Radebeul
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Bo(o)te der Hoffnung aus Reichenberg

Dem Holzgestalter Jens Gebhardt brechen durch die Corona-Krise seine Aufträge weg. Doch er hat eine Idee, die ihm und anderen in dieser Zeit hilft.

Von Sven Görner
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Der Reichenberger Jens Gebhardt sägt kleine Holzboote. Diese machen ihm und anderen Hoffnung. Die Resonanz ist groß.
Der Reichenberger Jens Gebhardt sägt kleine Holzboote. Diese machen ihm und anderen Hoffnung. Die Resonanz ist groß. © Arvid Müller

Moritzburg. Alles begann vor knapp zwei Wochen mit einem kleinen Post bei Facebook. Was dann passierte, hätte sich Jens Gebhardt nie im Leben träumen lassen. "Ich bin echt überwältigt, wie die Sache eingeschlagen hat", sagt der Reichenberger.  "Das hatte ich echt nicht erwartet."  Was ist geschehen? 

Dem diplomierten Holzgestalter waren, wie so vielen Selbstständigen und Freiberuflern in dieser Zeit, durch die coronabedingten Einschränkungen nahezu von einem zum anderen Tag  die Aufträge und damit natürlich auch die Verdienstmöglichkeiten weggebrochen. "Ich wollte an einem Schnitz-Event in Borna teilnehmen, das nun nicht stattfindet", erzählt er. In Adams Gasthof sollte der gelernte Tischler vor dem Start in die Saison noch an der Theke und  am Grillstand Hand an legen. Und in einer Dresdner Gaststätte waren Arbeiten am Fußboden geplant.    

Das alles löste sich in Luft auf. "Die Gaststätten haben derzeit schließlich andere Sorgen." Und Kontakte von mehreren Personen sind und bleiben vorerst verboten. Für Veranstaltungen wie das besagte Schnitz-Event  gilt das erst recht. Einfach nur dasitzen und warten wollte und konnte Jens Gebhardt indes nicht. "Mit 46 Jahren möchte man ja nicht bei den Eltern anrufen und um Geld bitten."  

Und so kam dem Reichenberger eine Idee. "Ich säge mit der Kettensäge gern Origami-Geschichten, das ist einfach schön." Bei der Messe Room  & Style hatte er vor zwei Jahren ein auf diese Weise entstandenes kleines Holzboot gezeigt. Und damit Aufmerksamkeit und Interesse geweckt. Daran erinnerte er sich wieder. Denn gerade jetzt, wo so vieles im alltäglichen Leben eingeschränkt ist, hat das Boot für den Holzkünstler auch einen hohen Symbolwert.  

Inzwischen ist schon eine ganze Flotte entstanden.
Inzwischen ist schon eine ganze Flotte entstanden. © Arvid Müller
Aus diesen Eichenholzklötzen entstehen die Kunstwerke.
Aus diesen Eichenholzklötzen entstehen die Kunstwerke. © Arvid Müller
Holzgestalter Jens Gebhardt bei der Arbeit.
Holzgestalter Jens Gebhardt bei der Arbeit. © Arvid Müller
Filigranes Arbeiten mit der Kettensäge.
Filigranes Arbeiten mit der Kettensäge. © Arvid Müller
Die Boote werden zum Abschluss noch farblich gestaltet.
Die Boote werden zum Abschluss noch farblich gestaltet. © Arvid Müller

"Mit einem Boot verbindet man die Sehnsucht nach Reisen. Die ja momentan komplett eingestellt sind." Oder auch nach dem Meer. Nach dem Aufenthalt dort. "Viele machen sich jetzt Sorgen, ob sie im Sommer an die Ostsee fahren können." Seine Boote der Hoffnung sollen dabei helfen, etwas Zuversicht zu geben. "Und gesprochen können sie ja auch ein Bote der Hoffnung sein."     

Als Jens Gebhardt seine Idee vor zwei Wochen auf Facebook ins Netz stellt, "waren alle Boote, die ich bis dahin gesägt hatte, innerhalb von drei Stunden weg". Insgesamt 16 Stück. Seitdem bekommt der Reichenberger ständig neue Bestellungen. Nicht nur aus der Region. "Gerade habe ich eines der 24 mal 10 mal 10 Zentimeter großen Boote mit der Post elbabwärts geschickt - nach Hamburg." 

Manche würden die kleinen Kunstwerke kaufen, um sie zu Hause in die Wohnung oder den Garten zu stellen. "Gestern hat mir jemand gesagt, er möchte damit eine Erinnerung an diese außergewöhnliche Zeit haben." Andere wollen die Boote verschenken.  Eben auch, um damit Hoffnung weiterzugeben.

Das  Eichenholz, das Jens Gebhardt verwendet, ist noch frisch. "Daher können noch ein paar Risse entstehen." Das sei aber nicht schlimm. Die Oberflächen des gesägten Holzes werden von ihm auf ganz verschiedene Art und Weise bearbeitet. Einige werden gebrannt, andere mit Farbe und Lackspray behandelt. Eine befreundete Künstlerin hat vier der Boote bemalt.        

Jedes der Unikate wechselt für 35 Euro den Besitzer. "Die Sache hilft mir, über den April zu kommen", freut sich der Künstler. Allerdings war die Aktion von Beginn an so angelegt, dass der Erlös seiner Arbeit nicht nur ihm hilft. „Fünf Euro von jedem Boot gehen an das ,Café Pawlow‘ in Dresden, damit es das auch künftig gibt.“ Dessen Inhaber kennt Jens Gebhardt bereits seit 1990. "Wir haben damals in Niesky gemeinsam die Berufsschule besucht. Ich habe Tischler, er Waggonbauer gelernt." Seitdem sind die beiden in Kontakt.  "Ich habe meinem Freund vorher aber nichts von der Idee erzählt."

In den vergangenen Tagen hat der Reichenberger nicht nur Bestellungen bekommen und fleißig gesägt. "Ich hatte auch Anrufe von anderen, die ähnlich betroffen sind wie ich." So hätten eine Malerin und ein anderer Holzkünstler bei ihm angerufen, ob sie sein Konzept ebenfalls verwenden dürfen. "Es freut mich natürlich, wenn ich vielleicht auch auf diese Weise helfen kann." 

Wer selbst an einem Boot der Hoffnung interessiert ist, kann sich per Email an Jens Gebhardt wenden: [email protected] oder über die Facebookseite „kunststattdresden“ Kontakt aufnehmen.

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