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Blüten aus aller Welt

Für die Bergermann Floristik aus Oppach ist Internationalisierung kein Zukunftsprojekt, sondern Alltag. In zwölf Ländern ist man schon aktiv. Doch es sollen noch mehr werden.

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© Ronald Bonß

Von Ines Mallek-Klein

Nature-Parts.com heißt die Internetseite, auf der Floristen und Blumenfreunde Zapfen, Stöcke, Körbe, Zweige, getrocknete Blüten oder Moose finden. Das klingt nach einem internationalen Geschäft und das ist es auch. Der englische Name allerdings, der ist dem Zeitgeist des frühen 21. Jahrhunderts entsprungen. „Damals musste alles in Englisch sein“, sagt Lydia Förster. Die Marketingchefin des Unternehmens kennt dessen Anfänge nur aus Erzählungen und die beginnen fast immer mit der Sebnitzer Kunstblume. Sie ist der Ursprung der Bergermann Floristik, aus ihr heraus wurde in den Nachwendejahren das erste Unternehmen gegründet, das allerdings pleiteging. Doch im Laufe der Zeit war eine beachtliche Kundendatei zusammengekommen und die kauften, gemeinsam mit dem Namen, Uwe und Andreas Bergermann. Das war im Jahre 2000.

Die Bergermann Floristik unterhält aktuell Handelsbeziehungen in zwölf Länder der Welt. Vor allem in Südamerika wäre man gern noch aktiver.
Die Bergermann Floristik unterhält aktuell Handelsbeziehungen in zwölf Länder der Welt. Vor allem in Südamerika wäre man gern noch aktiver. © Grafik/Bergermann Floristik
Das Oppacher Firmengelände erreichen jedes Jahr 80 Containerlieferungen aus aller Welt. Die meisten reisen erst auf dem Schiff und dann auf dem Lkw. So auch die Protea, die aus Südafrika stammt. Es gibt sie naturbelassen, wie im Bild, aber auch gebleicht
Das Oppacher Firmengelände erreichen jedes Jahr 80 Containerlieferungen aus aller Welt. Die meisten reisen erst auf dem Schiff und dann auf dem Lkw. So auch die Protea, die aus Südafrika stammt. Es gibt sie naturbelassen, wie im Bild, aber auch gebleicht © Bergermann Floristik

Seitdem führen Onkel und Neffe das Unternehmen. Zunächst hatten sich die beiden darauf beschränkt, Zwischenhändler zu sein. Sie kauften Zapfen und Naturauflagen bei einem Großhändler und verteilten sie weiter an die Floristen, vorzugsweise in Ostdeutschland. Dann gab es im Großhandel einen immensen Preissprung, den die Zwischenhändler unmöglich an ihre Kunden weitergeben konnten. Die Bergermänner entschieden sich 2008, vom Zwischenhändler zum Importeur zu werden. Ein ganzer Container mit künstlichen Chrysanthemen wurde aus Asien importiert. Die Blume geht heute noch gut, vor allem im Osten, sagt Uwe Bergermann.

„Wir verkaufen, was die Natur hergibt und das ist nicht wenig“, sagt Lydia Förster. Über 3500 Artikel haben die Bergermänner im Angebot und die meisten davon auch noch in verschiedenen Farben, Größen und Lackierungen. Es könnten noch viel mehr sein. Denn vor allem die Vegetation in Südamerika ist mannigfaltig. Leider ist der Transport sehr teuer und so stehen auf der Lieferantenliste bis dato nur die Länder Bulgarien, Türkei, Indien, China, Indonesien, Polen, Italien, Südafrika, Finnland, Litauen, Lettland, Spanien. Besonders eng ist es immer im September und Oktober in dem Oppacher Lager. Dann stapeln sich in der An- und Auslieferungszone die Kartons. Die letzten Monate eines jeden Jahres sind die Hauptabsatzzeit für die Bergermann Floristik GmbH & Co KG. Zum Totengedenken werden Millionen Gestecke auf die Gräber gelegt, und die schmücken nicht selten Zapfen oder kunstvoll gedrehte Zweige und natürlich Moosteile.

Nur zwei Monate Hochsaison, das reicht nicht, um die 25 Mitarbeiter das ganze Jahr zu beschäftigen. Hinzu kommt die Billigkonkurrenz aus den Supermärkten. Also haben die Bergermänner schon früh begonnen, neue Absatzwege zu suchen.

Einer ist das Weihnachtsgeschäft. Lydia Förster geht durch das Hochregallager, bleibt vor einem Karton stehen, der randvoll mit Zapfen ist. Sie nimmt eine Maritima. „Das hier ist ein größeres Modell und damit perfekt geeignet für einen Räucherzapfen.“ In der Mitte des Zapfens befindet sich ein Loch, das als Schornstein dient. Zwei kleinere Löcher regeln die Luftzirkulation. Der Räucherzapfen steht auf einem Fuß aus Lausitzer Granit und hat den Feuertest der Dekra erfolgreich bestanden. Gut 39 Euro muss bezahlen, wer in der Adventszeit das ungewöhnliche Räucherhäusl dampfen lassen möchte. Zu der eigens kreierten Marke „Oppacher Advent“ gehören auch die aufwendigen, in Handarbeit hergestellten Adventskränze. Sie bestehen aus Naturmaterialien. Auf Blüten oder Nadelreisig wird aber bewusst verzichtet. „Sie können den Kranz über viele Jahre verwenden“, sagt Uwe Bergermann.

Mit dem Oppacher Advent hat die Bergermann Floristik auch ein völlig neues Kundensegment erschlossen. Ist sie bei den Floristen im B2B-Bereich unterwegs, beliefert man Endkunden. „Und das mit allen Konsequenzen“, sagt Uwe Bergermann. Er meint damit die Logistik, die sich plötzlich nicht mehr um Container, sondern um einzelne Kartons dreht. Oder das Beschwerdemanagement und schließlich auch die Abwicklung von möglichen Rücksendungen. Die sind selten, aber es gibt sie.

