Von Henry Berndt
Dresden. Es ist ihr unangenehm, ja peinlich. Wie konnte ihr das nur passieren? Noch immer kopfschüttelnd sitzt Renate B. in einem Zimmer der Dresdner Polizeidirektion. Für ihre 87 Jahre sieht sie sehr fit aus, trägt einen lachsrosa leuchtenden Pullover und weiße Ohrringe. Es ist ein guter Tag für sie, denn gleich wird ihr Polizeipräsident Horst Kretzschmar einen Umschlag voller 100-Euro-Scheine überreichen. Insgesamt 5 000 Euro. Er spricht von einem vorzeitigen Weihnachtsgeschenk, doch Renate B. bekommt nichts geschenkt. Die Witwe aus Dresden erhält nur ihre Ersparnisse zurück, um die sie im Frühjahr skrupellose Trickbetrüger brachten.
„Ich kann Ihnen gar nicht genug danken“, sagt Renate B. mit leiser Stimme. Vielleicht wird sie nun ein bisschen Ruhe finden nach all der Aufregung der vergangenen Monate. Der Schrecken begann für sie im April mit einem Anruf am Abend. Auf dem Display steht: 0351 110. Am anderen Ende meldete sich eine Polizistin, erzählte ihr von einer rumänischen Einbrecherbande, die auch an ihr Geld wolle. Ihr Name stünde auf einer Liste, die bei einem geschnappten Bandenmitglied gefunden wurde. Die Verbrecher seien bewaffnet und sehr gefährlich. Zu ihrer eigenen Sicherheit dürfe sie mit niemandem über diese Sache reden und müsse sich an alle Anweisungen halten. Renate B. war zu geschockt, um stutzig zu werden. Selbst, als die vermeintliche Beamtin am Telefon ihre Geschichte weiterspann, legte sie nicht auf. Auch bei der Sparkasse sei das Geld nicht sicher, hieß es nun. Dort arbeite ein Maulwurf, der ihr Konto plündern wolle. Sie müsse daher ihre Ersparnisse so schnell wie möglich abheben und zur Sicherheit einem Polizisten übergeben.
Was sich am Frühstückstisch nach einer hanebüchenen Story anhört, kann älteren Menschen abends allein zu Hause vor Angst den Verstand rauben. Und so machte sich Renate B. am nächsten Vormittag tatsächlich auf den Weg zur Bank und ließ sich ihre Anlage in Höhe von 5 000 Euro auszahlen. Nur widerwillig übergab ihr der Sparkassenmitarbeiter das Geld. Sie versprach, es schon bald zurückzubringen.
„So ein flotter junger Mann“
Zurück daheim holte kurz darauf ein falscher Polizist in Zivil das Geld ab und nahm es mit. „Zur Prüfung“, wie er sagte. „Das war so ein flotter junger Mann, dem hätte ich nie etwas Schlechtes zugetraut“, sagt die Rentnerin. Und doch: Als sie nach der Übergabe wieder die Treppe zu ihrer Wohnung hochgeht, dämmert ihr, dass sie einen großen Fehler gemacht haben könnte. Sie ruft sofort die echte Polizei an – und die weiß schon Bescheid. Der sogenannte „Polizeibeamten-Trick“ hat zu diesem Zeitpunkt schon etliche andere ältere Menschen ins Unglück gestürzt.
Trickbetrug sei ein Phänomen, das Kriminelle auch in Dresden zunehmend als Geschäftsfeld für sich entdeckten, sagt Polizeipräsident Kretzschmar. Die Vielfalt der Versuche sei dabei groß. Die wohl bekannteste Masche ist der Enkeltrick – so bekannt, dass sie für viele Betrüger kaum noch erfolgversprechend ist. Deswegen würden sich die Banden nun sogar aufwendig durchgeplante Szenarien ausdenken, mit denen sie ihre arglosen Opfer zu täuschen versuchen.
Häufig klappte das auch, aber am 18. April dieses Jahres wartete in Dresden dann doch die „gute Polizei“ auf einen der „bösen“ Polizisten, der gerade 28 000 Euro in bar bei einer Rentnerin abgeholt hatte. Im Auto des 37-jährige Deutschen wurden kurz darauf weitere knapp 15 000 Euro gefunden, die sich eindeutig zwei anderen Opfern zuordnen ließen. 5 000 Euro davon gehörten Renate B.
Während ihrer bundesweiten Ermittlungen kam die Polizei insgesamt sechs Männern auf die Spur, denen sie neun Betrugsfälle nachweisen konnte. Alle liefen nach dem gleichen Schema ab. Zwischen März und April seien mit dem „Polizeibeamten-Trick“ allein in Dresden knapp 60 000 Euro Bargeld und Schmuck im Wert von 6 000 Euro erbeutet worden. Betroffen waren vier Seniorinnen zwischen 72 und 87 Jahren. Die anderen fünf Opfer wohnten in Hamburg, Templin, Lübeck und Nauen. Gesamtschaden: 160 000 Euro. Der Großteil des Geldes ist bislang nicht wieder aufgetaucht. Nur für die drei betagten Dresdnerinnen endete die Geschichte gut.
Die Beschuldigten wurden zunächst mit Auflagen auf freien Fuß gelassen. Sie würden wegen Betruges angeklagt, hieß es am Freitag aus der Polizeidirektion. Grund zur Erleichterung sei das aber keineswegs, denn bislang seien wohl nur kleinere Fische ins Netz gegangen.
Die echte Polizei hat Tipps
Die Hintermänner der professionell organisierten Betrügerbande säßen vermutlich in der Türkei. Aus dortigen Callcentern kommen die Anrufe, die durch technische Tricksereien die 110 auf dem Telefon der Angerufenen erscheinen lassen. Die Anrufer sind auf Vehemenz und Einfühlungsvermögen geschult und sprechen Hochdeutsch. Was kann einem da abends allein am Telefon helfen
Die echte Kriminalpolizei hat da ein paar Tipps:
- Niemals würde die Polizei am Telefon persönliche Auskünfte zum Vermögen einfordern. Einfach auflegen.
- Niemals würde die Polizei am Telefon Bargeld zur Abholung einfordern, egal ob zur Sicherung oder zur Prüfung.
- Niemals würde die Polizei Opfer eines Verbrechens zum Schweigen gegenüber Familie oder Bankangestellten auffordern.
- Kinder und Enkel sollten mit ihren betagten Eltern und Großeltern über die Gefahr von Trickbetrügereien reden.
- Für ältere Menschen kann das Abhebelimit bei der Bank begrenzt werden. Bei höheren Beträgen könnten dann zunächst die Angehörigen informiert werden.