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Bombardier streicht 125 Jobs in Bautzen

Sinkende Nachfrage, schlechte Prognosen: Der Straßenbahnbau muss Federn lassen.

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© Carla Arnold

Von Irmela Hennig

Dass die Lage schwierig ist, sei vielen Mitarbeitern klar gewesen. Gerd Kaczmarek, Betriebsratschef bei Bombardier in Bautzen, macht eine kurze Pause. Dass die Einschnitte so heftig ausfallen, habe ihn „doch überrascht“. Gestern Mittag hatte Kaczmarek in einer außerordentlichen Betriebsversammlung die schwere Aufgabe, die Zahlen zu präsentieren: Der Schienenfahrzeugbauer will am Standort Bautzen 125 Stellen streichen. Das sind mehr als zehn Prozent der Belegschaft, die momentan aus 1100 festen Mitarbeitern und rund 80 Leiharbeitern besteht.

Besonders herb ist der Einschnitt für den Straßenbahnbau – hier wird eine komplette Abteilung geschlossen. Im Bereich Holz und Plastik fertigen 15 Mitarbeiter unter anderem Holzteile für Straßenbahnen. Darunter sind auch Holzfußböden, die nach Angaben von Bombardier-Sprecher Sebastian Heindrichs aber kaum noch nachgefragt werden.

Das, so Kaczmarek, klinge zunächst noch nicht dramatisch. Praktisch bedeuteten die Planungen aber, „dass eine Halle komplett leergeräumt wird und aus einer anderen drei Viertel der Maschinen verschwinden“. Beim Betriebsrat sieht man die Schließung eines kompletten Bereiches „sehr kritisch“. Damit werde die Fertigungstiefe am Standort verringert, darunter leide mittelfristig auch die Flexibilität. Künftig, so Kaczmarek, werde Bombardier Bautzen stärker mit ausländischen Zulieferern, etwa aus der Slowakei und Polen, zusammenarbeiten.

Die Pressestelle des weltweit agierenden Unternehmens mit Zentrale in Kanada hat die Pläne im Wesentlichen bestätigt. Sprecher Sebastian Heindrichs betonte gestern aber, dass Bombardier am Standort festhalte. Das Werk Bautzen sei der bedeutendste Straßenbahn- und Stadtbahnstandort im gesamten Unternehmen und vor allem bei Forschung und Entwicklung wichtig. Man wolle Stellenabbau und Strukturanpassungen „so glimpflich wie möglich“ organisieren.

Es gehe um „einen Stellenabbau im niedrigen dreistelligen Bereich im Zeitraum von 2014 bis 2016“, sagte Heindrichs. Über ein konkretes Konzept werde in den nächsten Monaten gesprochen. Man wolle so „die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes sichern.“

Geringe Auslastung, maue Prognose

Gründe für die Sparmaßnahmen gibt es laut Heindrichs mehrere. Zum einen sei die Auslastung am Standort Bautzen derzeit zu gering. Auch die Prognosen für 2015 und 2016 seien nicht ausreichend. Dabei hatte Bombardier noch Ende 2013 mehrere große Aufträge an Land gezogen. Aktuell baut das Werk unter anderem für Frankfurt am Main 224 Straßenbahnen, dazu kommen 60 Flexity-Bahnen für Basel in der Schweiz, 48 Fahrzeuge für eine belgische Verkehrsgesellschaft und Bahnen für die Mühlheimer Verkehrsgesellschaft mit einem Vertragswert von 27 Millionen Euro.

Betriebsratsvorsitzender Gerd Kaczmarek relativiert das allerdings. Das Werk mache jährlich im Schnitt 300 Millionen Euro Umsatz. Um den zu halten, müssten auch Aufträge in dieser Höhe zustande kommen. Nachfrage gebe es zwar, doch der Straßenbahn-Markt sei umkämpfter als noch vor einigen Jahren. Statt früher fünf bedeutenden Herstellern gebe es mittlerweile 14, die unter anderem aus Osteuropa kommen. Deren Qualität, habe auch Bautzens Standort-Chef Volker Eickhoff in der Betriebsversammlung eingeräumt, sei deutlich gestiegen. Insofern werde der Kuchen kleiner: Genug Interesse an Straßen- und Stadtbahnen gebe es zwar, sagt Gerd Kaczmarek. Eine Studie des Verbandes der europäischen Eisenbahnindustrie (Unife) zeigt allein für Deutschland ein Bedarfsvolumen von 600 Millionen Euro. Doch nicht aus jedem „haben wollen“ werde eine konkrete Nachfrage.

Kaczmarek kündigte an, dass Betriebsrat und IG Metall das Konzept des Managements nun „kritisch anschauen“ und prüfen wollen, ob Stellenstreichungen und die Bereichsschließung sinnvoll sind. Streiks, sagte der Betriebsratschef, solle es vorerst aber nicht geben. Möglicherweise gelinge es, Mitarbeiter an andere Standorte umzusetzen, zum Beispiel nach Görlitz, wo Bombardier Eisenbahnwaggons produziert. Dort seien keine Entlassungen geplant – und dorthin seien schon jetzt 50 Mitarbeiter ausgeliehen.

Dass die Situation im Schienenfahrzeugbau schwierig ist, hatte zuletzt auch der Waggonbau in Niesky erfahren. Der gehörte bis 2005 zum Bombardier-Konzern, wurde zwischenzeitlich von der Deutschen Bahn betrieben und ist inzwischen an eine Münchner Beteiligungsgesellschaft verkauft worden. Die auch durch die Wirtschaftskrise bedingte Auftragsflaute sei dort überwunden, die 2013 angeordnete Kurzarbeit ist wieder beendet.