Merken

Bedrohter Winzling

Die Haselmaus ist das Wildtier des Jahres 2017. Nicht ohne Grund!

Teilen
Folgen
NEU!
© Sven Büchner

Von Jana Ulbrich

Bautzen / Bischofswerda. Weg! Sven Büchner hat sie nicht mehr gefunden. Rein gar nichts hat der Biologe gefunden, das auch nur annähernd darauf hindeuten könnte, dass sie noch lebt: Im Bischofswerdaer Hungerwald gibt es keine Haselmäuse mehr. Die ganze Population ist verschwunden. „Sehr schade“, sagt Sven Büchner. Der Bau der Bischofswerdaer Ortsumgehungsstraße hat die scheuen Nager offenbar vertrieben.

Selten fündig: Der Biologe Sven Büchner erforscht die Haselmaus in ganz Deutschland.
Selten fündig: Der Biologe Sven Büchner erforscht die Haselmaus in ganz Deutschland. © Robert Michael

Dabei haben die Bauherren hier nichts unversucht gelassen, um die Haselmäuse zu retten. Sogar eine mehr als 500 000 Euro teure Brücke haben sie ihnen gebaut. Die Investition, sagt Büchner, war trotzdem nicht umsonst. Über die Brücke flitzen jetzt eben Steinmarder oder Gelbhalsmäuse. Und auch für Wanderer, Spaziergänger und Radfahrer ist sie ein Segen.

Aber um die Haselmaus macht Sven Büchner sich Sorgen. Der winzige Nager ist vom Aussterben bedroht. Und Büchner ist angetreten, die Art zu retten. Der 45-jährige Biologe aus Markersdorf bei Görlitz ist überhaupt DER Experte für das kleine Nagetier, das kaum ein Mensch je zu Gesicht bekommt. Büchner forscht, sucht, schreibt Bücher, hält Vorträge, ist als Fachberater in ganz Deutschland gefragt. Vor allem in diesem Jahr:

In diesem Jahr nämlich kommt das kleine Haselmäuschen, das eigentlich gar keine Maus ist, sondern zur Gattung der Bilchen gehört, ganz groß raus. Die Deutsche Wildtier Stiftung hat die Haselmaus zum Tier des Jahres 2017 erklärt. Das soll den daumengroßen, scheuen Winzling ein bisschen stärker als bisher ins Licht der Öffentlichkeit rücken. Das ist auch wirklich bitternötig, findet Sven Büchner. Denn die Haselmäuse werden immer weniger.

Nur noch wenige Vorkommen

Sven Büchner hat in der ganzen Oberlausitz nur noch vereinzelte Vorkommen ausgemacht. Das größte zusammenhängende Revier haben die Tiere am Rotstein zwischen Löbau und Görlitz. Im Kreis Bautzen hat der Biologe sie bisher nur im Oberland entdecken können.

Nachgewiesen sind kleine Vorkommen am Rüdenberg bei Bischofswerda, am Valtenberg bei Neukirch und im Hohwald. „Um überleben zu können, brauchen die Tiere eine intakte, vielfältige Natur, die ihnen ausreichend Nahrung bietet“, erklärt der 45-Jährige. Die finden sie nur noch in Wäldern und Waldrändern, in denen sie noch ausreichend Knospen, Beeren, Blüten, Insekten und eben auch Nüsse finden. In bewirtschafteten Waldkulturen ist das kaum noch der Fall. „Haselmäuse finden hier immer weniger Lebensraum“, sagt der Biologe.

Dabei gäbe es im Südraum von Bautzen noch geeignete Reviere, in der Gegend um Schirgiswalde zum Beispiel, am Picho, rund um Bieleboh und Czorneboh oder an den Kälbersträuchern. Aber bisher konnte Büchner in der ganzen Gegend noch keinen einzigen Nachweis finden. „Das irritiert mich eigentlich ein wenig“, gibt der Biologe zu. Er müsste in dem Gebiet noch mal genauer suchen. Ohnehin ist das ein ziemlich schwieriges Unterfangen.

Für Menschen kaum sichtbar

Eine Haselmaus zu entdecken, grenzt nämlich fast an die Unmöglichkeit. Vom Spätherbst bis zum Frühjahr halten die Tiere Winterschlaf und schlummern fest eingerollt in Blättern irgendwo tief unter Gesträuch. In diesem Jahr sind sie überhaupt noch nicht hervorgekrochen. „Weil es immer noch so kalt ist, haben sie ihren Winterschlaf noch gar nicht beendet“, erklärt Sven Büchner. Er hofft, dass sie sich jetzt übers Wochenende endlich blicken lassen.

Aber selbst, wenn die Tiere aus ihrem Winterschlaf erwacht sind, bekommt ein Mensch sie so gut wie nie zu Gesicht. Haselmäuse sind nachtaktiv und bleiben den ganzen Tag über in ihren Verstecken. Was man aber finden kann, sagt der Biologe, sind Nester und Fraßspuren. Wenn eine Haselnuss ein kreisrundes Loch hat und ausgehöhlt ist wie eine Schüssel, dann war das garantiert eine Haselmaus. Kein anderes Tier frisst solche sauberen kreisrunden Löcher. Kreisrund sind auch die Nester. Wie Tennisbälle sehen sie aus – kleine feste Kugeln aus Blättern und Gras, allerhöchstens faustgroß.

Nussjagd war ein Erfolg

Vor zehn Jahren hatte der Freistaat mal zur großen „Nussjagd“ aufgerufen. Naturschutzverbände, Vereine und Schulklassen hatten die Wälder nach solchen Haselmaus-Spuren abgesucht. Über 14 000 Nüsse hatte Sven Büchner damals auf seinem Schreibtisch. „Wir konnten mit dieser Aktion entscheidend zum heutigen Wissen über die Verbreitung der Tiere beitragen“, schwärmt der Biologe noch heute.

Bisher hat es Ähnliches nicht mehr gegeben. Sven Büchner allein könnte das ja auch nicht schaffen. Aber vielleicht, so hofft er, ändert sich das ja im „Jahr der Haselmaus“. „Zumindest wird damit die öffentliche Aufmerksamkeit stärker auf ein Tier gelenkt, das ansonsten nicht so im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses steht“, sagt Sven Büchner. Und ganz praktisch hofft er darauf, dass sich damit der Schutz der Mini-Nager weiter verbessern könnte. „Wir könnten Schutzmaßnahmen besser begründen“, schildert er. Und freuen würde es ihn, wenn es in diesem Jahr vielleicht auch wieder unterschiedliche Aktionen für die Haselmaus gibt – auch wenn sie selbst vermutlich vom ganzen Rummel um ihre Person gar nichts mitbekommt.