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Besier verlässt die Linkspartei

Nach seinem Scheitern auf dem Parteitag kritisiert der Ex-Vorzeige-Linke mangelndes intellektuelles und sprachliches Niveau sowie die Alternative „Hartz IV oder Diäten“ bei vielen Fraktionsmitgliedern.

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Von Annette Binninger

Dresden. Mehrmals hatte es Gerhard Besier am Sonnabend versucht, doch noch einen aussichtsreichen Listenplatz für die Landtagswahl Ende August zu ergattern. Erfolglos – damit wird der 66-jährige Dresdner Historiker nach nur einer Legislaturperiode definitiv nicht mehr dem nächsten Landtag angehören. Seine Konsequenzen zog Besier bereits wenige Stunden später: Sonntagnacht noch teilte er dem Landesverband seinen Parteiaustritt mit – mit sofortiger Wirkung.

Besier fühlt sich getäuscht. Er sei doch „von allen bestärkt worden“, noch einmal anzutreten. „Jetzt habe ich hintenherum die Quittung erhalten“, ärgert sich Besier. Bis zur Landttagswahl Ende August will er nun als Parteiloser in der Linksfraktion weiterarbeiten.

Dabei war Besier erst vor fast auf den Tag genau fünf Jahren in die Linkspartei eingetreten. Damals galt sein Antritt als Überraschungs-Coup der Linken. Besier wurde als „Vorzeige-Intellektueller“ gefeiert – zumal er damals eher als unionsnah betrachtet wurde. Der damalige CDU-Wissenschaftsminister und heutige Landtagspräsident Matthias Rößler hatte Besier 2003 als Direktor des Hannah-Arendt-Instituts nach Dresden geholt.

Heute nun stellt Besier „eine gewisse Anti-Intellektuellen-Bewegung“ fest, die immer mehr in der Linkspartei um sich greife. „Die Fraktion als Ganze ist jetzt schon kaum arbeitsfähig auf einem gewissen gehobenen Niveau“, sagt Besier. „Handwerker, Arbeiter, Lehrer, ja auch Studienabbrecher müssen in einer Fraktion vertreten sein“, das sieht er zwar ein. Sie müsse „Spiegel der Gesellschaft“ sein. Dies sei aber bei der Linkspartei nicht mehr der Fall. „Viele können sich gar nicht richtig verbalisieren – es gibt einen deutlichen Mangel an Qualität.“ Da wäre so ein „gewisser Bodensatz in der Partei“, der sich jetzt emanzipiere, analysiert Besier.

Scharf kritisiert Besier auch die fehlende Unabhängigkeit vieler Genossen. „Leider gibt es zu viele Abgeordnete, die nur die Alternative haben: entweder Hartz IV oder Diäten.“ Dies sei bei etwa 70 Prozent der Landtagskollegen der Fall.

„Ich frage mich, was in dieser Partei eigentlich zählt – es scheint etwas Marxistisches zu zählen: die Treue, die Ergebenheit der Partei gegenüber“, lautet Besiers bitteres Fazit. Seine „erschütternden Erfahrungen“, wie er es zusammenfasst, will er übrigens in ein Buch einfließen lassen, an dem er gerade arbeitet. Das Kurzzeit-Experiment Politik will er damit für sich beenden. Endgültig.