Wer mit Lydia Förster weiter durch das Lager geht, landet früher oder später vor mannshohen Kisten, aus denen grauweiße Härchen ragen. Die kommen aus dem Baltikum. Dort sitzt die Tochterfirma der Bergermänner, die Moos erntet und trocknet. Es gibt Dutzende verschiedene Sorten. Die weiß- grauen Härchen gehören zum Finnisch Moos, das auch Rentiermoos genannt wird. Es wächst in den Wäldern des oberen Baltikums und Russlands, muss am frühen Morgen geerntet werden. Dann, wenn der Tau noch auf den Härchen glitzert und die Mücken um die Baumstämme kreisen. „Keine wirklich angenehme Arbeit“, sagt Lydia Förster.

Moos ist eine andere Leidenschaft der Bergermänner. Sie haben erst in diesem Jahr mit MoosoMoos eine eigene Manufaktur gegründet, die die Besonderheiten des Materials untersucht und ausnutzt. Dass Moose eingefärbt werden können, ist nicht neu. Dass man sie aber als dekorativen Wandschmuck oder Raumteiler verwenden kann, schon. Die Landpflanzen leben zwar nach der Trocknung nicht mehr, sie absorbieren aber Lärm, nehmen Feuchtigkeit auf und fangen kleine Staubteilchen ein. Tages- und Konferenzräume, Hotellobbys, aber auch Gaststätten sind Räume, in denen Mooswände Sinn machen, ist Jens Loschke überzeugt. Der Vertriebsleiter war gerade in der Schweiz unterwegs, um neue Ideen für Produkte aus Moos zu sammeln. Vor allem Designer, Raumausstatter, Innenarchitekten und Künstler hofft das Oppacher Unternehmen mit seinen Angeboten überzeugen zu können. Und die Resonanz der bisherigen Termine gibt ihnen recht. Die Referenzbilder sammeln sich im Netz.

2016 war die Bergermann Floristik auf insgesamt sieben Messen unterwegs, hat rund 120 000 Euro investiert und erreicht nun auch immer mehr Kunden in den westlichen Bundesländern. Denn anders als bei der Konkurrenz gibt es bei der Bergermann Floristik Blütenkisten, in denen fünf, sechs Nationen vereint sind. „Wir verpacken hier alles von Hand, sortieren neu und kontrollieren die Qualität“, sagt Lydia Förster. Andreas Bergermann hat mit der Nature Parts Box dafür eigens eine praktische Verpackung entwickelt. Sie ist wiederverschließbar und lässt sich platzsparend stapeln. Das ist in den oft kleinen Blumenhandlungen wichtig und war dem Unternehmen ein eigenes Patent wert.

Jede neue Lieferung ist aufregend. Nicht selten gibt es nach dem Öffnen der Pakete Überraschungen. Mal sind die Blüten in einer anderen Farbe als der bestellten, mal sind es ganz andere Produkte. Und manchmal gibt es blinde Passagiere, wie neulich, als eine Spinne den Arbeiterinnen entgegenkrabbelte. Eigentlich sollte die Begasung der Container ihre Reise verhindern, aber wo Menschen arbeiten, passieren Fehler.

Uwe Bergermann ist keiner, der sich darüber aufregen würde. Er bleibt gelassen, auch bei den vielen Reisen zu seinen Lieferanten. „Ich habe die schwierigen Länder. Türkei, China und Russland“, erzählt er. Ja, die politische Situation sei angespannt. „Aber unsere Lieferanten leben so weit im Landesinneren, dass sie von den Turbulenzen wenig mitbekommen. Und sie wollen, genau wie wir, vor allem eines: ihre Ware verkaufen“, so Bergermann. Er ist übrigens gelernter Werkzeugmacher und kein Botaniker. Die lateinischen Namen hat er im Laufe der Jahre gelernt und für die Verständigung mit den Lieferanten „reicht mein Schulenglisch“, sagt er.

Fragt man Uwe Bergermann nach seinen unternehmerischen Zielen, dann ist nicht von Expansion die Rede. „Es wäre schon ein Erfolg, wenn wir den Status quo halten können“, so sein nüchternes Fazit. Der Markt ist kein leichter. Blumen sind Luxus. Und immer weniger Leute sind bereit, dafür viel Geld auszugeben. Und Qualität kostet nun mal, vor allem wenn sie in Handarbeit veredelt wird. Einen Luxus, den sich das Oppacher Unternehmen leistet, auch weil man mit Behindertenwerkstätten kooperiert. Hier wird verpackt, gezählt und veredelt. Nur das Bleichen muss im Ausland erfolgen. Die deutschen Umweltauflagen seien viel zu streng, begründet der Unternehmer.

Im August 2010 droht eine Firma vom Hochwasser förmlich weggespült zu werden. Die durchnässten Blüten, Kränze und Zapfen galten als Sondermüll. Sie mussten also teuer entsorgt werden. Glücklicherweise hatte das Unternehmen damals noch ein zweites Lager, konnte Großteile der Ware retten und damit seine Existenz. Uwe Bergermann hat erfahren, wie schmal der Grat zwischen wirtschaftlichem Erfolg und einem Desaster ist. Da, sagt er, nützen alle internationalen Handelsbeziehungen nicht viel. In einem aber ist er sich sicher: Sein Geschäft kann keiner einfach kopieren. In der Branche sind persönliche Kontakte alles – über Länder- und Kulturgrenzen hinweg.

Weitere Infos zu den Produkten unter www.nature-parts.com und moosmoos.de.