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Wahlforum in Bischofswerda: „Müssen mehr miteinander statt übereinander reden"

Demokratie, Fachkräftemangel, Zukunftspolitik - darüber debattierten in Bischofswerda sechs Direktkandidaten, die zur Landtagswahl antreten. Es dominierte Sachlichkeit, aber nicht ohne Widerspruch.

Von Miriam Schönbach
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Auf dem Podium beim Wahlforum in Bischofswerda (v.l.): Bernd Grüber (CDU), Frank Peschel (AfD), Jana Lübeck (Linke), Susann Kolbe (B 90/Grüne), Laura Stellbrink (SPD) und Matthias Eckstädt (FDP)
Auf dem Podium beim Wahlforum in Bischofswerda (v.l.): Bernd Grüber (CDU), Frank Peschel (AfD), Jana Lübeck (Linke), Susann Kolbe (B 90/Grüne), Laura Stellbrink (SPD) und Matthias Eckstädt (FDP) © Steffen Unger

Bischofswerda. Nach einer dreiviertel Stunde eskaliert die Lage kurz. Einen älteren Mann reizt das Statement zur Brandmauer gegenüber der AfD und deren Verantwortung für die Polarisierung in der Gesellschaft. Seine Worte richtet er an die „drei Damen“ auf dem Podium und meint damit die Kandidatinnen von Bündnis 90/Grünen, SPD und Linke. „Sie sind eine Minderheit! Sie haben Politik nicht verstanden, Demokratie schon gar nicht“, ruft er am Dienstagabend beim Wahlforum im Goethe-Gymnasium in Bischofswerda. In die Antwort der Linken-Kandidatin Jana Lübeck pöbelt er hinein. Zwei Männer vom Sicherheitsschutz drängen in den Raum.

Der aufgebrachte Mann setzt sich wieder. Das gehört zur Demokratie: Unterschiedliche Meinungen aushalten können, zuhören und sich einbringen. Sechs Direktkandidaten, die im Wahlkreis Bautzen 1 zur Landtagswahl antreten, sind auf Einladung der Landeszentrale für politische Bildung zum Wettstreit der Worte nach Bischofswerda gekommen:

  • Bernd Grüber (CDU)
  • Frank Peschel (AfD)
  • Jana Lübeck (Die Linke)
  • Susann Kolba (Bündnis 90/Grüne),
  • Laura Stellbrink (SPD)
  • Matthias Eckstädt (FDP)
Bernd Grüber kandidiert zur Landtagswahl am 1. September 2024 im Wahlkreis Bautzen 1 - wozu neben Bischofswerda weitere 15 Städte und Gemeinden zwischen Großharthau und Sohland/Spree gehören- für die CDU.
Bernd Grüber kandidiert zur Landtagswahl am 1. September 2024 im Wahlkreis Bautzen 1 - wozu neben Bischofswerda weitere 15 Städte und Gemeinden zwischen Großharthau und Sohland/Spree gehören- für die CDU. © Steffen Unger
Frank Peschel, der bereits seit 2019 im Landtag sitzt, will erneut für die AfD ins sächsische Parlament einziehen.
Frank Peschel, der bereits seit 2019 im Landtag sitzt, will erneut für die AfD ins sächsische Parlament einziehen. © Steffen Unger
Jana Lübeck kandidiert für die Linke.
Jana Lübeck kandidiert für die Linke. © Steffen Unger
Susann Kolba geht für Bündnis 90/Die Grünen ins Rennen um das Direktmandat für den Wahlkreis.
Susann Kolba geht für Bündnis 90/Die Grünen ins Rennen um das Direktmandat für den Wahlkreis. © Steffen Unger
Laura Stellbrink möchte für die SPD in den sächsischen Landtag einziehen.
Laura Stellbrink möchte für die SPD in den sächsischen Landtag einziehen. © Steffen Unger
Matthias Eckstädt tritt für die FDP zur Landtagswahl an.
Matthias Eckstädt tritt für die FDP zur Landtagswahl an. © Steffen Unger

Wie können Parteien Vertrauen zurückgewinnen?

Im Mittelpunkt der Diskussion vor gut 100 Gästen stehen drei Komplexe: Demokratie, Migration/Fachkräftemangel und Zukunftspolitik. Roland Löffler, Leiter der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, beginnt mit einer Feststellung: Nur noch zehn Prozent der Befragten des Sachsen-Monitors hätten Vertrauen in Parteien. Wie aber lasse sich dies zurückgewinnen? „Wir müssen mehr miteinander statt übereinander reden, erklären und die Menschen ernst nehmen“, ist das Credo von Bernd Grüber, in das auch Jana Lübeck und Laura Stellbrink einstimmen.

