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"Berliner Zeitung"-Besitzer war bei der Stasi

Nach Übernahme des Berliner Verlags wird die Vergangenheit des Neu-Eigentümers zum Thema. Der Unternehmer spricht von einer "Notsituation".

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Holger Friedrich, Verleger und neuer Besitzer des Berliner Verlags.
Holger Friedrich, Verleger und neuer Besitzer des Berliner Verlags. © Britta Pedersen/dpa

Berlin. Der neue Besitzer des Berliner Verlags, Holger Friedrich, ist in der DDR zeitweise Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi gewesen. Nach einem Bericht der "Welt am Sonntag" (WamS) war er unter dem Decknamen "Peter Bernstein" für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig. Demnach berichtete er während seines Wehrdienstes bei der Nationalen Volksarmee über Kameraden und belastete diese dem Bericht zufolge teilweise schwer. Der WamS liegen nach eigenen Angaben entsprechende Dokumente aus der Stasi-Unterlagenbehörde vor.

Wie Friedrich selbst am Freitag "in eigener Sache" in der "Berliner Zeitung" (online) erklärte, habe er eine handschriftliche Verpflichtungserklärung bei der Stasi aus einer Notsituation nach einer Verhaftung heraus verfasst, um einer befürchteten Gefängnisstrafe zu entgehen. Er sei "nicht aktiv" für die Staatssicherheit tätig gewesen. Bei der ersten Gelegenheit habe er sich dieser Notsituation entzogen und danach die Zusammenarbeit mit der Stasi verweigert, schrieb Friedrich in den von ihm veröffentlichten Antworten auf die Recherchefragen der WamS.

Der Berliner Unternehmer hatte mit seiner Frau Silke unlängst den Berliner Verlag mit der "Berliner Zeitung" und dem "Berliner Kurier" von der DuMont-Mediengruppe übernommen. Die Redaktion der "Berliner Zeitung" wurde nach eigenen Angaben von der Nachricht zur Vergangenheit Friedrichs überrascht. Friedrich habe die Redaktion am frühen Freitagnachmittag über seine Tätigkeit für die Staatssicherheit und die Hintergründe informiert, teilte die Redaktionsspitze an ihre Leser gerichtet online mit.

Wie die WamS berichtete, ergibt sich aus den Unterlagen, dass Friedrich von Dezember 1987 bis Februar 1989 mit Stasi-Offizieren zu konspirativen Treffen zusammenkam. Überliefert seien zwölf größtenteils handschriftliche Spitzelberichte, in denen mehr als 20 Personen in identifizierbarer Weise genannt würden. Diese Erwähnung führte demnach dazu, dass die Stasi gegen einige der Betroffenen "Maßnahmen" verfügte. In einem Fall sollte ein Soldat gemaßregelt und strafrechtlich belehrt werden.

Personen aus näherem Umfeld belastet

Nach Darstellung von Friedrich hatte er sich dem Soldaten offenbart "und wir haben miteinander vertraulich abgestimmt, welche Nachrichten an den MfS-Offizier weitergeleitet werden". Die WamS zitiert aus einer schriftlichen Beurteilung Friedrichs durch seinen Führungsoffizier zu den Betroffenen: "Er belastet in den Gesprächen Personen aus seinem Umgangskreis."

Nach Angaben Friedrichs ergab sich die Verpflichtungserklärung aus der Not heraus, nachdem er unter dem Verdacht der Republikflucht von der Militärabteilung der Stasi verhaftet worden war. "Da ich zu diesem Zeitpunkt Militärangehöriger war, stand zudem der Vorwurf im Raum, Fahnenflucht zu begehen." Nach längeren Verhören bei der Stasi habe er zwei Optionen gehabt. Er werde der Militärstaatsanwaltschaft in Neubrandenburg überstellt "mit der Aussicht auf eine mehrjährige Haftstrafe im Militärgefängnis Schwedt oder ich nehme das Angebot der beiden Vernehmungsoffiziere an und erkläre meine Bereitschaft, eine "Wiedergutmachung" zu leisten." Er habe die zweite Option gewählt, "um mich der akuten Zwangssituation zu entziehen".

Die Redaktionsspitze der "Berliner Zeitung" erklärte, sie werde sich "sachlich und angemessen" mit der Situation auseinandersetzen. "Wir stehen für unabhängigen Journalismus und werden wie bereits in der Vergangenheit unseren Beitrag zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte leisten." In den 1990er Jahren wurde bei der "Berliner Zeitung", die es schon zu DDR-Zeiten gegeben hatte, die Stasi-Vergangenheit von Mitgliedern in der Redaktion durchleuchtet.

Jubelbericht über Firma, an der Friedrich beteiligt ist?

In einer weiteren Erklärung äußerte sich die Redaktion online zu einem aktuellen "Spiegel"-Bericht. Darin greift das Magazin einen Artikel der "Berliner Zeitung" über ein ostdeutsches Biotech-Unternehmen auf. Unter Berufung auf die US-Börsenaufsicht schreibt der "Spiegel", dass Friedrich im Juni Aktien an diesem Unternehmen gehalten habe und dort Aufsichtsratsmitglied sei. Von der Redaktion der "Berliner Zeitung" hieß es dazu: "Die Redaktion der "Berliner Zeitung" recherchiert diesen Sachverhalt und wird zu gegebener Zeit eine Stellungnahme abgeben". Laut "Spiegel" ließ Friedrich über einen Medienanwalt mitteilen, dass er "gegenwärtig keine Veranlassung" sehe, "sich zu geschäftlichen Interna zu äußern".

Auch der Herausgeber des Blattes und Vorsitzende der Geschäftsführung des Berliner Verlages, Michael Maier, meldete sich zum Stasi-Bericht zu Wort und erklärte in eigener Sache (online): "Wir haben die Auffassung vertreten, dass Redaktionsmitglieder mit einer Stasi-Akte nicht in einer freiheitlich-liberalen Zeitung als schreibende Redakteure tätig sein können".

Mit Blick auf den WamS-Artikel ergänzte er, dass der Neuanfang immer noch nicht abgeschlossen sei. Für die "Berliner Zeitung" sei in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass die Integrität der Berichterstattung das höchste Gut ist. Dazu gehöre ein Höchstmaß an Distanz zu nicht journalistischen Interessen in der Berichterstattung und ein hohes Maß an Transparenz. "Die Veröffentlichung der verstörenden Geschichte des Holger Friedrich ist aus unserer Sicht ein Beitrag zu dieser Transparenz." (dpa)