Von Jürgen Müller
Diera-Zehren. Ein Rufen genügt, und schon kommt die Herde den Hügel hinaufgetrampelt. Enrico Aßmann greift in einen Eimer mit Äpfeln, füttert die Galloway-Rinder. Normalerweise brauchte er das nicht zu tun. Die Tiere ernähren sich vollständig vom Gras auf der 14 Hektar großen Weide in Obermuschütz. Viel Arbeit hat der 39-Jährige mit der Rinderherde nicht. Alle zwei Tage kontrolliert er den Weidezaun und ob die Wasserversorgung in Ordnung ist. Galloways sind genügsam. Sie stammen aus dem Südwesten Schottlands. Ein wesentliches Merkmal ist ihr doppelschichtiges Fell mit langem, gewelltem Deckhaar und feinem, dichtem Unterhaar. Dies und ihre vergleichsweise dicke Haut sowie der angepasste sparsame Stoffwechsel machen die Galloways besonders widerstandsfähig. Deshalb können sie ohne Probleme auch harte Winter im Freien überstehen.
Enrico Aßmann ist Landwirt im Nebenberuf. Im richtigen Leben ist der Kleinzadeler selbstständiger Bauunternehmer. Vor zehn Jahren kam er auf die Idee, Rinder zu halten. Das hatte einen praktischen Hintergrund. Auf seinem 10 000 Quadratmeter großen Grundstück am Haus in Kleinzadel musste er im Sommer wenigstens alle 14 Tage mit dem Rasentraktor den Rasen mähen. Das könnten doch auch Tiere übernehmen, dachte er sich. „Doch weil wir keine Schafe essen, entschieden wir uns für Rinder“, sagt er. Und zwar für Galloway-Rinder. „Die haben keine Hörner.“ Dafür jedoch ein dickes Unterfell. Deshalb können die Tiere das ganze Jahr über im Freien bleiben.
26 Tiere hat er inzwischen, da war das Grundstück in Kleinzadel eines Tages viel zu klein. Deshalb pachtete er die Flächen in Obermuschütz. Zweimal im Jahr werden die Rinder jetzt per Transporter auf die jeweils andere Elbseite gebracht. Bis Ende November, wenn kein Schnee kommt, bleibt die Herde noch in Obermuschütz.
Schlachtsaison hat begonnen
Bereits im Oktober beginnt die Schlachtsaison. Nach zweieinhalb bis drei Jahren sind die Tiere schlachtreif. Bis zum März werden diesmal vier Rinder geschlachtet. Das übernimmt eine kleine Schlachterei in Bauda, das Fleisch vermarktet Enrico Aßmann selbst. Allerdings nur Fleisch, Wurst wird nicht angeboten. „Vielleicht später einmal“, sagt er und lacht.
In Kleinzadel hat er einen Kühl- und einen Verkaufsraum. Rund 60 Stammkunden aus dem gesamten Umland zählt er, Galloway-Fleisch gibt es nur auf Vorbestellung. Auf den Geschmack des Fleisches, das eine Mischung aus Rind und Wild, sehr fettarm, grobfaserig und bissfest ist, kam Enrico Aßmann vor vielen Jahren. Damals betrieb er nebenher eine kleine Gaststätte in Kleinzadel. Hin und wieder bot er Gerichte mit Galloway-Rindfleisch an. „Viele Leute sind extra deswegen in die Gaststätte gekommen“, sagt er. Für ihn ist die Rinderhaltung ein schöner Ausgleich zu seinem eigentlichen Beruf. Auch das Futter produziert er selbst, nichts wird zugekauft. Die Tiere ernähren sich ausschließlich von Gras und im Winter von Heu. 200 Ballen Heu hat Aßmann gemacht und eingelagert. Er hängt es nicht an die große Glocke, wirbt nicht damit, aber was er betreibt, ist die reine Bio-Landwirtschaft. Es gibt ausschließlich Mutterkuhhaltung, die Kälber sind zehn Monate bei der Mutter und werden von ihr ernährt. Alle zwei Jahre kommt ein neuer Bulle. Die Bullenherde ist getrennt in Zscheilitz untergebracht.
Auch wenn Enrico Aßmann Bauunternehmer ist – seine Eltern waren Bauern, hatten Rinder und Schafe.