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„Bis morgen, Thomas“

Unister-Gründer Thomas Wagner hat den Vermittlern des Venedig-Deals vertraut. Dem Angeklagten allerdings nicht.

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© Symbolbild: dpa

Ulrich Wolf, Leipzig

Im Falschgeld-Prozess um das einstigen Leipziger Vorzeigeunternehmen Unister sind am vierten Verhandlungstag weitere Details bekannt geworden. Sie offenbaren, wie sehr der nach dem Kreditgeschäft in Venedig tödlich verunglückte Firmengründer Thomas Wagner insbesondere den Vermittlern Karsten Keune, einem ehemaligen Leipziger Banker, und dem ebenfalls bei dem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Finanzmakler Heinz Beck aus Iserlohn vertraut haben muss.

Das geht aus mehreren Mails hervor, die Leipzigs Landgerichtspräsident Norbert Röger als Vorsitzender Richter der Strafkammer vorlas. Die letzte Mail von Wagner an Beck vom 12. Juli 2016 schloss mit den Worten: „Bis morgen, Thomas.“ Sämtliche Nachrichten erhielt auch der Angeklagte Wilfried Schwätter; einen direkten Kontakt zwischen ihm und Wagner gab es jedoch nicht.

Dennoch wirft die Staatsanwaltschaft dem 69-Jährigen schweren Betrug vor. Sie hält es für erwiesen, dass der Kreditvermittler aus dem westfälischen Unna die entscheidende Bezugsperson zum dubiosen Investor Levy Vass war. Dieser angeblich israelische Diamantenhändler hatte dem in finanziellen Nöten steckenden Wagner einen 15-Millionen-Kredit angeboten, für den lediglich 1,5 Millionen Euro Bargeld als Sicherheit geleistet werden sollten. In Venedig sollte Wagner eine erste Rate von gut vier Millionen in bar erhalten, die auf einer Bank vor Ort eingezahlt werden sollten. In dem Koffer befanden sich jedoch nur 20 000 echte Schweizer Franken, der Rest war falsch. Zum Banktermin erschien Vass nicht, er verschwand mit Wagners 1,5 Millionen.

Ein ehemaliger Mitarbeiter aus der Finanzabteilung von Unister sagte aus, Wagner habe ihn in einer „streng vertraulichen“ Mail angewiesen, diese 1,5 Millionen Euro bei der Leipziger Commerzbank zu besorgen, „in größtmöglicher Stückelung“. Die Rechtsabteilung sei informiert, habe Wagner behauptet. Und darum gebeten, die Buchhaltung vorerst nicht zu informieren. „Je weniger Leute das wissen, desto besser“, zitierte der Mitarbeiter den Konzernchef.

Die frühere Sekretärin des Vermittlers Beck berichtete, ihr Ex-Chef sei seit der Insolvenz seiner Firma im Oktober 2015 „finanziell sehr eng“ gewesen. Nach dem Firmen-Aus habe sie aber noch gelegentlich für ihn Schreibarbeiten erledigt. Darunter sei auch die Reinschrift des Kreditvertrags zwischen Wagner und Vass gewesen. Beck habe ihr gegenüber angedeutet, dass er eine neue Firma aufbauen werde, sollte der Deal in Venedig klappen.

Die Lebensgefährtin Wagners betonte vor Gericht, ihr Partner sei skeptisch gewesen. „So kam es ihm seltsam vor, weil das alles in Italien stattfinden sollte.“ Aber er habe insbesondere dem Banker Keune vertraut, der ihm von einem Leipziger Immobilienunternehmer empfohlen worden war. Als Thomas Wagner in Venedig war, habe sie mit ihm telefoniert. Dabei habe er ihr erzählt, dass Beck auf der Rückfahrt zum Flughafen auf die Auszahlung seiner Provision bestanden habe. „Thomas hat deshalb den Koffer geöffnet und so das Falschgeld entdeckt.“

Beck habe dann den in Unna gebliebenen Schwätter kontaktiert. „Lass mich nicht hängen, Willy“, schrieb der via SMS. „Vass hat gefälschte Scheine mitgebracht.“ Schwätter schickte daraufhin eine Kurznachricht an Vass: „Hallo Levy, rufe den Beck an, das gibt richtig Ärger.“ Doch Investor Levy meldete sich nicht mehr. Wagners Lebensgefährtin zufolge beschrieb ihr Partner diesen am Telefon als „gebrochen Deutsch sprechenden, sympathisch wirkenden, mittelalten Herrn“. In einem anderen Betrugsfall wird Vass als 45- bis 50-jähriger Mann mit braun gelockten Haaren geschildert.

Andere sprechen von einem „älteren Herrn mit Halbglatze“. Den Ermittlungen zufolge trat er mit verschiedenen Bärten und Perücken auf. Im Kreditvertrag, den Becks Ex-Sekretärin ins Reine schrieb, ist als Wohnadresse die norditalienische Stadt Varese angegeben. Im Kreditvertrag hingegen, den man am abgestürzten Flugzeug entdeckte, findet sich eine Fantasie-Anschrift in Florenz. Sein Alter gibt Vass in dem Dokument mit 59 an. Aufgrund von DNA und Fingerabdrücken gelang es der italienischen Polizei inzwischen, ihn zu identifizieren. Gefasst ist er allerdings nicht, obwohl die Italiener im Dezember vorigen Jahres im Raum Varese eine Bande Roma verschiedener Nationalitäten festnahm, die mit dergleichen Methode wie bei Wagner in Venedig verzweifelte Geschäftsleute betrogen haben soll. Vass könnte aber auch vom Balkan stammen. Darauf lassen mitgeschnittene Telefonate schließen, die er mit dem angeklagten Schwätter führte. Demnach wollten sich die beiden Ende Juli 2016 in Split oder Zagreb in Kroatien treffen.

Auf dem Rückflug von Venedig nach Leipzig war die gecharterte Maschine über Westslowenien abgestürzt. Wagner starb mit nur 38 Jahren. Mit ihm kamen der Vermittler Beck, ein Vertrauter Wagners und der Pilot ums Leben. Bislang gibt es keine Hinweise auf eine Manipulation des Flugzeugs.

Der Prozess wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt.