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Braunes Gastspiel auf der Waldbühne

800 Zuschauer sahen am Wochenende in Bischofswerda Wilhelm Tell. Jetzt kommt heraus: Viele waren Rechtsextreme.

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© Otto Belina

Von Ingolf Reinsch

Bischofswerda. Die Anfrage im März schien unverfänglich: Eine Laienspielgruppe wollte auf der Waldbühne Bischofswerda Schillers Drama „Wilhelm Tell“ aufführen. Uwe Hänchen, Leiter der Bischofswerdaer Spielgemeinschaft „Gojko Mitic“, sagte zu und schloss mit dem Gastensemble im Juli einen Mietvertrag ab. Das Angebot passte ins Konzept: In Bischofswerda gibt es seit Längerem Überlegungen, die Waldbühne, die nur in wenigen Wochen im Jahr genutzt wird, mehr zu bespielen. Was bis vor wenigen Tagen weder er noch andere in Bischofswerda ahnten: Die „Laienspielgruppe Friedrich Schiller“ vereint offenbar Rechtsextreme aus dem gesamten deutschsprachigen Raum.

Nach Recherchen der auf dem Gebiet Rechtsextremismus tätigen Journalistin und Buchautorin Andrea Röpke zählen die Akteure zum nationalen Lager. Sie stammen aus sogenannten völkischen Familienverbänden, die eher rückwärtsgewandt leben. Ein Großteil kommt aus Norddeutschland, ihre „Sippen“ sind gut vernetzt und sehr öffentlichkeitsscheu. Es gab eine Homepage und den regionalen Kartenverkauf in Bautzen, ansonsten wurde anscheinend nur über die eigenen Kanäle für die Aufführungen am 7. und 8. September geworben. Am Sonnabend reisten die Gäste aus dem ganzen Bundesgebiet sowie aus Österreich und der Schweiz an. Ihr Aussehen fiel sofort ins Auge. Frauen und Mädchen mit Zöpfen und langen Röcken, Männer zünftig gekleidet liefen umher, bauten Zelte für die vielen Kinder auf. Mit dabei waren unter anderem ehemalige Anführer verbotener Neonazi-Organisationen wie der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ). Andere Gäste stammten aus völkisch-nationalistischen Jugendbünden, der NPD, AfD, aus den Reihen der Identitären oder der extrem rechten „Gemeinschaft Deutscher Frauen“. Auch Wolfram Nahrath saß im Publikum. Der Rechtsanwalt war letzter „Bundesführer“ der 1994 verbotenen Wiking-Jugend, und er wird gern von Neonazis als Verteidiger gewählt. Unter anderem verteidigte er Ralf Wohlleben, der im NSU-Prozess wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen kürzlich zu einer Haftstrafe von zehn Jahren verurteilt worden war, inzwischen aber aus der Haftanstalt entlassen wurde.

Proben zuvor in Thürigen

Viele der rund 80 Darsteller waren mit ihren Familien schon Tage vorher angereist, um auf der Waldbühne zu proben. Zuvor fanden die Proben in Thüringen statt – im Haus der „Schlesischen Jugend“ in Marlishausen bei Arnstadt, wie dessen Eigentümer Fabian Rimbach am Mittwoch der SZ bestätigte. Das Haus wird auch von Rechtsextremisten genutzt und deshalb im thüringer Verfassungsschutzbericht erwähnt.

Das „rechte Problem“ wurde von außen nach Bischofswerda hineingetragen. Nach SZ-Informationen wollte man „Wilhelm Tell“ eigentlich in Thüringen zeigen, fand aber keine passende Bühne. Baldur Borchardt, Regisseur des Gastensembles, hatte Ende August gegenüber der SZ erklärt, er sei auf der Suche nach einer Freilichtbühne zufällig auf Bischofswerda gestoßen. Jetzt mit den Vorwürfen konfrontiert, möchte er sich per Mail nicht äußern. Kenner der Szene äußern Zweifel an seiner Aussage vom August. Mit ihm Sympathisierende aus der Region könnten ihn auf den Standort hingewiesen haben, heißt es.

Die wenigsten Zuschauer kamen aus Bischofswerda. Wer dabei war, bekam von dem völkischen Hintergrund offenbar nichts mit. Mehrere Bischofswerdaer sagten der SZ, sie fanden die fast vierstündige Aufführung „toll“. Oberbürgermeister Holm Große (parteilos), der selbst nicht im Publikum saß, äußert sich sehr zurückhaltend: „Die Aufführungen von Schillers Drama Wilhelm Tell fanden bei den Besuchern großen Zuspruch und Beifall. Das Stück wurde im Originaltext aufgeführt, es gab keinerlei politische Äußerungen. Dies bestätigten mir engagierte Stadträte unserer demokratischen Parteien, von Die Linke bis CDU, und weitere dort anwesende aktive Mitgestalter unserer Stadtgesellschaft.“ Ausdrücklich nimmt der OB Uwe Hänchen in Schutz. Er genieße sein 100-prozentiges Vertrauen. „Als Oberbürgermeister stehe ich zu den Menschen in unserer Stadt und lasse diese nicht in ein falsches Licht oder in eine politische Ecke stellen.“

Eigentümerin der Waldbühne ist die Stadt. Sie hat die Spielstätte zur Nutzung der Spielgemeinschaft übergeben. Deren Spielleiter Uwe Hänchen ist weithin anerkannt. Von einem völkischen Hintergrund der Darsteller wusste er bis zur Anfrage der SZ nichts. Aufgrund von Auftreten, Kleidung und Umgang der Darsteller untereinander habe er eher auf einen religiösen Charakter der Gruppe getippt, sagte er. Andere sehen es kritischer. Ein Zuschauer sprach gegenüber der SZ von einem „politisch hochexplosiven Mix“ auf der Bühne.