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Blumenuhr zeigt auf Frühling

Noch bis Donnerstag legen Beatrice Heinrich und Sibylle Dankwart das Frühjahrskleid am Zittauer Wahrzeichen an.

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© Rafael Sampedro

Von Mario Heinke

Zittau. Am Vormittag haben Sibylle Dankwart und Beatrice Heinrich das Winterkleid der Blumenuhr abgeräumt, den Boden umgegraben und planiert. Auf dem Anhänger haben sie die ersten zwölf Kisten mit blauen Stiefmütterchen geladen. Mit unzähligen Stöckchen, einem selbstgebauten Dreieck, einem Zollstock, einer Latte und einer Rolle Paketschnur beginnen die Frauen das vier mal vier Meter große Frühlingskleid der Blumenuhr auf dem Boden anzuzeichnen. Sie markieren das Ziffernblatt auf der Muttererde und knien dabei nach vorn über gebeugt auf zwei langen Leitern, die über dem Boden zu schweben scheinen, weil ein Ende der Leitern auf einem erhöhten Rohr lagert.

Die gekrümmte Dauerhaltung und die knallende Sonne an diesem Dienstagnachmittag sind schweißtreibend, schon nach wenigen Minuten wechseln die Frauen die Jacke gegen eine Weste. „Der erste Tag ist am schlimmsten“, sagt Beatrice Heinrich im Hinblick auf die Rückenschmerzen. Drei Tage dauert das Anlegen der Frühlingsbepflanzung erfahrungsgemäß. Die Schenkellängen des Holzdreiecks sind feste Maße des Ziffernblatts aus Blumen, das später entsteht. Zusätzliche Markierungen am Dreieck helfen den Landschaftsgärtnerinnen der Städtischen Dienstleistungsgesellschaft, die richtigen Abstände und Winkel zu finden. Alle paar Zentimeter setzen sie ein Stöckchen. So wird nach rund einer Stunde eine Art Skizze am Boden sichtbar. Für den finalen Kontrollblick aus der Ferne verlassen die Frauen die Pflanzstelle kurzzeitig. „Da unten ist noch ein Bogen“, sagt Beatrice Heinrich zu ihrer Kollegin. Sie kniet sich noch einmal in das Pflanzfeld und korrigiert einige Stöckchen, bis eine gerade Furche sichtbar wird. Wer glaubt, die Frauen hätten eine Zeichnung oder einen Plan dabei, der irrt. Das Muster haben sie im Kopf. Nur im Zweifelsfall schauen sie auf ein Foto, das sie im Handy gespeichert haben. Sibylle Dankwart, die 1981 ihre Ausbildung in der Stadtgärtnerei begann, bepflanzt die Blumenuhr inzwischen seit über 30 Jahren, Auch Beatrice Heinrich ist seit 1985 dabei.

Eine Besonderheit der Arbeit an der Blumenuhr ist der starke Publikumsverkehr. Das Porzellanglockenspiel ist seit Ostern wieder in Betrieb, seine Melodien sorgen dafür, dass pausenlos Passanten vorbeischlendern oder innehalten. Manche Menschen verwickeln die Frauen in einen kurzen Plausch oder stellen Fragen.

Die Krokuswiese vor der Blumenuhr lockt in diesen Tagen Hunderte Schaulustige an. Unter ihnen sind viele ältere Menschen in Begleitung ihrer Betreuer oder Angehörigen und zu guter Letzt auch die meist jüngeren „Selfie-Macher“, die jeden Schritt mit dem Smartphone festhalten und die entstandenen Bilder ins Internet versenden. Deren Population ist in der Nähe von Sehenswürdigkeiten bekanntermaßen besonders hoch. Als die Markierungen auf dem abgeschrägten Beet gesetzt sind, jonglieren die Frauen jeweils eine Kiste mit Stiefmütterchen auf den langen Leitern und stützen ihre Knie auf alten Sofapolstern ab, die auf den Sprossen liegen. Die Kisten sind an der schmalen Seite genauso breit wie die Sprossen, deshalb liegen sie sicher auf der Leiter. Den ausgestreckten Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand rammen die Gärtnerinnen bis zum Anschlag in die weiche Erde und kreisen so lange im Boden, bis das Loch groß genug ist, um den Setzling aufzunehmen. Die Pflanzung beginnt mit dem oberen achteckigen Rand des Ziffernblattes. Die blauen Rahmen sind die Stundenfelder und werden in den kommenden Tagen mit gelben Pflanzen aufgefüllt. In die Mitte und an die Ecken der Blumenuhr kommen weiße Stiefmütterchen. Insgesamt werden im Frühjahr 2000 Stiefmütterchen gepflanzt.

Das Anlegen des kleinteiligeren Sommerkleides der Blumenuhr, bestehend aus weinroten Iresinen, weißen Begonien sowie grüner und roter Alternanthera, dauert bis zu viereinhalb Tagen. Lediglich im Sommerkleid sind die Ziffern eins bis zwölf zu sehen, den Rest des Jahres deuten stattdessen einzelne Felder die Stunde an. Die Herbstbepflanzung dauert eine ganze Woche, weil Reisig geschnitten, mit Efeunadeln befestigt und Zapfen gedrahtet werden, erzählen die Gärtnerinnen.