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Blitzen für die Fledermaus

Die Tempo-30-Saison auf der Waldschlößchenbrücke in Dresden beginnt wieder. Das Ordnungsamt hat jetzt Zehntausende zahlende Kunden.

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© imago/Sven Ellger

Von Peter Hilbert

Die Nächte werden wieder wärmer. Damit müssen Kraftfahrer stärker auf den Tacho schauen, wenn sie über die Waldschlößchenbrücke fahren. In der Nacht zum Freitag beginnt die Zeit, in der während der Dunkelheit nur 30 Kilometer pro Stunde gefahren werden darf. Viele Kraftfahrer halten sich daran. Einige jedoch nicht. Seitdem am 27. August 2013, 13.46 Uhr, der erste Raser geblitzt wurde, kamen bisher 64 284 weitere hinzu, teilt die Stadt mit. So konnte sie bisher rund 1,5 Millionen Euro Bußgeld einnehmen.

Wegen der Vorgeschichte ist die Waldschlößchenbrücke zu Deutschlands berühmtester Tempo-30-Zone geworden. Eine Idee der Stadt Dresden war das Aufstellen der Hightechblitzer nicht. Sie fügte sich den Zwängen, die ihr das Oberverwaltungsgericht Bautzen auferlegt hatte. Zwar hob es mit dem Urteil vom 14. November 2007 den Baustopp auf und machte somit den Weg für den Brückenbau frei. In der Brücke sahen die Richter auch keine Gefahr für die Kleine Hufeisennase, genannt Hufi. Doch um sie zu schützen, verpflichtete das Gericht die Stadt zu Nachbesserungen und legte ein Tempolimit fest.

Fachleute gehen davon aus, dass die Fledermäuse das Dresdner Elbtal als Transferroute zwischen den Kolonien in Meißen und Pillnitz nutzen. Sie fliegen zwar im Normalfall eher unter einer Brücke hindurch. Dafür wurden 2012 beiderseits der Brücke autobahnbreite, 350 Meter lange Strauchreihen angelegt. Durch gute Pflege und Bewässerung sind die Sträucher schnell gewachsen und jetzt schon weit über drei Meter hoch.

Hufi noch nicht gesichtet

Falls die Hufeisennasen jedoch in den Verkehr auf der Brücke geraten sollten, könnten sie – beim vorgeschriebenen Tempo 30 – wegen ihrer extrem kurzen Reaktionszeit ausweichen. Die genauen Zeiten für das nächtliche Tempo-30-Limit hängen vom Sonnenauf- beziehungsweise -untergang ab. So gilt die Begrenzung im kommenden Monat von 19 bis 7 Uhr, zwischen Mai und Juli von 20 bis 6 Uhr, im August und September von 19 bis 6 Uhr und im Oktober von 18 bis 7 Uhr.

Gesichtet wurde eine nachtaktive Hufeisennase am Waldschlößchen aber bis heute nicht. Zwar hatte eine Fußgängerin schon ein Foto von einer Fledermaus an der Brücke geschossen. Dabei soll es sich aber nicht um Hufi, sondern um eine Kleine Rauhaut oder eine Zwergfledermaus gehandelt haben. Dennoch gilt das vom Gericht festgelegte Tempolimit.

Anfangs haben einige Dresdner sogar noch mit Absicht aufs Gaspedal getreten. Sie wollten ein Blitzerfoto als Souvenir. Das haben sie jedoch längst. Jetzt übersehen Kraftfahrer offenbar die leuchtenden Tempo-30-Tafeln oder fahren bewusst zu schnell. Franziska Prenzel ist hingegen noch nie in die Blitzerfalle geraten. Die 30-Jährige hat ein besonderes Verhältnis zur Waldschlößchenbrücke. Denn sie war in der Nacht zum 27. August 2013 die Erste, die nach der Freigabe an der Spitze des Auto-Konvois über die neue Elbquerung rollte.

„Das war ein besonderes Erlebnis“, zeigt sich die Medienfachwirtin noch heute begeistert. Jetzt nutzt die Seidnitzerin die Brücke oft. „Es ist eine schöne Abkürzung, wenn ich nach Klotzsche oder zu Freunden in die Neustadt fahre“, erzählt sie. „Das macht mir immer wieder Spaß.“ Die Blitzer kennt Franziska Prenzel genau. „Da bremse ich jedes Mal davor.“ Oftmals gehe das gar nicht anders, da in den Autos vor ihr bereits auf die Bremse getreten wird. Mitunter rollt die junge Frau aber auch auf dem Fahrrad mit ihrer einjährigen Tochter Emilya über die Brücke oder ist dort zu Fuß mit ihrem Mann und dem Kinderwagen unterwegs. „Dann kann ich den Blick zur Altstadt so richtig genießen“, sagt sie.

Über 20 Schwarzradler im Tunnel

Seit der Eröffnung hat der Verkehr auf der Waldschlößchenbrücke stark zugenommen. Im September 2013 rollten täglich nur 24 000 Autos darüber. „Heute hat sich der Verkehr zwischen 36 500 und 37 500 Kraftfahrzeugen in 24 Stunden eingepegelt“, erklärt Straßenbauamtschef Reinhard Koettnitz. Bis zur Sperrung der Albertbrücke im Sommer 2014 waren es erst bis zu 32 000 Fahrzeuge täglich. Auf dieses Limit werde der Verkehr wieder zurückgehen, wenn die Nachbarbrücke im Spätsommer saniert ist. Für 2030 ist eine Zahl von 33 000 Kraftfahrzeugen pro Tag prognostiziert.

Gut genutzt wird die Brücke aber auch von Radlern. Der bisherige Monatsrekord wurde im Juni 2015 mit rund 91 300 erreicht. Allerdings werden auch immer wieder Schwarzradler im für sie gesperrten Waldschlößchentunnel gesichtet. „Anfang März haben wir dort sogar eine Gruppe von 20 bis 30 Radfahrern gesehen“, berichtet Koettnitz. Denn die Röhren werden über Kameras in der Tunnelzentrale überwacht.