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Brenzlige Lage in den Wäldern

Im Landkreis Bautzen herrscht höchste Waldbrandgefahr. Schon 13-mal mussten Feuerwehren ausrücken.

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© Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich

Bautzen. Vom Regenschauer, der sich am Mittwochabend über den Wäldern um Neschwitz ausgeschüttet hat, ist an diesem Donnerstagmorgen nicht mehr viel zu sehen. Bei der Hitze kann man die Trockenheit in den Kiefernbeständen förmlich riechen. Dabei waren es um die 60 Liter Wasser, die sich hier am Vorabend binnen kürzester Zeit ergossen haben. Thomas Sobczyk winkt ab: „Für den Waldboden war das gerade mal ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt der Forstingenieur vom Landratsamt. „Wir haben immer noch Waldbrandgefahrenstufe 5.“

In der zentralen Rettungsleitstelle für Ostsachsen in Hoyerswerda laufen die Kamerabilder von den Waldbrand-Wachtürmen zusammen.
In der zentralen Rettungsleitstelle für Ostsachsen in Hoyerswerda laufen die Kamerabilder von den Waldbrand-Wachtürmen zusammen. © Gernot Menzel

Stufe 5 ist die allerhöchste Gefahrenstufe, die es überhaupt gibt. Sie gilt derzeit in den Wäldern im gesamten Landkreis nördlich von Bautzen. In der Südhälfte, in der die Waldböden bündiger sind und mehr Feuchtigkeit speichern können als die Sandböden im Norden, gilt Waldbrandgefahrenstufe 4 – für diese Gebiete ebenfalls die höchste, die erreicht werden kann.

Thomas Sobczyk wird nachdenklich: Die Wälder sind so trocken wie lange nicht. Seit Wochen schon hat es nicht mehr ausreichend geregnet. Im Raum Hoyerswerda waren es in letzter Zeit gerade mal 0,7 Liter. Die Lage ist brenzlig: Schon 13-mal mussten die Feuerwehren im April und Mai zu Waldbränden im Landkreis ausrücken. 1,35 Hektar Wald haben die Feuer bereits zunichtegemacht. Es hat bei Ottendorf-Okrilla gebrannt, im Kamenzer Spittelforst und schon dreimal in den Wäldern um Knappenrode.

Vorjahreszahlen schon überschritten

Wie besonders die Situation in diesem Frühjahr ist, zeigt ein Vergleich zum Vorjahr: Im gesamten Jahr 2017 galt im Landkreis Bautzen an drei Tagen die höchste Waldbrandgefahrenstufe 5, an zwölf Tagen Stufe 4. Jetzt sind es schon bis Ende Mai vier Tage mit Stufe 5 und 14 Tage mit Stufe 4. Und auch für diesen Freitag ist die höchste Gefahrenstufe ausgerufen. Thomas Sobczyk ist zum Feuerwachturm in die Hahnenberge bei Holscha gefahren. In so einer Situation will er lieber einmal zu viel als einmal zu wenig nach dem Rechten gesehen haben. Der 53-Jährige zwängt sich auf engen Stufenleitern die 28 Meter bis zur Kanzel hinauf.

Erst in diesem Jahr ist auf den Wachtürmen, die vollautomatisch arbeiten, neue Kameratechnik installiert worden. Von 10 bis 20 Uhr – das ist die Zeit, in der erfahrungsgemäß 95 Prozent aller Waldbrände entstehen – sendet sie Bilder in die Leitstelle. Die empfindlichen Kamera-Sensoren nehmen die Bilder in 16 000 Graustufen wahr. Wenn sie die noch so kleinste Veränderung erkennen, die auf eine Rauchentwicklung hindeutet, geben sie Alarm. Die Technik auf dem Turm in den Hahnenbergen funktioniert tadellos. Thomas Sobzcyk ist zufrieden.

