Bischofswerda
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Bischofswerda: Gedenken an jüdische Familie

Der SPD-Ortsverein legte an Stolpersteinen in der Bischofstraße Blumen nieder. Die Vorsitzende fordert konsequentes Eintreten gegen Antisemitismus.

Von Miriam Schönbach
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Die Stolpersteine in Bischofswerda stehen für die Schicksale von Samuel, Friderike und Hella Hoffmann. Die schlichten Quader aus Messing und Beton erinnern seit 2015 an die jüdischen Kaufmannsfamilie.
Die Stolpersteine in Bischofswerda stehen für die Schicksale von Samuel, Friderike und Hella Hoffmann. Die schlichten Quader aus Messing und Beton erinnern seit 2015 an die jüdischen Kaufmannsfamilie. © Archivfoto: Steffen Unger

Bischofswerda. Regennass liegen die Stolpersteine für die Familie Hoffmann in der Bischofstraße. Weiße Rosen sollen an das Schicksal der jüdischen Familie in Bischofswerda erinnern. Anlässlich des Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus hat der SPD-Ortsverein Bischofswerda und Umgebung die Blumen niedergelegt, um so an die einstigen Mitbürger der Stadt zu erinnern. Bei der Veranstaltung am Abend des 27. Januars betonte Anja Hennersdorf, Vorsitzende der SPD Bischofswerda, die Wichtigkeit, Rassismus und Antisemitismus in der Gegenwart entschieden zu widersprechen und an die Verantwortung aller, die Erinnerung wachzuhalten, damit die Forderung ‚Nie Wieder‘ auch ‚Nie Wieder‘ bleibt.

„Hier wohnte Samuel Hoffmann. Jahrgang 1876. Deportiert nach Theresienstadt 1942. Freigekommen am 5. Februar 1945“. Das ist die Inschrift auf einem der drei schlichten Quader aus Messing und Beton im Pflaster, die 2015 direkt vor der Hausnummer 15 verlegt wurden. Dort lebte der Kaufmann mit seiner Ehefrau Friderike und der Tochter Hella. Der gebürtige Bautzener betreibt seit 1910 ein erfolgreiches Textilwarengeschäft an der Dresdner Straße 3 in Bischofswerda, bis die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kommen. Die Tochter, liiert mit einem später führenden Parteifunktionär aus Kamenz, emigriert sofort nach Brasilien. Ihre Eltern aber bleiben in ihrer Heimatstadt.

Organisierte Schlägertruppe in der Reichspogromnacht

Für die Hoffmanns beginnt das Martyrium. Der landesweite Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte, Warenhäuser, Banken, Arztpraxen, Rechtsanwalts- und Notarkanzleien am 1. April 1933 ist der erste Schritt auf dem Weg zum Holocaust, an dessen Ende der Völkermord an mehr als sechs Millionen Juden steht. Mit der Verabschiedung der Nürnberger Rassengesetze verlieren die Ausgegrenzten weitere Rechte, ihr Eigentum und ihre Würde. Parallel nimmt die Hetze und Propaganda gegen die jüdischen Mitbewohner Fahrt auf.

Am 7. März 1938 finden allein im Landkreis Bautzen 50 Versammlungen statt, wo Zuhörer gegen die „jüdischen Weltpest“ eingeschworen werden. Gut 1.000 Zuhörer kommen zur Rede des sächsischen Wirtschaftsministers und SS-Mannes Georg Lenk nach Neukirch an diesem Abend.

Über Stunden beschimpft und bespuckt

Nur einen Monat später wird die „Verordnung über die Anmeldung des Vermögens der Juden“ erlassen. In der Nacht vom 9. zum 10. November stecken organisierte Schlägertrupps Synagogen an, verwüsten Geschäfte und Wohnungen. Im benachbarten Bautzen treiben zum Beispiel Mitglieder der SA unter dem Beifall der einstigen Nachbarn die jüdischen Familien über Stunden durch die Stadt. Sie beschimpfen und bespucken sie. Auf dem Kornmarkt müssen sie Turnübungen vorführen und antisemitische Parolen brüllen.

Aufgerüttelt durch die Reichspogromnacht versuchen nun noch einige jüdische Oberlausitzer zu emigrieren, doch vielen fehlt das Geld für die Flucht. Am 20. Januar 1942 wird bei der Wannseekonferenz die „Endlösung der Judenfrage" besprochen.

Samuel und Friderike Hoffmann werden vermutlich am 28. Juli 1942 über Dresden in das Ghetto Theresienstadt gebracht, schreibt Hagen Schulz in der Jahresschrift des Museums Bautzen aus dem Jahr 2010 zum Thema „Ausgrenzung, Entrechtung und Vernichtung – Bautzener Juden im Zeichen des Hakenkreuzes“. Dem Band liegt auch eine stichwortartige Dokumentation über 142 Personen aus Bautzen und der Region und ihr Schicksal bei. Nach seinen Forschungen wurde Samuel Hoffmann mit Hilfe der New Yorker Hilfsorganisation Vaad Hatzalah und des Internationalen Roten Kreuzes Anfang Februar 1945 aus dem Lager in die Schweiz in Sicherheit gebracht.

Nicht nur an Gedenktagen Gesicht zeigen

Auch seine Frau soll auf dieser Liste gestanden haben. Ihr Schicksal bleibt wohl im Dunklen, Heimatforscher nehmen an, dass sie in Theresienstadt starb. Samuel Hoffmann kommt nach dem Krieg schwer gezeichnet vom Ghetto und mit Narben vom Schlag eines Gewehrkolbens zurück nach Bischofswerda und siedelt 1947 nach Dresden um. Dort stirbt der Textilhändler am 17. Februar 1952.

SPD-Ortsverbandsvorsitzende Anja Hennersdorf mahnte angesichts dieser Biografie, nicht nur an Gedenktagen Gesicht zu zeigen. „Der Kampf gegen Antisemitismus ist eine stete Aufgabe“, sagt sie. Am Gedenken nahmen auch Bischofswerda Oberbürgermeister Holm Große und der Pfarrer der evangelisch-lutherischen Christuskirchgemeinde, Joachim Rasch, teil.

Quellen: Jahresschrift Museum Bautzen, „Ausgrenzung, Entrechtung und Vernichtung – Bautzener Juden im Zeichen des Hakenkreuzes“, Lusatia Verlag, 2012; Juden in der Oberlausitz, Lusatia Verlag 1998