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Sollen Kinder in ihren Sommerferien nur faul abhängen?

Schüler müssen auch einfach einmal nichts tun dürfen. Doch das schließt ein sinnvolles Arbeitsprogramm nicht aus.

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Sommer! Sonne! Freiheit! In Sachsen haben die Sommerferien begonnen.
Sommer! Sonne! Freiheit! In Sachsen haben die Sommerferien begonnen. © dpa/Ronny Hartmann

Schulalltag ade! In Sachsen haben die Sommerferien begonnen. Die meisten Kinder und Jugendlichen freuen sich unbändig auf die kommenden sechs freien Wochen. Wobei sich in vielen Familien die Frage stellt: Soll der Nachwuchs all die Zeit tatsächlich dem süßen Nichtstun frönen – oder vielleicht doch zwischendurch die ein oder andere Lektion für die Schule lernen?

Für den Berliner Diplom-Psychologen Klaus Seifried ist klar: „Kinder und Jugendliche brauchen mal eine Pause, sowohl vom Schulalltag als auch vom Lernen.“ Das gelte vor allem dann, wenn sie sich während des Schuljahres anstrengen, um das Lernpensum zu bewältigen. Aber auch Kinder und Jugendliche, die in der Schule weniger fleißig bei der Sache sind und deswegen schlechte Zeugnisnoten haben, benötigten in den Ferien Abstand und sollten keinesfalls die kompletten Ferien mit Lernen verbringen.

Daneben gibt es Schülerinnen und Schüler, die sich anstrengen und trotzdem schlechte Noten haben: Auch sie brauchen eine Pause in Form von Ferien. „Und gegebenenfalls eine professionelle Beratung, um herauszufinden, warum die Leistungen schlecht sind“, so Seifried.

Steht eine Nachprüfung an oder sind in einem Schulfach die Leistungen zwar nicht mangelhaft, aber grenzwertig, sollten Eltern mit ihrem Nachwuchs eine Art Arbeitsprogramm für die Ferien festlegen, rät Seifried. „Dabei kann beispielsweise die erste Woche frei sein, und der Schüler oder die Schülerin nutzt diese Zeit für eigene Vorlieben“, erklärt der Diplom-Psychologe. Danach könnte dann pro Tag eine halbe Stunde Lernen für das Schulfach auf dem Programm stehen, in dem es Defizite gibt. Am Wochenende, also samstags und sonntags, ist frei. An diesen beiden Tagen entfällt die 30-minütige Lerneinheit. „Beide Seiten, also Eltern auf der einen und ihr Kind auf der anderen Seite, sollten klare Absprachen bezüglich des Lernens in den Ferien treffen“, rät Seifried.

Um einen echten Erholungseffekt zu erzielen und zugleich die eigene Persönlichkeit zu formen, kommt es aber auch darauf an, dass Schülerinnen und Schüler ihre Freizeit in den Ferien aktiv gestalten. „Einfach nur abhängen und so Zeit mit Gammeln vertrödeln, bringt nichts“, betont Seifried. Als Ausgleich zum Lernen biete sich etwa Sport an oder Musik machen, künstlerische Projekte, handwerklich arbeiten oder im Garten das eigene Beet bearbeiten. Und es muss nicht zwingend immer Pauken im klassischen Sinne sein, also am Schreibtisch sitzen und büffeln. „Kinder und Jugendliche können sich in den Ferien auch spielerisch Wissen und Fähigkeiten aneignen“, sagt Dorothea Jung von der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung in Fürth.

Außerschulische Angebote nutzen

In vielen Städten gebe es in den Ferien außerschulische Lernangebote – etwa in einem Museum, auf einem Bauernhof oder im Zoo. Auch Schülerforschungszentren oder Ferienakademien bieten häufig spannende Ferienangebote, wo es beispielsweise um die Sprache der Computer, Roboter aus Lego oder Chemie-Experimente geht.

Statt Vokabeln am Schreibtisch zu pauken, ist es oft besser, wenn Schulkinder einen Aufenthalt in einem englisch- oder französischsprachigen Land planen. „Im Gastland haben sie dann die Möglichkeit, ihre Fremdsprachenkenntnisse in Alltagssituationen eher spielerisch zu verbessern“, erklärt Jung. Wer nicht das Geld für einen Auslandsaufenthalt hat, kann eine Fremdsprache auch auf andere Weise im Alltag üben. „Zum Beispiel Eltern und Kinder unterhalten sich abends am Essenstisch etwa auf Englisch“, so Jung. Oder Eltern lesen ihrem Nachwuchs etwas auf Englisch vor und anschließend tauschen sich beide Seiten über den Inhalt aus.

Und wenn Kindern und Jugendlichen schlicht die Motivation fehlt, um sich in den Ferien Wissen und Fähigkeiten anzueignen? „Dann sind die Eltern am Zuge“, sagt Seifried. Die Eltern sollten in dem Fall mit ihren Kindern besprechen, welche Ziele sie eigentlich haben und wie sie diese Ziele erreichen wollen. (dpa)

Streit ums Lernen in den Ferien

  • Laut einer Forsa-Umfrage sind 52 Prozent der Eltern der Meinung, dass ihre Kinder in den Ferien nichts für die Schule lernen sollten. 47 Prozent denken, dass sie sich zumindest ein wenig mit Schulstoff beschäftigen sollten.
  • In jeder vierten Familie gibt es Streit darüber. In rund jeder zweiten Familie (53 Prozent) dürfen die Kinder selbst entscheiden, ob sie sich während der langen Auszeit mit Schulstoff beschäftigen.
  • Tendenziell etwas gelassener sind Eltern mit Abitur oder Hochschulabschluss: 57 Prozent von ihnen finden, dass Kinder in den Ferien nichts für die Schule tun sollten. Unter den Eltern mit Haupt- oder Realschulabschluss sehen das 44 Prozent so. Das liegt daran, dass ein Großteil der Eltern (72 Prozent) glauben, dass ihre Kinder sonst zu viel Stoff vergessen würden. Unter denjenigen, die sich für lernfreie Ferien aussprechen, vermuten nur 28 Prozent, dass durch die lange Pause Gelerntes aus dem Vorjahr verloren geht.
  • Für die Umfrage wurden im Auftrag von Studienkreis 1.002 Eltern befragt. (dpa)