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Wurde Staatsanwalt bedroht?

Im Fall des Prozesses um einen gefesselten Flüchtling in einem Supermarkt in Arnsdorf gibt es weitere Ungereimtheiten. Der Staatsanwalt sei nur schriftlich bedroht worden, so sächsische Behörden.

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© Thorsten Eckert

Leipzig/Dresden. Sächsische Behörden widersprechen in Teilen einem MDR-Bericht zur Einstellung des Verfahrens wegen der Fesslung eines Flüchtlings in Arnsdorf (Kreis Bautzen). Es sei nicht richtig, dass der zuständige Staatsanwalt, wie in dem Bericht des MDR-Magazins «Exakt» vom Mittwoch behauptet, vor dem Prozess von Unbekannten verfolgt, beleidigt und bedroht worden sei, teilten die Staatsanwaltschaft Görlitz und das Operative Abwehrzentrum (OAZ) der sächsischen Polizei am Donnerstag mit.
Zugleich bestätigten die Behörden Ermittlungen zu schriftlichen Bedrohungen gegen die Staatsanwaltschaft vor dem Prozess.

Die Behörden betonten, das Verfahren vor dem Amtsgericht Kamenz (Kreis Bautzen) sei «allein aus sachlichen Erwägungen» eingestellt worden. Es bestehe kein Zusammenhang zu den Ermittlungen wegen Bedrohung. Ein Richter hatte das Verfahren wegen Freiheitsberaubung gegen vier Männer am Montag überraschend wegen Geringfügigkeit eingestellt. Zur Begründung hieß es unter anderem, es habe kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestanden. Kritiker werteten die Entscheidung als Aufruf zur Selbstjustiz.

Der Fall soll auch ein parlamentarisches Nachspiel haben. Die Linke werde am kommenden Mittwoch im Rechtsausschuss des Landtages eine detaillierte und vollständige Auskunft der Staatsregierung über die Abläufe im Vor- und Umfeld des Prozesses gegen die vier Arnsdorfer fordern, sagte der Rechtsexperte der Fraktion, Klaus Bartl, am Donnerstag in Dresden.

„Wir dürfen es nicht zulassen, dass Vertreter des Rechtsstaates eingeschüchtert werden und die Strafverfolgung dadurch beeinträchtigt wird“, sagte Bartl, der auch Vorsitzender des Rechtsausschusses ist. Er fordere Aufklärung, aus welchen sachlichen und rechtlichen Erwägungen die Staatsanwalt einer Einstellung des Verfahrens zugestimmt habe. „Wir wollen auch in Erfahrung bringen, welche weiteren Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit den Geschehnissen in Arnsdorf geführt worden sind und was sie ergeben haben.“

Die Bedrohung des Staatsanwalts, ohne dessen Zustimmung ein Ende des Prozesses gesetzlich unmöglich gewesen wäre, nähre den Eindruck, „dass der Rechtsstaat vor dem Wutbürgertum kapituliert hat“. Hinter dem Fall „Arnsdorf“ stecke offensichtlich mehr als bisher bekannt ist, sagte Bartl.

Die Angeklagten hatten im Mai 2016 einen 21-jährigen Iraker gewaltsam aus einem Arnsdorfer Supermarkt gezerrt und mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt. Der Vorwurf der Männer, der Asylbewerber habe zuvor eine Kassiererin bedroht, erhärtete sich nicht.

Der Iraker war vor gut einer Woche tot in einem Wald in Dorfhain (Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) gefunden worden. Eine Obduktion ergab, dass er vermutlich im Januar erfroren ist. Gewalteinwirkung von außen schlossen die Ermittler aus. Der Iraker hätte in dem Prozess als Zeuge gehört werden sollen. (epd/dpa)