Merken

Bedrohtes Wunder vom Teufelsstein

Der Felsen bei Pließkowitz hat eine besondere Bewandtnis. Könnte der benachbarte Steinbruch ihr ein Ende bereiten?

Teilen
Folgen
© Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich

Gleich geht es los. Ralf Herold hält den Atem an. Gleich wird die Sonne untergehen und am Horizont verschwinden. Und nur in diesem kurzen Moment, und auch nur in diesen Tagen um den Herbstanfang, wird sie durch diesen schmalen Felsspalt scheinen. Genau jetzt!

Ralf Herold aus Sohland ist Hobby-Heimatforscher und Mitbegründer der Arbeitsgruppe Archäoastronomie. Der 56-Jährige ist überzeugt davon, dass unsere Vorfahren Felsen zu „Kalendern“ auftürmten. Auch am Teufelsstein bei Pließkowitz hat er das Sonnen-Phänom
Ralf Herold aus Sohland ist Hobby-Heimatforscher und Mitbegründer der Arbeitsgruppe Archäoastronomie. Der 56-Jährige ist überzeugt davon, dass unsere Vorfahren Felsen zu „Kalendern“ auftürmten. Auch am Teufelsstein bei Pließkowitz hat er das Sonnen-Phänom © Ralf Herold

Was für ein zauberhafter Augenblick. Ralf Herold ist begeistert. Immer wieder aufs Neue ist er das, wenn er hier oben auf dieser kleinen Anhöhe vor dem Teufelsstein steht. Mit dem Teufelsstein von Pließkowitz nämlich hat es eine ganz besondere Bewandtnis: Dieser Felsen hier könnte den Menschen in prähistorischer Zeit als eine Art Kalender gedient haben. Herold, von Beruf Garten- und Landschaftsbauer mit eigener Firma und Heimatforscher aus Leidenschaft, ist überzeugt davon, dass das so war. Seit Jahren beschäftigt er sich mit diesem Phänomen, hat mit Gleichgesinnten an der Sternwarte in Sohland/Spree die Arbeitsgruppe Archäoastronomie gegründet.

Die Felsen am Teufelsstein sind genau so aufgetürmt, dass die Sonne in den Tagen um die Tagundnachtgleiche, also jeweils zum Herbst- und zum Frühlingsanfang, beim Auf- und Untergang genau durch das Felsentor scheint. Ralf Herold ist fest davon überzeugt, dass das kein Zufall ist. „Das kann nur das Werk von Menschenhand sein“, sagt der 56-Jährige. Der Teufelsstein hier bei Pließkowitz ist dabei nur eins von reichliche 30 derartigen Objekten, die die Archäoastronomie-Enthusiasten inzwischen in der ganzen Oberlausitz entdeckt haben – Felsengebilde, die seit Tausenden von Jahren die Tagundnachtgleichen oder die Sommer- und Wintersonnenwenden anzeigen und unsere Ur-Ur-Ahnen auf diese Weise durch die Jahreszeiten wiesen.

Mit den Steinen für die Region werben

Wissenschaftlich belegt werden kann Herolds Annahme nicht. „Wir haben keine Funde und Nachweise darüber, dass diese Steine tatsächlich von Menschen in dieser Absicht aufgetürmt wurden“, sagt Cornelia Rupp vom Sächsischen Landesamt für Archäologie. „Das heißt aber nicht, das wir das grundsätzlich anzweifeln – es lässt sich aber eben nicht beweisen.“

Für Ralf Herold sind seine Beobachtungen Beweis genug. Und mag das Phänomen auch umstritten sein: Potenzial hat es allemal. Die Arbeitsgruppe hat ein Konzept entwickelt, wie diese Oberlausitzer Stonehenge-Steine für den Tourismus in der Region werben könnten. „Der Sonnenzauber existiert ja“, sagt Ralf Herold, „und wer möchte, kann ihn Jahr für Jahr mit eigenen Augen ansehen.“

Das allerdings scheint jetzt nach Tausenden von Jahren auf dem Teufelsstein in Gefahr. Denn die Anhöhe mit dem Felsen liegt direkt über dem großen Plieskowitzer Steinbruch der Pro Stein GmbH. Genau in der Richtung, in der die Sonne zum Herbstanfang untergeht, wächst am Horizont die Abraumhalde. Vielleicht ist sie schon im nächsten Jahr so hoch gewachsen, dass die Sonnenstrahlen den Felsen gar nicht mehr erreichen können. „Dann wäre dieser magische Augenblick hier für immer verloren“, sagt Herold.

Alles in eine Staubschicht gehüllt

Ohnehin ist der Steinbruch längst dabei, dem magischen Ort seine Romantik zu rauben. Alles hier oben ist in grauen Steinstaub gehüllt, Staubwolken trüben den Blick und von unten dröhnt der Lärm der Steinbrecher herauf. 400 000 Tonnen Granodiorit pro Jahr werden in Pließkowitz abgebaut, zersägt und zermahlen – für Beton- und Asphaltmischungen, für Mauer- und Pflastersteine und vieles mehr. Das Geschäft mit Baumaterialien boomt, der Steinbruch wird immer mehr erweitert.

Schon lange klagen die Anwohner über Lärm und Staub, über wachsenden Schwerlastverkehr und die Erschütterungen, wenn gesprengt wird. In diesem Sommer hat sich eine Bürgerinitiative gegründet, die verhindert will, dass der Steinbruch weiter wächst. Auch der bedrohte Sonnenzauber auf dem Teufelsstein steht auf der Liste ihrer Argumente.

Pro-Stein-Geschäftsführer Jens Gering allerdings will das nicht gelten lassen. Bis vor drei Wochen, sagt er, sei ihm das Problem Teufelsstein gar nicht bekannt gewesen. Und jetzt, wo er es weiß, geht er auch davon aus, dass es eine Lösung gibt, bei der die historisch relevanten Sichtachsen erhalten bleiben. „Wir lassen diese Fakten gerade von unserem Ingenieurbüro prüfen und werden sie gegebenenfalls nachträglich in unseren Planungen berücksichtigen“, sagt Gering.

Grenzwerte werden eingehalten

Der Pro-Stein-Geschäftsführer weiß, dass der Betrieb eines Steinbruchs die Lebensqualität in der Umgebung beeinflusst. „Wir bemühen uns ständig darum, Lärm, Staub und Erschütterungen so gering wie möglich zu halten“, sagt er. Es gebe diverse Auflagen aus den Genehmigungsbescheiden und auch freiwillige Maßnahmen, die Grenzwerte der einschlägigen Vorschriften einzuhalten. Das bestätigt auch Bernhard Cramer vom Sächsischen Oberbergamt. Das Amt ist zuständig für die Genehmigung und Zulassung des Steinbruchbetriebs, und es überwacht die Einhaltung der Auflagen und Grenzwerte, auch der Grenzwerte für Lärm und Staub. Das wird auch regelmäßig kontrolliert.

Überm Teufelsstein ist mittlerweile die Sonne untergegangen. Für heute ist der Zauber vorbei. Ralf Herold hat ihn mit der Kamera festgehalten. „Bei gutem Wetter sollte es die nächsten zwei, drei Tage noch möglich sein, das Phänomen zu sehen“, sagt er. Und er hofft, dass das auch im nächsten und in den nächsten tausend Jahren noch so sein wird.