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Hitze-Stress für Rammenaus Schlosspark-Bäume

Die anhaltende Trockenheit bringt die teils zweihundertjährigen Giganten in Wassernot. Um sie zu schützen, braucht es auch die Hilfe der Parkbesucher.

Von Miriam Schönbach
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Garten- und Landschaftsarchitekt Tilman Gebhardt sorgt sich um die Gehölze im Schlosspark in Rammenau. Durch Hitze und Trockenheit stehen die Bäume und Anpflanzungen besonders unter Stress.
Garten- und Landschaftsarchitekt Tilman Gebhardt sorgt sich um die Gehölze im Schlosspark in Rammenau. Durch Hitze und Trockenheit stehen die Bäume und Anpflanzungen besonders unter Stress. © Steffen Unger

Rammenau. Rotweißes Flatterband begrenzt den Arbeitsplatz von Markus Kopsch und seinem Team. Ein paar Seile liegen am Boden, die Sägen stecken in einem Handwagen. Auf dem Boden des abgesteckten Areals im Landschaftspark am Barockschloss Rammenau stapeln sich bereits abgeschnittene trockene Äste von Eiche und Buche. Zu einem solchen Patienten wandert nun der Blick des Baumpflegers.

Am Fuß der wohl knapp 200-Jährigen quillt morsches Holz durch Pilzbefall heraus. Vom Nachbarbaum ist nur ein dicker Stumpf geblieben. „Dadurch bekommt der Baum nun mehr Licht, im oberen Teil haben wir Sonnenbrand, die Äste reißen. Aber mit den richtigen Maßnahmen steht diese Buche noch bestimmt 50 Jahre“, sagt der Spezialist.

Ein Haufen abgeschnittener trockener Äste: Hier sind die Baumpfleger am Werke.
Ein Haufen abgeschnittener trockener Äste: Hier sind die Baumpfleger am Werke. © Steffen Unger

Schnitt von 55 Bäumen lautet der Auftrag für die Baumkletterer aus Dresden. Ihrer Arbeit geht eine Begutachtung voraus. Ein Baumkontrolleur legt in Absprache mit Tilman Gebhardt, Gartenbereichsleiter Ostsachsen bei den Staatlichen Schlössern, Burgen und Gärten im Freistaat, die Maßnahmen fest.

Der Garten- und Landschaftsarchitekt ist an diesem Nachmittag auch im Schlosspark. „Durch Hitze und Trockenheit stehen die Gehölze auch in diesem Jahr wieder extrem unter Stress“, sagt der Experte. Auf dem gut zwölf Hektar großen Areal stehen rund 1.300 Bäume, davon etwa 900 im eigentlichen Park und 400 im Randbereich.

Bäume kollabieren durch Trockenheit

Die Buche mit dem riesigen Pilz am Stamm ist nur einer von mehreren Rammenauer „Intensiv-Patienten“ für Tilman Gebhardt. Überhaupt nutzt er viele medizinische Begriffe: Bäume können Embolien bekommen, wenn sich in Trockenzeiten Gasblasen in den Leitungen des Stammes bilden, der Wasserhaushalt der Bäume kann kollabieren.

Und auch die drei blauen Punkte am Stamm von Kopschs Arbeitsplatz erinnern an medizinische Untersuchungen. Mit einer Schalltomographie wurde diesem Baum bereits unter die Haut geschaut. Mithilfe dieser Technik lässt sich unter anderem feststellen, ob das Innere des Stammes hohl oder faul ist.

Die Baumkletterer machen sich für den Aufstieg bereit, Tilman Gebhardt geht währenddessen durch den Park. Die Rhododendren lassen die Blätter hängen, die Linden zeigen im Grün trockenes Laub. Es reicht ein Blick, um zu wissen, dass hier schon seit Wochen der Regen fehlt. „Das Wasser ist ein limitierender Faktor, wir müssen aber auch den Boden im Blick behalten. Dort steckt die Wurzel. Sie ist überlebenswichtig für den Baum“, sagt der Experte, der auch für die Parks in Stolpen, Pillnitz, Großsedlitz und Weesenstein zuständig ist.

Bedroht der Klimawandel das kulturelle Erbe?

