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Betrunken beim Bürgermeister

Ein verwahrloster Mann sitzt seit Wochen im Büro des Bautzener Stadtoberhauptes. Um einen Hilfsbedürftigen handelt es sich aber nicht.

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© dpa

Von Marleen Hollenbach

Das Hemd hat Löcher, die Schuhe sind abgetragen. Dem Mann, der seit Wochen im Büro des Bautzener Oberbürgermeisters sitzt, scheint es wirklich nicht besonders gut zu gehen. Die Augen hat er geschlossen, die Weinflasche gleich griffbereit. Verwahrlost sieht er aus. Doch obwohl Alexander Ahrens (SPD) täglich an ihm vorbeigeht, hilft er dem Mann nicht.

Das kann er allerdings auch nicht, denn der Betrunkene ist kein echter Mensch, sondern eine Plastik. Der eigenartige Büroschmuck des Oberbürgermeisters hat schon für reichlich Diskussionen in der Stadt gesorgt. „Einige Gäste erschrecken, wenn sie die Figur unvorbereitet sehen“, gibt Alexander Ahrens offen zu. Er erklärt aber auch, dass viele seiner Gäste Gefallen an dem neuen Kunstwerk finden. Vor allem Kinder und Jugendliche würden sich über die Skulptur freuen, sie spannend finden. „Meine Jüngste hat erst einmal die Nase und die Ohren untersucht, ob man darin auch rumbohren könnte“, erklärt der OB.

Doch warum hat sich der Oberbürgermeister ausgerechnet einen betrunkenen Mann als Büro-Deko ausgesucht? Die Figur, so meint Ahrens, habe einen selbstironischen Aspekt. Bis zu ihrem Tod habe seine Mutter ihm immer wieder prophezeit, dass er in der Gosse enden werde. „Meine Offenheit für Neues hat sie stets als Sprunghaftigkeit abgetan, die nur ins Verderben führen könne“, erklärt Ahrens.

Für Bautzens Stadtoberhaupt hat die Figur noch eine zweite Bedeutung. Sie erinnert ihn immer ein wenig daran, dass das Leben auch ohne eigenes Verschulden schiefgehen kann. „Eben dann, wenn man an den passenden Stellen nicht auch mal Glück hat.“ Es sei eben leider nicht jeder seines Glückes Schmied. Die Skulptur stehe so gesehen für die Botschaft, das Leben, das man hat, schätzen zu lernen.

Die Plastik hat Alexander Ahrens nicht einfach so bekommen. Er hat sie selbst in Auftrag gegeben. Gefertigt wurde sie von Sandro Porcu, einem Künstler, der in Italien geboren ist, aber seit 2011 in Kischau lebt und arbeitet. Er liebt das provokante Spiel mit dem Zeitgeist. Die Hauptakteure seiner Kunst sind meist maßstabsgetreue Figuren, die in alltäglichen Straßenszenen dargestellt sind.