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Boxer steigen wieder oben ohne in den Ring

25 Jahre lang trugen die Amateure einen Kopfschutz. Damit ist nun Schluss. Wird damit die Gesundheit gefährdet?

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Von Franko Koitzsch

Wenn die deutschen Amateurboxer bei ihren Meisterschaften in der Oldenburger Weser-Ems-Halle durch den Ring tänzeln, wirken sie ungewöhnlich nackt. Der Kopfschutz ist weg. Erstmals seit den Olympischen Spielen in Seoul 1988 wird bei den Amateuren wieder oben ohne geboxt. „Das ist Teil der internationalen Reform. Boxen soll attraktiver werden“, sagt Jürgen Kyas, Präsident des Deutschen Boxsport-Verbandes (DBV), und betont: „Attraktiver, aber nicht gefährlicher.“ Genau das ist der Punkt, an dem Kritiker ansetzen. Steht die Gesundheit der Amateure nun auf dem Spiel?

„Nein“, sagt Angelika Fischer, Vorsitzende der DBV-Ärztekommission und Mitglied der Ärztekommission im Weltverband AIBA. „Zwar gab es nie tiefgreifende Untersuchungen, ob der Kopfschutz der Gesundheit diente. Aber sicher ist: Der Kopfschutz hat nie harte Schläge abgewehrt.“ Die Schläge zielen auf die Gesichtsfläche, nicht auf den Hinterkopf. „Außerdem schränkt der Kopfschutz das Gesichtsfeld ein. Die Boxer sehen die seitlichen Schläge nicht oder zu spät. Und obendrein fummeln sie während des Kampfes am Schutz herum, weil er verrutscht ist und die Sicht beeinträchtigt“, erklärt Fischer.

Einen Vorteil hatte der Kunststoff-Helm aber: Er schützte vor Cuts. Rasselten die Boxer früher mit den Köpfen aneinander, war zumeist der Schutz dazwischen. Eine Untersuchung von mehr als 7 000 Runden weist 18 Platzwunden bei Kopfschutz-Boxern aus. Die Boxer ohne Helm zählten dagegen 115 Cuts, das sind mehr als sechsmal so viel. Ohne Kopfschutz wird in der halbprofessionellen Weltserie WSB (World Series of Boxing) seit drei Jahren mit fünf statt drei Runden geboxt.

„Jetzt haben wir auch bei den Olympia-Boxern einige Cuts“, gibt Fischer nach den Meisterschaften in Oldenburg zu. Die 59-jährige Ärztin führte beim Championat Buch über die erlittenen Platzwunden. Diese werden aber weniger. „Das zeigen uns die WSB-Boxer, weil sie ihren Kampfstil der neuen Situation angepasst haben. Man achtet mehr auf die Verteidigung.“

Mehr K.o. bei den Haubenboxern

Eine andere Statistik zeigt, was man nicht vermutet hätte: Die Haubenboxer verzeichnen mehr Knockouts als die Oben-ohne-Boxer. 13 WSB-Kämpfern mit K.o. stehen 28 und damit mehr als doppelt so viele bei den Kopfschutz-Athleten gegenüber. Fischer: „Bei den WSB-Boxern herrscht ein höheres Niveau, weil die Besten für die Serie ausgesucht wurden. Die Kämpfe sind ausgeglichener. Bei den Olympia-Boxern gibt es eine große Leistungsbreite, deshalb mehr vorzeitige Siege.“

Zudem werden die Boxer ohne Kopfschutz gewissermaßen gebremst. Sie müssen nämlich ab dem Weltergewicht (69 kg) aufwärts nunmehr mit Zwölf-Unzen-Handschuhen boxen. Die früheren Zehn-Unzen-Fäustlinge waren weniger gepolstert und somit härter. Für Präsident Kyas gibt es noch ein Argument wider den Kopfschutz: „Man sieht endlich den Athleten und erkennt ihn wieder. Bisher konnte man nur ahnen, wer unter dem Schutz steckt. Für Zuschauer und das Fernsehen ist olympisches Boxen jetzt attraktiver.“ Sein erstes Fazit nach den Titelkämpfen: „Das Kampfverhalten ist wesentlich dynamischer geworden.“ (dpa)