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Lieber Dächer decken als im Hörsaal hocken

Mit dem Abi in der Tasche muss man ja wohl studieren, oder? Man muss nicht. Und trotzdem kann man hoch hinaus wollen.

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Theorie oder Praxis? Maxim Zeiner hat sich nach dem Abitur für Letzteres entschieden. Ein späteres Studium schließt der Dachdecker-Azubi trotzdem nicht aus.
Theorie oder Praxis? Maxim Zeiner hat sich nach dem Abitur für Letzteres entschieden. Ein späteres Studium schließt der Dachdecker-Azubi trotzdem nicht aus. © Foto: Thorsten Eckert

Ein Haus braucht ein Dach, sonst wäre es nur ein Stück Boden mit einem Geviert aus Wänden. Und da sich so ein Dach nicht von allein baut, gibt es den Beruf des Dachdeckers. Ein Broterwerb, der nichts für zarte Gemüter ist: Wer Dachdecker wird, weiß, dass sein Job fast immer unter freiem Himmel stattfindet – auch bei sengender Sonne, bei Nieselregen und kaltem Wind.

Der Beruf erfordert also eine gewisse Einstellung, dazu handwerkliche Begabung, eine robuste körperliche Konstitution und natürlich Schwindelfreiheit. Abitur braucht man für die Dachdeckerausbildung nicht unbedingt. Was nicht bedeutet, dass man mit der Hochschulzulassungsberechtigung in der Tasche nicht trotzdem anderen Leuten beruflich aufs Dach steigen kann. So wie Maxim Zeiner es seit September 2020 bei der Radebeuler Dachdecker GmbH tut. Der 19-Jährige sieht die Eigenheiten seines Gewerks, die mancher vielleicht als unangenehm empfinden würde, als Vorteil: „Ich sehe meinen Arbeitsplatz als etwas Besonderes. Ich bin an der frischen Luft und habe den besten Blick über die Stadt. Der Job ist abwechslungsreich und einzigartig, und da ich nicht so der Stubenhocker-Typ bin, für mich perfekt.“ Und er liegt in seinem Fall in der Familie. Schon der Großvater und der Vater von Maxim Zeiner waren Dachdecker mit Meisterabschluss, weshalb er die Branche schon seit seiner Kindheit aus der Innenperspektive kennt.

Familientradition war aber nicht ausschlaggebend für die Entscheidung gegen die Hochschulausbildung. „Ich habe in dieser Hinsicht nie familiären Zwang gespürt. Irgendwie wusste ich aber schon immer, dass ich das mal machen werde“, sagt Maxim Zeiner. „Trotzdem habe ich andere Wege nie ausgeschlossen. Irgendwann habe ich aber entschieden, dass ich nach dem Abitur erstmal nicht studieren möchte. Nach zwölf Jahren Schule wollte ich die Theorie mal hinter mir lassen und in der Praxis Erfahrungen sammeln.“

Außerdem findet der Nachwuchshandwerker, dass sich Berufsausbildung und Studium nicht ausschließen: „Nach meiner Ausbildung stehen mir viele Türen offen, wahrscheinlich sogar mehr als mit nur einem Studium. Wenn man aus der Praxis kommt und weiß, wie Dinge wirklich funktionieren, dann ist das schon ein Unterschied.“ Maxims Umfeld unterstützt seine Entscheidung auf jeden Fall. „Der eine oder andere in der Familie hätte sich schon gewünscht, dass ich studiere. Aber grundsätzlich stehen alle hinter mir. Auch die im Freundeskreis, die einen wirklich gut kennen, würdigen, was ich mache.“

Dass ein Handwerksberuf wie der des Dachdeckers einen sicheren Arbeitsplatz fast schon garantiert, dürfte zu Maxims Entscheidung beigetragen haben. Fachleute, gerade in Bauberufen, werden überall händeringend gesucht. Ein Fakt, der Menschen mit einer soliden Berufsausbildung auch in mittelfristiger Zukunft in eine sehr gute Verhandlungsposition auf dem Arbeitsmarkt bringt. Und: Als Auszubildender verdient man schon ab dem ersten Lehrjahr vergleichsweise gutes Geld, während man als Studierender fast immer von Eltern und BAföG abhängig ist.

Maxim Zeiners nächstes Ziel ist jetzt erstmal die Gesellenprüfung im übernächsten Jahr, anschließend soll der Meisterabschluss folgen. Wenn dann noch die Motivation für ein Studium da ist, warum nicht vom Dach in den Hörsaal wechseln? „Wenn ich nach dem Meister noch studiere, dann auf jeden Fall etwas, das mir auch im Arbeitsleben weiterhilft. Also etwas in Richtung Bauingenieurwesen oder Wirtschaft.“ Für den Moment steht aber erstmal das Zupacken im Ausbildungsbetrieb auf der Tagesordnung. Oder wie Maxim Zeiner es ausdrückt: „Auch mal um 5 Uhr morgens aufstehen müssen und ein wenig den Ernst des Lebens kennenlernen – das schadet sicher nicht der persönlichen Einstellung.“