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„Bis dahin bin ich vielleicht tot“

Ein Meißner soll bei einem Spezialisten therapiert werden. Dafür braucht er einen Ultraschall-Termin. Den bekommt er – in drei Jahren.

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© Claudia Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Meißen. So etwas hat Sigmar Hausmann trotz seiner 64 Jahre noch nicht erlebt. Weil seine Typ-2-Diabetes dem Ruheständler zunehmend zu schaffen macht, er trotz hoher Medikation unter Bluthochdruck leidet, überweist ihn seine Meißner Hausärztin in die Stoffwechselambulanz der Dresdner Uniklinik. Hier soll Hausmann weiterbehandelt, der bei Diabetikern häufig gestörte Fettstoffwechsel ambulant neu eingestellt werden.

Hausmann erhofft sich endlich eine Besserung seiner Beschwerden wie Kurzatmigkeit oder Schmerzen im Bereich des Brustkorbs. Doch die Hoffnung zerschlägt sich schnell und weicht Ernüchterung. „Die Ärztin in der Spezialambulanz sagte mir, dass sie vor einer Behandlung erst ein Ultraschall meiner Hals- und Beingefäße gemacht werden muss“, erklärt der Patient. In der Stoffwechselklinik sei das aber nicht möglich, erklären ihm die Dresdner Spezialisten. Für die Ultraschalluntersuchung legt man Hausmann eine Meißner Internistin im Medizinischen Versorgungszentrum auf der Dresdner Straße nahe.

Also macht sich der ehemalige Mitarbeiter im Flachglaswerk Radeburg mit dem Auto wieder auf den Weg nach Meißen – um schließlich auch hier weitergereicht zu werden. „Eine Ultraschalluntersuchung ist hier nicht möglich“, so die zuständige Ärztin. Hausmann solle sich an den Facharzt für innere Medizin Dirk Hennig ein paar Häuser weiter wenden, so die Auskunft. „Nun dachte ich, ich hätte es endlich gleich geschafft. Ich kam sogar gleich bei meiner ersten Vorstellung dran und habe um einen Ultra-Schall-Termin gebeten“, sagt der Meißner.

Zunächst habe ihm der Doktor einen Termin im Dezember in Aussicht gestellt, dann sogar den 11. November auf ein Blatt Papier geschrieben. „Im ersten Moment dachte ich prima – sind ja nur noch reichlich zwei Monate“, erinnert sich Hausmann.

Drei Jahre warten wegen 20 Minuten

Doch dann schaut er genauer auf den Zettel und erkennt die Jahreszahl 2019. Hausmann glaubt an ein Versehen. „Ich kann doch wohl nicht drei Jahre auf so einen wichtigen Termin warten müssen“, klagt er. „Bis dahin bin ich vielleicht tot.“

Doch sowohl der Arzt als auch die Sprechstundenhilfe machen ihm klar, dass die Zahl so korrekt sei. Der 11.11.2019 also? – das muss ein vorgezogener Faschingsscherz sein, meint man auch in Hausmanns Hausarztpraxis von Dr. Ute von Jagow. Drei Jahre auf einen etwa 20-minütigen Ultraschalltermin warten? Das gebe es doch gar nicht, heißt es von dort. Internist Dr. Hennig ist für die SZ auch nach mehrmaliger Nachfrage nicht zu sprechen. Auch die Bitte um einen Rückruf, um den Sachverhalt aufzuklären, verneint eine Schwester in Hennigs Praxis am Telefon.

Derweil versucht die Hausärztin zumindest, einen Termin für die wichtige Ultraschalluntersuchung der Halsgefäße bei einer weiteren Meißner Ärztin für ihren Patienten zu organisieren.

Zwar müsste Hausmann dafür zwölf Euro zahlen, käme aber Mitte September 2016 schon an die Reihe. „Ich habe daraufhin sofort in der Spezialklinik angerufen, weil ich schon eine Ahnung hatte. Und tatsächlich sagte man mir hier, dass nur der Hals nichts bringe, man brauche Ultraschalls von Hals- und Beingefäßen zusammen“, erzählt Hausmann. Der Schilderung, dass er die dafür nötige Untersuchung in Meißen erst Ende 2019 bekommen soll, glaubt man ihm in Dresden nicht. Auch als die SZ sich hier erkundigt und nachfragt, bezweifelt man die Geschichte, sagt aber zu, sich mit Herrn Hausmann noch einmal in Verbindung zu setzen.

Und tatsächlich – am letzten Freitag habe es ein Telefonat gegeben, sagt Hausmann. Und eine plötzliche Wende: „Man sagte mir erst einmal, dass man gar nicht verstehe, wieso ich mich an die Zeitung gewandt habe und ich das lieber sein lassen sollte, sonst müsse ich Konsequenzen befürchten“, berichtet er konsterniert.

Des Weiterem habe man ihm gesagt, eine Untersuchung der Halsgefäße sei doch nicht so wichtig. „Wenige Tage vorher hatte das noch ganz anders geklungen“, sagt Hausmann. Er solle sich nun gedulden, bis in den nächsten Tagen Post aus Dresden mit weiteren Informationen zu seiner Behandlung bei ihm eintreffe, heißt es am Telefon.

Notfalls, so teilt man ihn außerdem mit, seien Ultraschalluntersuchungen sogar in der Dresdner Praxis möglich. Somit drängt sich der Verdacht auf, dass man Hausmann gar nicht erst nach Meißen hätte zurückschicken müssen. Ungeachtet dieser Ärzte-Posse hofft der Patient nun endlich auf schnelle Hilfe. „Ich möchte vor allem nicht mehr von einem zum nächsten Arzt weitergeschoben werden. Das ist doch wohl nicht zu viel erwartet“, sagt er.