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Blumen für verfallenden Gasthof

Seit Jahrzehnten steht das einstige kulturelle Zentrum von Wallroda leer. Die Besitzer kümmern sich nicht – und sind derzeit auch nicht erreichbar.

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© Thorsten Eckert

Von Nadine Steinmann

Wallroda. Es ist ein Anblick zum Schmunzeln – aber gleichzeitig auch zum Augenrollen! Vor die zugenagelten Fenster des ehemaligen Gasthofes von Wallroda hat ein Frühlingsliebhaber Blumenkästen in den schönsten Farben aufgestellt. Sie bilden einen traurigen Kontrast zu dem seit Jahrzehnten zerfallenden Gasthof. „Wahrscheinlich hat derjenige, der die Kästen aufgestellt hat, gehofft, dass sich das Haus so schneller verkaufen lässt“, vermutet ein Wallrodaer, der die Verschönerung bei einem Spaziergang am Wochenende entdeckt hat und die SZ informierte. Er musste schmunzeln über die neue Dekoration des alten Gasthauses.

Seit wenigen Tagen schmücken diese farbenfrohen Blumen die Fenster des ehemaligen Gasthofes. Sie bilden einen traurigen Kontrast zu dem seit Jahren zerfallenden Haus.
Seit wenigen Tagen schmücken diese farbenfrohen Blumen die Fenster des ehemaligen Gasthofes. Sie bilden einen traurigen Kontrast zu dem seit Jahren zerfallenden Haus. © Thorsten Eckert

Doch tatsächlich ist die Situation an dem einstigen kulturellen Zentrum, das stets mit Leben gefüllt war, eher zum Augenrollen. Es verstreicht ein Jahr nach dem anderen – mittlerweile sind sogar mehr als zwei Jahrzehnte vergangen und noch immer steht das Haus leer. Und verfällt Stück für Stück. Leben ist hier schon längst nicht mehr zu finden.

Standfestigkeit geprüft

Erst vor Kurzem war Arnsdorfs Bürgermeisterin Martina Angermann deswegen mit ihrem Kollegen vom Hochbauamt vor Ort, um die Standfestigkeit des Hauses zu überprüfen. Schließlich sind einige Bereiche des Hauses bereits eingestürzt. Nur eben nach innen. Doch sobald eine Gefahr für die Öffentlichkeit besteht, muss die Gemeinde handeln. Doch diese Gefahr besteht momentan nicht. Der Bürgermeisterin und ihrer Verwaltung sind somit die Hände gebunden. Denn der Gasthof ist nicht im Besitz der Gemeinde Arnsdorf, steht auch nicht zum Verkauf. Stattdessen befindet sich das Objekt seit Ewigkeiten in Besitz einer Berliner Gesellschaft – die allerdings nie auch nur einen Finger krumm gemacht und sich um das Haus gekümmert hat. Mittlerweile scheint ein Abriss die einzige und auch letzte Option zu sein.

„Nach unserem Rundgang haben wir die Eigentümer noch einmal angeschrieben und Fotos dazugelegt“, erklärt Martina Angermann auf Nachfrage der Sächsischen Zeitung. Man wollte endlich eine Antwort haben, wie es mit dem alten Gebäude nun weitergeht. Schließlich ist es für die kleine Ortschaft ein wahrer Schandfleck. Nur gibt es einen Haken an der Sache: „Die Post kam zurück, war nicht zustellbar“, berichtet die Bürgermeisterin. Es gilt also nun in erster Linie herauszufinden, wo sich die Eigentümer aufhalten. Vielleicht muss auch die Frage geklärt werden, ob es die Berliner Gesellschaft überhaupt noch gibt.

Geschichtsträchtiges Haus

Tatsache ist und bleibt: Es ist schade um das geschichtsträchtige Haus. Schließlich war es Anfang des 20. Jahrhunderts die erste Adresse in Wallroda. Vor allem, wenn es ums Feiern ging. Den legendären Kirmesveranstaltungen im großen Saal hat Ortschronist Hans-Jörg Woywod auch einige Zeilen in der Chronik zur 650-Jahr-Feier Wallrodas gewidmet. Was müssen das für Feste gewesen sein! Anfang der 1990er-Jahre ließ die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft, damals Eigentümer des Hauses, den Gasthof schließlich noch einmal sanieren, um hygienische Anforderungen zu erzielen. Doch 1992 wurde das kulturelle Zentrum endgültig geschlossen und nach Berlin verkauft.

Seit einem Vierteljahrhundert hat also niemand mehr in dem großen Saal des Wallrodaer Gasthofes das Tanzbein geschwungen. Es gab kein Gelächter, keine ausgelassene Stimmung, keine Feiern mehr. An das damalige bunte Treiben erinnern in diesen Tagen lediglich die farbenfrohen Blumen, die vor den zugenagelten Fenstern stehen. Doch auch diese werden bald verwelken und genauso wie der Gasthof ihre Schönheit verlieren.