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Beste Aussichten fürs Modehaus Jäger

Gudrun und Rolf Jäger übergeben ihr Traditionsgeschäft in Bischofswerda. Es bleibt in der Familie.

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© Steffen Unger

Von Gabriele Naß

Bischofswerda. Eine der guten Nachrichten zu Jahresbeginn aus Bischofswerda kommt vom Modehaus Jäger am Markt. Denn was sich angedeutet hatte, wird nun wahr: Gudrun und Rolf Jäger können ihr Traditionsgeschäft an Sohn Thomas übergehen. Er wird aber nicht im Laden stehen, sondern seine Frau Manuela. Die Schwiegertochter ist das neue Gesicht im Modehaus und Jägers Lieblingsbesetzung. Über eine andere haben sie im Zusammenhang mit ihrer Nachfolge nicht nachgedacht. Mussten sie auch nicht.

Manuela Jäger kam in die Familie, als sie Jägers Sohn kennenlernte und heiratete. Damals, vor etwa zehn Jahren, hatten Gudrun und Rolf Jäger noch nicht im Blick, was wird, wenn sie mal aufhören. Sie waren gesund, es machte Spaß. Die Schwiegertochter hatte andere berufliche Wege eingeschlagen. In der DDR war sie zunächst Facharbeiter für Milchwirtschaft geworden. Nach der Wende kam eine Lehre als Restaurantfachfrau dazu. In beiden Berufen arbeitete sie, später auch in Büros. Und sie bekam zwei Kinder, die jetzt 25 und 18 Jahre alt sind. Ein kleiner Nachzügler gesellte sich dann noch dazu, er kam letztes Jahr zur Schule.

Ins kalte Wasser geworfen

Anfang 2015 musste sich Manuela Jäger beruflich erneut neu orientieren. Diesmal, sagt sie, habe es sich angeboten, es im Modehaus an der Seite der Schwiegermutter zu probieren. Wie beide Frauen jetzt sagen, passte es von Anfang an. „Mode ist mein Ding. Mir macht es Spaß, Kunden einzukleiden“, sagt die 45-Jährige. Was keiner ahnen konnte, als Manuela Jäger probeweise ins Geschäft kam: Schon ein halbes Jahr später sollte viel Verantwortung auf ihr lasten, denn Gudrun Jäger wurde schwer krank. Ein Jahr konnte sie deswegen nicht arbeiten. „Damals haben wir unsere Schwiegertochter ins kalte Wasser geworfen. Wir konnten ja nicht schließen. Die Ware musste raus, damit sie nicht unmodern wird. Außerdem hätte der Umsatz gefehlt“, sagt Gudrun Jäger. Wie sie jetzt wissen, haben Jägers ihrer Schwiegertochter zurecht vertraut.

Gudrun Jäger sieht, dass die vielen Stammkunden aus Bischofswerda und einer Region bis Dresden die Neue im Laden angenommen haben. Ähnlich hört man es von Kunden. Die offizielle Übergabe am 1. Januar war damit jetzt Formsache. Auch die Kollektionen laufen wie gewohnt. Manuela Jäger ordert schon seit Längerem die Ware und vertraut dabei auf die Erfahrungen ihrer Schwiegermutter. Es sei wichtig, sagt sie, die Interessen der Stammkunden zu pflegen und dafür auf bewährte Qualitäts-Marken zu setzen. Zu Preisen, mit denen der Kunde rechnet und die er gern zahlt.

Für „billig“ waren die Jägers nie. „Und wenn ich doch mal nicht widerstehen konnte, habe ich mich hinterher geärgert“, sagt Gudrun Jäger. Zehn-Euro-T-Shirts aber würden nun mal nicht zum sonstigen Angebot passen. Entsprechend seien auch die Reaktionen der Kunden ausgefallen. Mode für die ganz Jungen hatte das Modehaus ebenso nie und wird es auch in Zukunft nicht haben. Das Feld überlasse man anderen, um Qualität bei dem zu garantieren, wofür man seit Jahrzehnten steht, sagen Manuela und Gudrun Jäger. Hochwertige Schuhe ins Sortiment aufzunehmen – ein Angebot, das im Stadtzentrum Bischofswerda fehlt – komme deswegen ebenso nicht infrage. Manches Neue will Manuela Jäger aber wagen. Sie denkt dabei an die modebewussten Kunden „in meinem Alter“ ganz besonders.

