestiner aufteilten, ließen zuletztgenannte in Torgau das Renaissanceschloss als neue Residenz herrichten. Heute senden Politiker aus dem Freistaat von dort ganz andere Signale. Sie wollen, dass Sachsen enger zusammenrückt, fordern eine neue Schnellstraße quer durchs Land – die ganz nebenbei künftig auch die chronisch verstopfte A 4 in der Oberlausitz entlasten könnte.

Angesichts des fast schon festgezurrten Kohleausstiegs haben sich neun Landräte aus Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt zusammengetan und sich in der Torgauer Erklärung für den Bau einer neuen Schnellstraße zwischen den beiden Braunkohlerevieren in Mitteldeutschland um Leipzig und der Lausitz ausgesprochen. Das Vorhaben klingt fast schon pathetisch, in Anlehnung an die Namen beider Gebiete haben die Politiker dem Projekt das Akronym „Milau“ verpasst. Eine Verbindung, die von der polnischen Grenze bis zur A 38 bei Leipzig führen soll. Unterschrieben haben die Torgauer Erklärung unter anderem auch die beiden ostsächsischen Landräte Michael Harig aus Bautzen und sein Görlitzer Amtskollege Bernd Lange (beide CDU).
In erster Linie geht es den unterzeichnenden Politikern bei dem Vorhaben um die Zeit nach der Kohle. Wirtschaftsansiedlungen, so die Überzeugung, gelingen nur, wenn auch die passende Infrastruktur vorhanden ist. Aber: Die Straße soll parallel zur A 4 und zur A 14 verlaufen – „was auch zu deren Entlastung führen wird“, heißt es in der Torgauer Erklärung. Den Verlauf haben die Initiatoren offenbar auch schon vor Augen. Denn nach dem Grundsatz „Ausbau vor Neubau“ ließe sich das bereits bestehende Bundes- und Staatsstraßennetz von der A 38 im Westen bis zur B 115 im Osten nutzen – inklusive Übergang nach Polen.
Angesichts des stetig wachsenden Lkw-Verkehrs auf der Autobahn in Ostsachsen könnte der Ausbau der Straßen zu einer leistungsfähigen Verbindung eine spürbare Entlastung für die A 4 führen, glaubt Bautzens Landrat Michael Harig. „Ich glaube, dass wir damit schneller vorankommen als mit dem sechsspurigen Ausbau der A 4“, so der Politiker, der mit Blick auf die bevorstehende Mammutaufgabe wegen des Strukturwandels in der Lausitz generell deutliche Erleichterungen bei Planungen fordert. Das gelte auch für die angedachte Elektrifizierung der Bahnstrecke zwischen Dresden und Görlitz. In jedem Fall soll die neue Straße in beiden Richtungen mehrspurig sein. „Ob es sich um eine Schnellstraße oder Autobahn handelt, ist gleich. Hauptsache, die Straße ist leistungsfähig“, so Michael Harig.
Im zuständigen Verkehrsministerium in Dresden zeigen sich die Verantwortlichen von dem Vorstoß indes leicht überrumpelt. Die von den Landräten formulierte Forderung „ist uns bisher nur aus Ausführungen aus den Medien bekannt“, sagt Kathleen Bühl in der Pressestelle. Neu sei die Idee jedoch nicht. Denn schon in den 1990er-Jahren hatte es unter dem Projektnamen „Milau“ Pläne für eine A 16 zwischen Leipzig und der Lausitz gegeben. Die sei von den Landräten seinerzeit aber „politisch und fachlich“ verworfen worden.
Das Ministerium verweist dabei allen voran auf Umweltaspekte. Die Trasse hätte eine Vielzahl von Schutzgebieten und Tagebauen gequert. Zudem hätte der nötige Ankauf von Flächen viel Geld gekostet. Wie sinnvoll oder nicht das Vorhaben ist, dazu wollen sich die Fachleute im Verkehrsministerium nicht bewerten. Weil außer groben Absichtserklärungen keine weiteren Informationen vorliegen, wolle die Behörde dazu keine Aussagen treffen, heißt es.
Allerdings lässt das Ministerium schon einmal durchblicken, mit welchen Herausforderungen ein solches Projekt verbunden ist. Es sei ein Irrglaube, dass sich bestehende Bundes- und Staatsstraßen einfach umbauen lassen. Außerdem müsse das Vorhaben wie alle großen Infrastrukturprojekte auch beim Bundesverkehrswegeplan angemeldet werden. Das Ministerium verweist dazu auf die Bemühungen, eine breite Piste von Hoyerswerda hinüber zur A 13 zu bauen. Das Vorhaben steckte sogar schon drin im Bundesverkehrswegeplan – flog aber wieder raus, weil die Verkehrsmengen abnahmen und im Gegenzug die geschätzten Kosten regelrecht explodierten.