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Beim Packen mahnen die Diplomaten zur Eile

Der deutsche Diplomat Claude Ellner treibt zur Eile. Während ein amerikanisch-britischer Angriff auf den Irak auch ohne Zustimmung des Uno-Sicherheitsrates unaufhaltsam näher zu rücken scheint, werden...

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Von Carsten Hoffmann, Bagdad

Der deutsche Diplomat Claude Ellner treibt zur Eile. Während ein amerikanisch-britischer Angriff auf den Irak auch ohne Zustimmung des Uno-Sicherheitsrates unaufhaltsam näher zu rücken scheint, werden Handgepäck und Kisten aus der mit Sandsäcken, Stacheldraht und einer hohen Mauer geschützten Botschaft in Bagdad in Fahrzeuge verladen. Die Beamten des Auswärtigen Amtes und einige Mitarbeiter verließen gestern die deutsche Vertretung, um zunächst im Nachbarland Jordanien Position zu beziehen.

„Wir haben diesen Zeitpunkt mehrfach verschoben“, sagt Ellner, der seit 1999 als Geschäftsträger in Bagdad ist. Jetzt könne nicht länger gewartet werden. Hilfsorganisationen und Geschäftsleute haben das Land schon verlassen.

Die Überlegungen zum Verlauf eines Angriffs auf Bagdad sind bisher allesamt mit einem großen Fragezeichen versehen. Diplomaten fragen sich, ob das irakische System nach einem heftigen Angriff gleich kollabieren wird. Gefechte zwischen den angreifenden Amerikanern und den Verteidigungstruppen des Regimes gelten als Horrorszenario.

Die Abreise der Deutschen fiel genau mit dem Bekanntwerden der Nachricht von Washingtons Forderung nach einem Rückzug der Inspekteure zusammen. Dies galt bislang immer als eindeutiger Indikator eines unmittelbar bevorstehenden Angriffs. Gestern rückten die Waffenexperten zwar noch einmal zu ihren Kontrollen im Irak aus. Doch erwarten Beobachter ihre Ausreise innerhalb der nächsten 72 Stunden. In den vergangenen Tagen hatte bereits eine „schleichende Ausreise“ begonnen, so dass nur noch etwa 70 der ursprünglich 140 Inspekteure im Land sind.

Die Spannung in Bagdad ist an jeder Straßenecke spürbar, obwohl sich auf den Hauptstraßen weiter die Autos stauen und die Menschen in den Geschäften einkaufen. Vor Tankstellen haben sich Schlangen mit Wartenden gebildet. In der Innenstadt und den Ausfallstraßen sind Stellungen für Militär- und Polizeikräfte vorbereitet, die bei einer Ausgangssperre jede Bewegung in der Stadt sofort unmöglich machen können. In diesem Fall säßen irakische Zivilisten und Militärs, Ausländer und auch die Diplomaten in der Stadt fest.

Außer Russland werden nur der Vatikan und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) Vertreter in Bagdad belassen. Deutschland zieht als einer der letzten Staaten ab. Nachdem das schwere Metalltor der deutschen Botschaft geöffnet ist, brausen die Fahrzeuge an irakischen Wachleuten vorbei und davon. Auf dem Türschild klebt ein Zettel: „Die Deutsche Botschaft in Bagdad ist bis auf weiteres geschlossen.“ (dpa)