Laden wird etwas umgeräumt

In Ruhe wird Manuela Jäger ihren Laden in den nächsten Wochen etwas umräumen. Schon bald werden die Frühjahrskollektionen erwartet. Sie sollen schön präsentiert werden. Außerdem wird etwas Platz gebraucht für Tischwäsche – ein künftig zusätzliches Angebot. Manuela übernimmt es von „Reste-Jäger“. Dieses Geschäft unweit vom Markt führt Rolf Jäger schon seit DDR-Zeiten. Auch mit 77 Jahren ist er für seine Kunden da. Doch nun will er Ende Januar den Laden aufgeben.

Gudrun und Rolf Jäger ziehen sich nicht ganz zurück. Sie wird weiterhin in ihr Modehaus kommen, drei Stunden nachmittags plant sie dafür ein, um selbst Abwechslung zu haben und die Schwiegertochter abzulösen, die sich dann um ihr Schulkind kümmern kann. Seit der glücklicherweise erfolgten Genesung von Gudrun Jäger arbeiten die beiden Frauen schon so zusammen. Zu erwarten ist, dass es Rolf Jäger auch nicht ganz zu Hause hält und er seine Frau in den Laden zumindest häufig begleiten wird.

Im Laden zu Hause

Dass trotzdem mehr an freier Zeit bleibt, wollen die beiden nutzen und jeden einzelnen Tag genießen. Erst recht seit der Krankheit sei ihr bewusst, wie wichtig es ist, dass man das kann. Jägers haben sich schon neue Fahrräder angeschafft, mit denen sie unterwegs sein wollen. Eine Reise ist gebucht. Außerdem gibt bei Jägers jetzt immer warmes Mittagessen. Seit sie nur noch stundenweise im Laden ist, kocht sie jeden Tag und er kommt heim zum Essen.

Jahrzehntelang standen Gudrun und Rolf Jägers den ganzen Tag im Laden. Viele Jahre arbeiteten sie sechs Tage in der Woche, seit einigen Jahren aus Kostengründen ohne Personal. „Wir waren mehr im Laden als zu Hause und fangen jetzt an, unsere Nachbarn daheim richtig kennenzulernen. Wir freuen uns darauf“, sagt Gudrun Jäger.

Schuldenfrei und mit Stammkundschaft

Über eine halbe Million Euro investierten die Jägers nach der Wende. Die Banken hätten es ihnen am Anfang leicht gemacht. Aber es blieb nicht leicht. Denn die tollen Umsätze aus den 1990er-Jahren brachen später ein. Und sie kommen nie wieder angesichts der Veränderungen im Einkaufsverhalten, sagt Gudrun Jäger. Ihr Geschäft übergebe sie jetzt aber mit gutem Gewissen an die Kinder, weil es jetzt einerseits schuldenfrei ist und andererseits durch die über Jahrzehnte gewachsene Stammkundschaft eine feste Basis hat.

Die Stammkundschaft helfe auch, dass sich die geschwundene Attraktivität des Bischofswerdaer Innenstadthandels weniger auf das eigene Geschäft auswirkt. Wünschenswert sei es dennoch, dass die Vielfalt im Angebot wieder wächst und mehr Menschen einen Grund haben, Bischofswerda als Einkaufsstadt zu besuchen. „Es muss sich für die Kunden lohnen, zu kommen“, sagen die Jägers. Fehlen würde der Innenstadt ihrer Meinung nach vor allem ein guter Schuhladen, wie ihn früher Rameils führten. Aber wer soll sich trauen, fragen sie sich?