Von Nicole Preuss und Ingolf Reinsch
Bischofswerda. Die Spur zieht sich durch die halbe Stadt. Sie beginnt bereits auf der Neustädter Straße, wo sich selbst ernannte Graffiti-Künstler illegal an Baustellenabsperrungen und Verkehrszeichen verewigt haben. Sie führt weiter über den Bahnhof und an der Polizeikreuzung vorbei, an der Schilder mit den Schriftzügen BFV 08 und Ultras BFV beschmiert wurden. Und sie ist auch vereinzelt in der Innenstadt wahrnehmbar. Immer wieder tauchen die Schriftzüge BFV 08, Ultras BFV oder auch nur das Gründungsjahr des Vereins 1908 an Hauswänden, Schildern und Stromkästen auf.
Schmierereien in Bischofswerda
Der Werbefachmann Holger Scheumann hat darauf schon Mitte November reagiert und den Ultras ungenutzte Werbetafeln zum Besprühen angeboten (SZ berichtete). Doch niemand meldete sich. „Ich hab’ inzwischen mit einigen Fans gesprochen und es bestätigt sich der Verdacht, dass es wohl keine echten Ultras gewesen sind“, sagt er. Der Verein geht sogar noch einen Schritt weiter. Er vermutet, dass man dem BFV 08 und den echten Fans vielleicht sogar mit den Schmierereien in der Stadt gezielt schaden will.
Verein spricht mit Fanclubs
Der Bischofswerdaer Fußballverein 1908 hielt sich bisher in der Sache eher bedeckt. Das registrierten auch einige Fans, die ein Machtwort des Vereins zum Thema vermissten. Es wäre doch sogar möglich, dass der Stadionsprecher die Graffiti vor oder nach einem Spiel anspricht und die Position des Vereins deutlich macht, hieß es.
Der BFV 08 hat das Thema aber nicht unter den Tisch fallen lassen, er hat in der Sache bisher vor allem im Verborgenen gewirkt. „Wir haben uns erst in der vergangenen Wochen mit beiden Fanclubs des Vereins getroffen und unter anderem über dieses Thema gesprochen“, sagt der Geschäftsstellenleiter des Vereins, Fred Wonneberger, der auch für die Fanarbeit zuständig ist. Die Supporters und die Treuen verurteilen die Graffiti genauso wie die meisten Bischofswerdaer Fans. „Sie haben uns versichert, dass die Sprüher nicht aus ihren Reihen kommen“, sagt Fred Wonneberger. „Sie wissen auch nicht, wer die Sprayer sind, sie haben Vermutungen, doch mit Vermutungen sollte man vorsichtig sein.“
In zwei Wellen gesprüht
Die Supporters haben wohl auch unmittelbar nachdem die ersten Graffiti im September auftauchten, eine Erklärung im Internet veröffentlicht. Sie machten darin deutlich, dass niemand aus ihrer Fangruppe mit der Spraydose losgezogen ist. Der Präsident des Fußballvereins, Jürgen Neumann, wird ebenfalls auf SZ-Nachfrage deutlich. „Die Leute, die so etwas machen, sind keine echten Fans“, sagt er. „Wir verurteilen das und sind an einer Bestrafung der Täter interessiert.“
Die Graffiti wurden wohl, Beobachtern zufolge, in zwei Wellen an die Wände gesprüht. Die ersten Schriftzüge tauchten im Frühherbst auf. Die weitaus größere Zahl wurde allerdings Ende Oktober an die Wände, Stromkästen und Schilder gesprüht. Die Graffiti am Bischofswerdaer Bahnhof stammen wohl aus dieser Welle. Es könnte ein Zusammenhang zu dem Spiel gegen den SV Merseburg geben, das Bischofswerda 4:0 für sich entschied. Seitdem sind offensichtlich keine Graffiti mehr dazugekommen.
Die Schäden, die die Sprayer hinterlassen, sind immens. Allein der regionale Energieversorger Enso spricht von rund 20 Verteilerkästen und Umspannstationen im Stadtgebiet, die von sogenannten Fußballfans und anderen besudelt wurden. „Grundsätzlich bringen wir jeden Fall zur Anzeige“, sagt Unternehmenssprecherin Claudia Kuba. Je nach Größe sind pro Objekt zwischen 200 und 1 500 Euro erforderlich, um den Schaden zu beseitigen. „Schmiererein mit einem politischen Hintergrund lassen wir sofort beseitigen. Bei anderen wägen wir ab“, sagt Claudia Kuba. Auch daraus spricht Erfahrung: Eine frisch gereinigte Fläche kann auch Anreiz sein, erneut zu sprühen. Man sieht es nicht nur an den Einrichtungen der Enso. Auch Verteilerkästen von Info-Kabel, städtische Einrichtungen oder auch die Werbetafel am Büro- und Arzthaus an der Zufahrt zur Putzkauer Straße werden regelmäßig besprüht. Allerdings sind Probleme mit Graffiti nicht nur ein Problem in Bischofswerda, sagt Claudia Kuba.
Kaum Anzeigen bei der Polizei
Indes, kaum ein Geschädigter meldet sich bei der Polizei. Im November (Stand vom vergangenen Donnerstag) wurden nur zwei Fälle illegaler Graffitischmierereien aus Bischofswerda angezeigt. Im Oktober gab es deswegen nur eine Anzeige, im September zwei. Im Jahr 2016 wurden der Polizei insgesamt 14 derartige Straftaten aus Bischofswerda gemeldet. „Die Fallzahlen der polizeilichen Kriminalstatistik spiegeln jedoch nur das Anzeigeverhalten der Bürger wieder. Sie können jedoch keine Aussage treffen, wie viele derartige Straftaten tatsächlich geschehen sind“, sagt Polizeisprecher Thomas Knaup.
Sachbeschädigungen zählen zur sogenannten Massenkriminalität. Nach dem Strafgesetzbuch (Paragraf 303) handelt es sich um ein „Antragsdelikt“. Das bedeutet, dass die Polizei in der Regel nur nach Anzeige derartiger Fälle durch die Betroffenen hin aktiv wird und strafrechtliche Ermittlungen einleitet, erläutert Thomas Knaup.
Der BFV 08 will, dass die Sprüher bestraft werden. Er möchte aber auch ein Angebot für die Graffitifreunde unter den BFV-08-Fans schaffen. Im Gespräch sind kostenlose Workshops in der Sporthalle an der Ernst-Thälmann-Straße, die ein Jugendzentrum werden soll. Auf ein Wort