Von Tobias Winzer
Freital. Kann die ehemalige Lederfabrik in der Mitte Freitals abgerissen werden – ja oder nein? Die Beantwortung dieser Frage, die eigentlich für Ende April/Anfang Mai angekündigt war, wird noch längere Zeit brauchen. Wie das zuständige Landratsamt in Pirna am Freitag mitteilte, habe sich die eigene Denkmalschutzbehörde nicht mit dem Landesamt für Denkmalpflege auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können. Deswegen wird die Entscheidung nun an die nächsthöhere Behörde, an die Landesdirektion, weitergereicht.
Die Stadt Freital hatte im vergangenen November einen Antrag auf denkmalschutzrechtliche Abrissgenehmigung gestellt und im Februar noch einmal Unterlagen nachgereicht. Die Entscheidung sollte die Denkmalbehörde des Landkreises gemeinsam mit dem Landesamt für Denkmalpflege treffen, weil es sich bei der Lederfabrik um ein Denkmal handelt. Vorgeschrieben ist in einem solchen Verfahren, dass sich beide Behörden auf einen gemeinsamen Standpunkt einigen. Das ist bei der Lederfabrik nun nicht gelungen. Im Kern geht es um die Frage, ob ein Erhalt des Gebäudes für die Stadt Freital als Eigentümer zumutbar wäre.
Wie das Landratsamt mitteilt, bestehe in zwei Punkten Einigkeit zwischen den beiden Denkmalbehörden. „Landratsamt und Landesamt sind sich einig über die besondere ortsentwicklungsgeschichtliche Bedeutung sowie den städtebaulichen Wert der Lederfabrik für Freital“, sagt der zuständige Beigeordnete im Landratsamt, Heiko Weigel. „Sie vertreten auch übereinstimmend die Auffassung, dass aufgrund schwerwiegender Schäden das Gebäude nicht in Gänze, sondern nur in seinen Außenwänden erhalten werden kann.“
Deutliche Signale aus dem Rathaus
Die Geschichte der Lederfabrik
Streitpunkt ist nun aber die Frage, ob dieser teilweise Erhalt der Lederfabrik für die Stadt finanziell zu stemmen wäre. Das Landratsamt beurteile die wirtschaftliche Zumutbarkeit für den Eigentümer negativ, so Weigel. „Die Erhaltung der Außenwände ist technisch möglich, allerdings mit erheblichem Herstellungs- und Sicherungsaufwand verbunden.“ Diesen Aufwand dem Eigentümer auf unbestimmte Zeit und ohne konkrete Investitionsaussicht aufzugeben, sei wirtschaftlich nicht zumutbar.
Das Landratsamt hat dabei wohl folgendes Problem im Kopf: Zwar ist es technisch möglich, dass beispielsweise nur die Fassade der Lederfabrik erhalten bleibt und der Rest des Gebäudes dahinter abgerissen wird. Allerdings müsste die Außenwand dann mit riesigen Stützen vor dem Umfallen gesichert werden. Solange unklar ist, wie es dann weitergeht, drohen der Stadt hohe jährliche Kosten.
Im Landesamt für Denkmalpflege sieht man das anders. Was genau die Behörde zu ihrer Einschätzung bewog, ist noch unklar. Eine entsprechende Anfrage wird erst am Montag beantwortet. Ebenfalls noch offen ist, wann nun mit einer Entscheidung zur Zukunft der Lederfabrik zu rechnen ist. Nach Angaben der Landesdirektion handele es sich um ein sehr komplexes Verfahren. „Derzeit ist keine seriöse Aussage möglich, wann die Landesdirektion Sachsen in der Sache entscheiden wird“, so ein Sprecher der Behörde.
Fest steht hingegen, was die Stadt mit der ehemaligen Lederfabrik vorhat. Oberbürgermeister Uwe Rumberg (CDU) hat immer wieder betont, dass er das Gebäude so schnell wie möglich abreißen lassen will. Er verweist in dem Zusammenhang auf umfangreiche Untersuchungen der Ruine im Jahr 2016 und 2017. Diese ergaben hohe Sanierungskosten im Vergleich zu einem deutlich günstigeren Abriss. Außerdem stecken in dem Gebäude Schadstoffe. Laut Rumberg könnten diese bei einer Nutzung des Hauses später zum Gesundheitsrisiko werden.
Wie die Rathausspitze am Freitag sagte, teile man die Auffassung der Denkmalschutzbehörde des Landratsamtes. „Wir sind fest entschlossen, den Stadtratsbeschluss für einen Abbruch des Gebäudes umzusetzen, solange sich keine konkret machbare und wirtschaftlich darstellbare Option findet“, so Oberbürgermeister Rumberg. Dies könne der Erwerb des Gebäudes seitens des Freistaates Sachsens und die Ansiedlung einer Landesbehörde sein, was sehr zu begrüßen wäre. „Wir hoffen auf eine sachgerechte und zeitnahe Entscheidung der Landesdirektion.“
Die bevorzugte Variante Rumbergs ist die, dass der Freistaat auf dem dann beräumten Lederfabrik-Grundstück das versprochene Haus der Bildung, ein Behördenstandort, errichtet. Wenn das nicht klappt, könnte man die Fläche für einen privaten Investor ausschreiben.