Ärger an der Neukircher Kläranlage

Neukirch/Lausitz. Frank Sutter hat vorgesorgt: ein Rückschlagventil für die Abflussleitung, mehrere Wasserpumpen und ein Notstromaggregat. Denn, wenn es mal etwas mehr Niederschlag gibt und dann noch der Strom ausfällt, muss er seinen Keller vor einer Überflutung retten. "Das Grundproblem ist, dass wir immer mehr Regen kriegen", sagt er im Gespräch mit Sächsische.de. Doch erst ein undichtes Rohr für Schmutzwasser und das zu knapp geplante Klärwerk hätten ihn zu diesem Schritt gezwungen.
Wie es dem langjährigen Betreiber der Neukircher Skiwerkstatt, der direkt an der Wesenitz und nur wenige Meter vom Klärwerk entfernt wohnt, ohne diese Maßnahmen gehen würde, ist rund drei Wochen nach dem jüngsten Hochwasser immer noch deutlich zu erkennen. Nicht zum ersten Mal war die Wiese zwischen seinem Wohnhaus und der Kläranlage da mit einer, wie es Sutter nennt, "braunen Suppe" bedeckt.
Der Kanal, der die Fäkalien aus ganz Neukirch und Umgebung ins Klärwerk leiten soll, sei bei den starken Regenfällen am 17. Juli komplett überlastet gewesen. "Jetzt gab es das vierte Mal Hochwasser. Das ist die eine Sache. Aber auch das vierte Mal Fäkalien", ärgert sich Sutter. Beim Klärwerk, so ist er sich sicher, könnte man durch Umbaumaßnahmen dafür sorgen, dass das nicht wieder passiert.
Kläranlage ist bei Starkregen überlastet
Denn größere Rohre und ein größeres Auffangbecken könnten mehr Wasser aufnehmen, was gerade in Extremfällen etwas bringen würde. Doch es werde nichts unternommen, und die Anwohner seien auf sich alleine gestellt, beklagt Frank Sutter.
Dass die Neukircher Kläranlage bei Starkregen schnell überlastet ist, weiß auch Jörg Kolewe vom zuständigen Zweckverband "Obere Wesenitz". "Es ist unbestritten, dass bei derartigen Starkregen-Ereignissen wesentlich mehr Abwasser am Einhebepumpwerk der Kläranlage in Neukirch ankommt, als dieses mit maximaler Kapazität über die technologisch bedingten Anlagenteile ableiten kann", erklärt er.
In der Schuld sieht er den Zweckverband als Betreiber der Anlage dennoch nicht. Denn die Kläranlage sei fachlich korrekt geplant und errichtet worden und werde nun auch so betrieben. Würde also kein Regenwasser in die Fäkalienleitung eindringen, würde es nicht zu solchen Vorfällen wie bei Frank Sutter kommen.
Leiten Anwohner zusätzliches Wasser ein?
In Neukirch gibt es, wie in den meisten anderen Gemeinden auch, ein sogenanntes Trennsystem. Fäkalien beziehungsweise Schmutzwasser der Haushalte fließen ins Klärwerk, Regenwasser dagegen nicht. Doch einige Anlieger würden unter anderem das Regenwasser von ihren Dachrinnen in den Kanal laufen lassen, was dann ein riesiges Problem darstelle. Das könne man aber "aufspüren und abstellen lassen", ist sich Kolewe sicher.
Was allerdings nicht möglich sei - im Ernstfall zu überprüfen, ob von Anwohnern noch zusätzlich Wasser in den Schmutzwasserkanal geleitet wird, beispielsweise beim Auspumpen von Kellern. Denn das Personal sei "in diesen Momenten gebunden, die Anlagen funktionstüchtig zu halten", sagt Kolewe.
So arbeite man in solchen Situationen in der Kläranlage zum Teil per Handbetrieb und versuche alles, um mehr Flüssigkeit verarbeiten zu können. "Nicht hundertprozentig abgedichtete Schächte und Schachtabdeckungen" würden den Zustand noch verschärfen, ist sich Kolewe sicher.
Zweckverband sieht Bürger selbst in der Pflicht
Zu dem von Sutter geforderten Ausbau der Kläranlage hat Kolewe eine ganz klare Meinung: Das sei an sich ohne Weiteres möglich. "Es bedeutet dann aber auch höhere Kosten aus Abschreibungen, Finanzierung und Bewirtschaftung. Gerade auch Letzteres wird nicht unwesentlich teurer, weil unter anderem häufiger gespült werden muss", betont Kolewe.
Deshalb sieht er die Neukircher selbst in der Pflicht, um etwas gegen übertretende Schmutzwasserkanäle zu unternehmen. "Grundsätzlich können alle Bürger im Entsorgungsgebiet mit ihrem Verhalten dazu beitragen, dass die Anlagen so lange wie möglich den Unwetterereignissen standhalten und funktionieren", sagt Jörg Kolewe.
Dieser Ansicht ist auch Sutter. "Es kommt zu viel Regenwasser in die Fäkalienschleuse, das ist das Problem", sagt er. Und in der Folge landen Fäkalien, Toilettenpapier und Binden dort, wo sie niemand haben will - etwa auf der Wiese. Und von dort fließt alles in Richtung Wesenitz und damit weg von den angrenzenden Häusern.
Das sei zwar für die Wasserqualität keinesfalls erstrebenswert, aber immerhin würden dann von diesem reißenden Abwasser-Strom die Grundstücke verschont bleiben. "Wenn die Wiese gemäht wäre, würde es alles ins Dorf spülen. Das ist schon einmal passiert, und der Ärger war groß", berichtet Sutter. Deshalb werde er die wildwachsenden Pflanzen auf der Wiese erstmal stehen lassen. Zumindest so lange, bis irgendwann mal keine "braune Suppe" mehr aus dem Kanal kommt.