Die Aula im Goethe-Gymnasium in Bischofswerda war zum Wahlforum gut besucht.
Die Aula im Goethe-Gymnasium in Bischofswerda war zum Wahlforum gut besucht. © Steffen Unger

Susann Kolba wirbt darum, mit Fakten Vertrauen wiederherzustellen. Für Matthias Eckstädt kommen viele Parteien zu „oberlehrerhaft“ rüber. Frank Peschel ist sich sicher, dass die AfD noch mehr Zulauf hätte, wenn sie nicht als rechtsextrem stigmatisiert würde. „Wer sich bei uns engagiert, muss Angst haben um seine persönliche Zukunft“, sagt er. Es gelte, „konservative Sachpolitik“ zu machen. Für die Verharmlosung seiner Partei gibt es sachten Applaus aus dem Publikum - und Widerspruch der Mitbewerber und von einem weitaus größeren Teil der Gäste.

Nicht ohne Grund: Zu Beginn der ersten Runde hatte Löffler den sächsischen Verfassungsschutz zitiert, der den Landesverband der AfD als "gesichert rechtsextremistisch" einstuft. Trotzdem - der Liberale Eckstädt sagt, er könne sich eine Zusammenarbeit von AfD und FDP vorstellen, um ein Drittel der Wähler nicht auszuschließen. Damit liegt er nicht auf der Linie des Bundesvorstands seiner Partei.

Vorstellen könne er sich auch ein Kernkraftwerk in seinem Heimatdorf, sagt der Demitz-Thumitzer. Auch für Endlager ließen sich Lösungen finden, Russland forsche an der Verringerung der Menge radioaktiver Abfälle. Die Lösung sehe er aber in den Mikrokraftwerken.

"Das Asylrecht darf nicht angetastet werden"

Für das Podium rückt nun die Innenpolitik in den Blick. CDU-Politiker Bernd Grüber unterstützt die Initiative seines Parteifreundes Ministerpräsident Michael Kretschmer für eine eigene Grenzpolizei in Sachsen. Sie sei notwendig, um illegal Einreisende frühzeitig zu erkennen. „Das Asylrecht darf aber nicht angetastet werden“, sagt Grüber. Kolba spricht sich für eine geordnete Einwanderung und vernünftige Integration aus. Sozialdemokratin Stellbrink will mehr Polizeireviere im ländlichen Raum, um Menschen das Sicherheitsgefühl zurückzubringen.

Für Linken-Politikerin Lübeck sind die neuen Grenzkontrollen wirtschaftsfeindlich, da sich Arbeitspendler aus Polen dadurch in einem einstündigen Stau an der Grenze wiederfinden würden. Eckstädt hält Kontrollen an der EU-Außengrenze für notwendig. Zudem denke er, dass 95 Prozent der Ankommenden arbeiten würden, wenn man sie ließe. Deshalb gelte es, Bürokratie abzuschaffen, auch angesichts des Fachkräftemangels.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit in Ost und West

Denn Fachkräfte aus dem Ausland braucht der Freistaat dringend – und eine Offensive für das freundliche Sachsen. „Aufgrund von Ausländerfeindlichkeit hat gerade ein Kollege die TU Dresden und den Freistaat verlassen“, bringt der promovierte Mathematiker Grüber ein Beispiel. AfD-Politiker Peschel hatte kurz vorher die Frage nach Fremdenfeindlichkeit als „Sachsen-Bashing“ abgetan. Seine Lösungen für den Fachkräftemangel: auf die eigene Jugend setzen und den sächsischen Staatsapparat verkleinern.

Laura Stellbrink will das Bildungssystem stärken und dafür sorgen, dass die Menschen in der Oberlausitz genauso viel Geld im Portemonnaie haben wie in Westdeutschland, um die Abwanderung zu stoppen. Ohne ausländische Fachkräfte werde es zum Beispiel in der Pflege trotzdem nicht gehen. Matthias Eckstädt fordert, Abschlüsse schneller anzuerkennen.

"Leben und arbeiten müssen zusammenpassen"

Beim Thema Zukunft ging es um das Thema Schule und Lehrermangel. Grüber will eine bessere Förderung der Quereinsteiger und Assistenten, die Verwaltungsaufgaben übernehmen. Zudem müsse die Abbrecherquote im Lehramtsstudium gesenkt werden.

Kolba, Lübeck und Stellbrink plädieren für flexiblere Arbeitszeitmodelle. „Leben und arbeiten müssen zusammenpassen“, sagt die Kandidatin der Linken. AfD-Politiker Peschel möchte mehr „Nicht-Sachsen“, die aktuell ihr Lehramtsstudium im Freistaat absolvieren, an die Region binden. Zudem sollen aus seiner Sicht verbeamtete Lehrer in die ländlichen Regionen geschickt werden, um dort den Unterrichtsausfall zu bremsen.