Vier Türme im Norden des Kreises werden bei hoher Waldbrandgefahr zusätzlich noch manuell besetzt. Thomas Sobczyk hat die Besetzung der Türme auch für Freitag wieder angeordnet. Kein leichter Job für die Mitarbeiter bei dieser Hitze. Im Mai waren die Türme nur an einem einzigen Tag nicht besetzt. Die Waldbrandgefahr ist gegenwärtig auch deshalb so groß, weil noch sehr viel trockenes Bruchholz von den letzten Stürmen in den Wäldern liegt.

Noch viel Bruchholz in den Wäldern

Seit den großen Sturmtiefs „Herwart“ im letzten Herbst und „Friederike“ im Januar warten noch mindestens 100 000 Festmeter Bruchholz darauf, aus den Wäldern gebracht zu werden, schätzt Sobczyk. Ein großer Teil davon ist noch gar nicht geborgen. Und selbst ein großer Teil des bereits geborgenen Holzes liegt noch an den Waldwegen und kann nicht abgeholt werden. „Die meisten Sägewerke nehmen nichts mehr ab, weil sie nicht mehr nachkommen mit dem Aufarbeiten“, weiß Thomas Sobczyk.

Und er ahnt, dass es in nächster Zeit noch viel mehr Bruchholz geben könnte. Viele der flachwurzligen Kiefern, die den Stürmen nicht trotzen konnten, stehen zwar noch, aber sie stehen schief und werden instabil. Ein großer Teil ihrer Wurzeln ist im Sturm abgerissen. Und gerade bei so einer Trockenheit wie jetzt, erklärt Thomas Sobczyk, schafft es der Rest nicht, den gesamten Baum ausreichend mit Wasser zu versorgen. „Beim nächsten Windstoß fallen sie um“, weiß der Forstingenieur. Und da hat er noch gar nicht vom Borkenkäfer gesprochen, für den die Wälder gerade ein gefundenes Fressen sind. „Von den Fichten ist jeder Stamm, der liegt, befallen“, sagt er. Und gerade in diesen Tagen fängt die Folgegeneration an, auszufliegen, und wird das Problem noch um ein Vielfaches potenzieren.

Wälder dürfen betreten werden

Obwohl Waldbrände so gut wie immer vom Menschen verursacht werden – durch vorsätzliche Brandstiftung wie bei den jüngsten Fällen im Kamenzer Spittelforst oder fahrlässig durch eine weggeworfene Zigarettenkippe, ein offenes Feuer oder eine achtlos liegengelassene Glasflasche: Das Betreten der Wälder wird von den Fortsbehörden im Kreis Bautzen nicht untersagt.

„Wir hätten zwar die Möglichkeit, das zu tun“, erklärt Thomas Sobczyk, „aber unsere Überzeugung ist eine andere.“ Die Behördenmitarbeiter im Kreis Bautzen gehen davon aus, dass die meisten Waldbesucher wissen, wie sie sich bei hoher Waldbrandgefahr verhalten müssen, und sich auch daran halten. „Je mehr Menschen im Wald unterwegs sind, umso eher kann vielleicht auch ein Waldbrand entdeckt und gemeldet werden“, erklärt Sobczyk. Denn für die Kamerasysteme, die hoch über den Baumwipfeln installiert sind, ist eine Rauchentwicklung am Boden nicht immer sofort sichtbar.

Thomas Sobczyk verschließt die Tür zum Wachturm wieder sorgfältig. Die Hitze flimmert zwischen den Bäumen, das Gras am Waldrand ist verbrannt. Für das Wochenende hoffen die Forstleute auf eine Entspannung der brenzligen Lage. Die Meteorologen sagen eine leichte Abkühlung, vor allem aber auch Regenschauer vorher. „Das beste wäre jetzt ein richtiger langanhaltender Landregen, mindestens zwei, drei Stunden lang“, sagt Thomas Sobczyk. Den würden nicht nur die Wälder dringend brauchen.