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Berauschender Brotaufstrich

Alle Therapien haben bei einem Weinböhlaer nicht geholfen. Jetzt will der Mann seine Krankheit selbst heilen. Doch diese Methode ist verboten.

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© Reuters

Von Jürgen Müller

Das wäre ein richtig gutes Geschäft gewesen. Für 150 Euro hatte ein Weinböhlaer im Internet 23 Cannabissamen bestellt. Er setzt sie in Blumentöpfe ein, hegt und pflegt sie. Allerdings gehen nur acht auf. Die setzt er in den Garten seines Grundstücks. Eine Pflanze geht später ein, doch die anderen gedeihen prächtig, obwohl er sie lediglich einmal pro Woche gießt und düngt. Irgendwann wachsen ihm die Pflanzen buchstäblich über den Kopf. Insgesamt erntet er über zwei Kilogramm Marihuana, also Rauschgift. Der Wirkstoffgehalt der Pflanzen entsprach mit 64,2 Gramm etwa der neunfachen Menge dessen, was Juristen als „nicht geringe Menge“ bezeichnen und was entsprechend strafverschärfend wirkt. Gefängnisstrafen von einem bis zu 15 Jahren sieht das Gesetz dafür vor. Das Rauschgift hatte einen Marktwert von knapp 5 000 Euro.

Doch verkaufen wollte der 32-Jährige das gar nicht, beteuert er vor dem Richter. „Ich wollte mich damit selbst therapieren. Meine Freundin hat von dem Anbau nichts gewusst“, sagt der Weinböhlaer. Er leide seit seiner Kindheit an Nervosität und Unkonzentriertheit. Seine Eltern hätten ihn schon den „Nerventod“ genannt. Nicht mal das Wundermittel Ritalin habe beim ihm gewirkt. Auch Gespräche mit einem Psychotherapeuten hätten nichts gebracht.

Bauarbeiter zeigt ihn an

Dann habe er im Internet gelesen, dass eine Behandlung mit Cannabis Erfolg bringen könne. In einigen Ländern ist das ja zugelassen, auch in Deutschland wird immer wieder über eine Legalisierung dieser Droge für Behandlungszwecke diskutiert. Doch nach wie vor ist sie verboten. „Ich wusste das, aber erst durch die Anzeige wurde mir klar, was ich gemacht habe“, sagt der Weinböhlaer. Er habe viel Druck auf Arbeit und Stress durch die Sanierung des Hauses, habe sich durch Cannabis Linderung versprochen. „Ich wollte es nur für mich, in Butter auflösen und als Brotaufstrich essen“, sagt er. Dass es so viel werde, damit habe er nie und nimmer gerechnet.

Aufgeflogen ist die Sache übrigens durch einen Bauarbeiter, der auf dem Grundstück des Angeklagten arbeitet. Er sah die Pflanzen, die 20 Meter vom Haus entfernt angebaut und nicht versteckt waren, erkannte, dass es Cannabis ist, und zeigte den Mann an.

Bei der Polizei war der Angeklagte kooperativ, hippelig, wollte, dass die Sache erledigt wird, sagt die Polizistin, die ihn damals vernahm. Sie hatte nicht den Eindruck, dass er die Pflanzen leichtfertig angebaut habe, sei aber naiv und vom Umfang überrascht gewesen.

Der Staatsanwalt glaubt dem Mann, der Realschulabschluss und zwei Berufe hat und zudem nicht vorbestraft ist, die Geschichte. Er beantragt deshalb die Mindeststrafe von einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollte. Die extreme Einsichtigkeit ihres Mandanten würdigt auch die Verteidigerin, die zudem von einem „minderschweren Fall“ spricht, der das Strafmaß deutlich verringert.

Grenzenlose Naivität

Davon geht auch das Gericht aus. Es verurteilt ihn zu einer Haftstrafe von drei Monaten auf Bewährung. Das ist das Geringste, was es bei einer solchen Tat geben kann. „Normalerweise hätte ich Sie in Tateinheit mit Naivität verurteilen müssen", sagt der Richter und spricht von einem Fall, der aus dem Rahmen falle, einem Einzelfall, der krass von anderen Fällen abweiche, von einem dilettantischen Vorgehen. Die Strafe wird nicht ins Führungszeugnis eingetragen, der Weinböhlaer gilt also nicht als vorbestraft. Dies ist erst bei Strafen von mehr als drei Monaten oder 90 Tagessätzen der Fall. Bewährungsauflagen gibt der Richter nicht. „Die Verhandlung und das Urteil sind für Sie Denkzettel genug“, sagt er.