Die dürstenden Gehölze finden sich indes allerorts. Die aktuelle Hochsommer-Phase ist vergleichbar mit der Situation in den Trockenjahren 2018 und 2019. „Die Bäume prägen das Bild unserer historischen Garten- und Parkanlagen“, sagt Tilman Gebhardt. Es sei zu befürchten, dass durch den Klimawandel ein Teil des kulturellen Erbes verloren gehen könnte.

Die Rammenauer Anlage geht zurück auf Ernst Ferdinand von Knoch, der 1721 mit dem Neubau von Schloss und Garten begann. Die späteren Besitzer Friedrich von Kleist und Johann Centurius Graf von Hoffmannsegg wandeln ungefähr ab 1800 den ursprünglichen Barockgarten in eine landschaftliche Parkanlage um.

Mit Wasser gespeist wird der Park unter anderem von alters her aus einer Quellfassung in Oberrammenau. Doch selbstverständlich hängt heute nicht nur die Versorgung des Schlossparks an dieser Wasserader. „Dazu kommt, dass wir natürlich auch einen Park nicht flächendeckend gießen können“, sagt der Garten- und Landschaftsarchitekt. Doch was kann helfen?

Buchen bekommen Sonnenbrand

Wieder bleibt Tilman Gebhardt vor einer Buche stehen. Auch dieser Gigant ist ein „Intensiv-Patient“. Ein Pilzbefall an der Wurzel gibt den Blick in die Erde frei, an einem trockenen Ast wohnt der Specht gleich in mehreren Höhlen. Auch das ist ein Zeichen, dass es dem Baum nicht gut geht.

Die Buche ist ein klassischer Parkbaum. Dieser Rammenauer Gigant kämpft mit Pilzbefall, Spechthöhlen und Sonnenbrand.
Die Buche ist ein klassischer Parkbaum. Dieser Rammenauer Gigant kämpft mit Pilzbefall, Spechthöhlen und Sonnenbrand. © Steffen Unger

Bewusst bleibt der Sachverständige zu dem Schattenspender mit der ausladenden Krone auf Abstand, denn je mehr man im Wurzelbereich herumtritt, desto stärker verdichtet sich der Boden und die Wurzeln können schlechter Wasser aufnehmen. Dadurch stirbt die Krone ab – so ist die dünne Rinde der Buche der Sonne ausgesetzt. Dieser Sonnenbrand lässt die „Baumhaut“ reißen, Pilze können eindringen und die Hundertjährigen schwächen. Das Sterben ist so fast unaufhaltsam.

Bei all diesen Herausforderungen heißt die oberste Priorität, die Gartendenkmale zu erhalten – auch mithilfe der Parkbesucher. „Wir mögen es ja auch nicht, wenn man uns auf den Füssen herumtritt“, sagt Tilman Gebhardt und wirbt eben für Abstand und Verständnis für die Giganten in Wassernot.

Alle Fällungen indes müssen mit der Denkmalbehörde abgestimmt werden. Dem gehen aber unzählige Erhaltungsmaßnahmen voraus. „Wie es dem Park geht, zeigt auch, dass wir in diesem Jahr fast doppelt so viele Mittel für solche Baumpflegemaßnahmen bereitstellen müssen“, sagt der Gartenbereichsleiter.

Im Pückler-Park wird zu Alternativen geforscht

Bei nötigen Nachpflanzungen an historisch verbürgten Baumstandorten wird bislang an ursprünglichen Arten festgehalten. Mediterrane Schattenspender werden wohl nicht die Buche ablösen, schließlich müssen neue Arten auch mit Spätfrösten im Frühling und der Trockenheit im Sommer zurrechtkommen.

Es laufen aber Forschungen zu Alternativen, wie im Pückler-Park in Bad Muskau. Im dazugehörigen Bergpark wurden auf 22 Versuchsflächen 8.000 Baum- und Gehölzsetzlinge an windigen, schattigen und sonnenreichen Plätzen angepflanzt, um zu testen, wer mit welchen Bedingungen klarkommt. Darunter sind ungarische Eiche, Flaum- und Traubeneiche, Hopfenbuche und Esskastanie. Die Ergebnisse aus dem Pückler-Reich sind sicher auch für die Zukunft der dürstenden Giganten im Schlosspark Rammenau interessant.